Internet: Neue EU-Urheberrechtsrichtlinie kriminalisiert uns alle.

Es kann nicht sein, dass bei jedem Posting, Verlinken, Teilen oder Erstellen eines Textes, Bildes oder Videos die Gefahr besteht, abgemahnt zu werden. Eine unzumutbare massive Rechtsunsicherheit. Lobbyistensprachrohr und EU-Digitalkommissar Öttinger legte den neuen Entwurf für Urheber- und Leistungsschutzrecht vor und kriminalisiert damit die gesamte Internet-Community.

Dieses geht noch weiter als das schon bisherige in der digitalen Welt weltfremd gewordene Urheberrecht. Es würde damit das europäische Internet mit seine Struktur der Öffentlichkeit und der Meinungs- und Informationsfreiheit erheblich beschädigen. Man will das Linksetzen mit oder ohne Snippets und damit jeden Blogger oder Facebook-User kriminalisieren.

Oettinger behauptet fälschlich, dass Internetnutzer, die bei Twitter, Facebook etc. Links auf die übliche Art und Weise teilen (mit Kurzausschnitt und gegebenenfalls Vorschaubild), nicht unter dieses Recht fallen sollen. NUR eine solche Einschränkung findet sich aber im Entwurftext nicht, ein Fressen und neues Geschäftsmodell für die Abmahnindustrie.

Der Entwurf für die EU-Urheberrechtsrichtlinie sieht überdies vor, die Nutzung von Online-Artikeln 20 Jahre lang lizenzpflichtig zu machen. Setze ich einen Link aus dem Jahr 1970, zahle ich noch immer Lizenzgebühr.

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/leistungsschutzrecht-eine-urhr-bombe-fuer-uns-alle-zeit-julia-reda-eu-parl-25686

Der Entwurf unterscheidet entgegen den Worten Öttingers also nicht zwischen Suchmaschinen wie Google oder Newsaggregatoren wie Googlenews, sprich kommerziellen Newsaggregatoren , die damit Gewinne machen mit fremden Leistungen und anderen sprich privaten Usern, die auf Facebook oder in Blogs Links setzen.

http://www.golem.de/news/eu-kommissar-oettinger-usa-haben-tempolimit-europa-bekommt-leistungsschutzrecht-1609-123262.html

http://www.golem.de/news/leistungsschutzrecht-vernichtende-kritik-an-oettingers-urheberrechtsplaenen-1609-123258.html

Mit Hyperlinks und Snippets (=Inhalts-Kurzangaben) auf Artikel der europäischen Presse zu verweisen, ist nach diesem Entwurf daher eine Verletzung des Leistungsschutzrechtes, auch für kommerzielle Aggregatoren wie zB. perlentaucher.de eine Katastrophe.

Links mit kurzen Vorschautexten, wie sie zum Beispiel in sozialen Medien üblich sind, fallen nunmehr in den Anwendungsbereich des neuen LSR. Angenommen, der Verweis enthält die Überschrift "Merkel trifft Putin". Wer hat nun die originären Rechte an einem solch banalen Satz? Wer war der erste Publisher, wer muss von wem Rechte einholen? Das absehbare Chaos ist grenzenlos, auch für kommerzielle Presseverleger, denen dieses LSR ja eigentlich zugute kommen soll.

Bei manchen Gesetzen hat man ja den Eindruck, dass sie eine Sache nicht klären, sondern noch mehr Verunsicherung schaffen, um gewissen Interessensgruppen, wie beim LSR Verleger, Verwertungsgesellschaften und Anwälten Cash in die Kassen zu spielen.

Statt "news publications" soll jetzt auch jede Form der "press publications" geschützt werden, damit wird sich das Recht auch auf Auto- oder Erotik-Publikationen beziehen.

Der Entwurf zwingt Aggregatoren, die Erlaubnis der Medien einzuholen, auf die sie verweisen, was in der Fülle der Informationen völlig unpraktikabel ist auch für die Zeitungsverleger selbst.

