Gedankensplitter zu obigem Buch, gut geschrieben. In meiner Rezension beschränke ich mich jedoch auf den slowenisch-kroatischen Teil. Das “Bella Italia” stellt der Autor als “Teutonengrill” deutscher Urlauber hin.
Da ich diese Lektüre gerade auf einem Rovinj/Istrien-Urlaub lese, beschränke ich mich auf den slowenisch-kroatischen Teil. Das “Bella Italia” stellt der Author als “Teutonengrill” deutscher Wirtschaftswundergeneration dar, also etwas anders, als Goethe es auf seiner Italienreise, das “Land , wo die Zitronen blühen”, erlebt hat
Die Stärke dieses Buches liegt in meinen Augen darin, dass der Author Uwe Rada auch immer auf der Suche nach dem “kulturellen Gedächtnis” eines Raumes ist, das ich in Reiseführern vermisse und dieses Buch wertvoll macht.
Erstmals liegt eine Kulturgeschichte des Adria-Raumes vom in Berlin lebenden taz-Journalisten Uwe Rada vor, die wieder Lust darauf macht, den Adria-Raum ob seiner kulturellen Vielfalt wiederzuentdecken. Die Adria war in ihrer Geschichte eine Brücke zwischen Okzident und Orient, die Wasserscheide zwischen christlicher und islamischer Welt. Heute sieht es nicht so aus, als ob sie jemals friedlich zusammenwachsen.
Generell muss wie auch in anderen Weltgegenden gesagt werden, dass zwischen Meeresbewohnern und idR. engstirnigeren Bewohnern hinter dem Meer (“Hinterwäldler”) unterschieden werden muss. Die einen sind offener, die anderen eher rechtskonservativ "Zugenähte", nationalistisch denkend. Die singen andere Lieder und verhalten sich anders und sind rückständig. Auch vom österr. Schriftsteller Herman Bahr kann man in seiner “Dalmatinischen Reise” einiges davon lesen.
Die Küste mit ihren Bewohnern waren das Synonym für eine romanische, ehemals venezianische, weltoffenere Welt.
Dagegen der “verfluchte Serb hat ja keine Kultur”, schrieb Egon Bahr. Auch die Kroaten blickten auf die Serben herab, sie bezichtigten ihre slawischen Brüder aus Serbien der Barberei.
Die Adria ist im Ggs. zu Atlantik oder Pazifik, die als “Meere der großen Entfernungen” bezeichnet werden, eher ein Meer der intimen Nähe. Das Mittelmeer ein Meer der Nachbarschaften. Zur Einstimmung Ivo Robic, der jugoslawische Karel Gott mit seinem in Opatija (Abbazia) berühmt gewordenen Welthit:
“Morgen”
https://m.youtube.com/watch?v=WAqIMj6lIBM
“Morgen, morgen lacht uns wieder das Glück, Gestern, gestern liegt schon soweit zurück, war es auch eine schöne Zeit, morgen sind wir wieder dabei”
Nach dem 1. Weltkrieg ging Abbazia (Opatjia) unter und auch unter Titos Zeit weichte dem Luxus des “Fin de Siecle” der “Fin de Socialism”. Heute versucht man Monarchiekitsch zu revitalisieren, jedoch Abbazia hat seine Seele verloren. Der traumhafte Spazierweg “Lungomare” an der Saumkante der Felsen über der Adria hineingehauen, heißt inzwischen Franz Joseph Weg.
Für die Fahrt von Wien benötigte Franz Joseph 14 Stunden. Sein nachgereister Hofstaat betrug 75 Personen vom Oberhofmeister bis zur Erzieherin. Man stieg 1894 im “Hotel Kromprinzessin Stephanie” ( heute “Imperial”) ab. Die Wiener Südbahn (Wien/Triest) wurde bis Fiume (Rijeka) bereits 1873 verlängert.
So wurde Abbazia um den “Fin de Siecle” (Jahrhundertwende) der mondäne Kurort der Wiener Gesellschaft, insb. des Adels.
Mahler, Schnitzler, Tschechow, James Joyce, etc.. und insgesamt 42.000 Gäste kamen damals nach Abbazia. Nirgendwo sonst blühten Tratsch und Klatsch prächtiger, nirgendwo sonst fühlten sich die Kranken gesünder und die Einsamen glücklicher, nirgendwo sonst gibt man sich sorgloser angesichts einer Welt