Wenn dieser Entwurf nicht abgeändert wird, heißt das, dass jeder die Rechte klären muss, der zu Onlinezeitungen Links setzt und dabei zumindest einen kleinen Ausschnitt wie zum Beispiel die Überschrift mit angibt. Ebenso unklar ist, wer der eigentliche Rechteinhaber sein soll. Aggregatoren müssten also mit einer unabsehbaren Anzahl von Rechteinhabern eine unüberschaubare Anzahl von Rechten für diese Textschnipsel abklären, ein absolutes Ding der Unmöglichkeit. Es sei denn, Medien schließen sich in europäische Verwertungsgesellschaften zusammen, mit denen man pauschal verhandelt?

Freie Zirkulation von Information in einer Demokratie sollten Gemeingut sein - es geht ja nicht um die Übernahme ganzer Werke.

Das neue LSR kommt einem Monopolschutz von reinen Informationen nahe, denn wie soll man "Merkel trifft Putin" anders ausdrücken, wenn ich diese Headline nicht mehr frei verwenden darf ohne Zustimmung des Urhebers.

Ausgerüstet mit dem neuen Recht können die Verleger die Bedingungen im Zweifel völlig frei diktieren. Gegenüber kleinen Medien oder einzelnen Nutzern sitzen die Verlage mit ihren Rechtsabteilungen am längeren Hebel und mit dem LSR werden ihnen weitere Instrumente zu Abmahnung und Einschüchterung gegeben.

Natürlich heißt das allem voran, dass die Großverlage zu Recht Geld von Facebook und Google wollen. Aber das Recht dürfte auch sehr gelegen kommen und hinlänglich eingesetzt werden, um sich unliebsame Konkurrenz vom Hals zu halten. Die Rechtsunsicherheit, die das LSR erzeugen wird, genügt für Einschüchterungstaktiken völlig.

Ein allzu weit reichendes Recht für Verleger ist eigentlich grundrechtswidrig und mit der Verfassung und europäischen Grundrechtecharta unvereinbar und die digitale Welt kann sich Jahrzehnte dauernde Rechtsstreitigkeiten nicht erlauben.

Verleger sagen, dass Ihnen durch den Medienwandel das Geschäftsmodell abhanden kommt. Bis zu einem gewissen Grad ist das richtig. Die Werbung läuft zum Beispiel mehr und mehr in Richtung Facebook und Google, die Milliarden scheffeln und dabei natürlich auf dem Inhalt beruhen, den nicht nur die Medien, sondern alle Akteure der Öffentlichkeit insgesamt schaffen.

Digitalkommissar Oettinger spricht in den Erwägungen zum Entwurf explizit davon, dass den Qualitätsmedien damit das Geschäftsmodell erhalten werden soll. Was werden die Suchdienste machen, sie setzen wie in Deutscland und Spanien schon passiert, die Links prominenter Medien soweit zurück ohne Inhaltsangabe, dass sie keine mehr findet. Damit stirbt ihr Markt.

Eine Sache, die die Politik auch in Deutschland nie verstehen wollte.

Wenn eine Suchmaschine also, ohne vorher Rechte einzuholen, weiterhin verlinkt und Vorschautexte anzeigt, begeht sie vom ersten Tag an zigtausende Rechtsverletzungen. Dagegen hilft nur, keine Nutzungen mehr vorzunehmen.

Der Link ist jedoch das wesentliche Instrument einer Öffentlichkeit, die heute wesentlich im Internet stattfindet. Jedoch seit der Debatte in Deutschland unterdrücken fast alle Presseverlage jegliche kritische Berichterstattung. Was dieses Thema angeht, findet unabhängiger Journalismus nur noch in den Blogs, Online-Medien und sozialen Medien statt. Bedauerlicherweise nehmen Politiker diese neue Art des "Qualitätsjournalismus" nicht wahr.

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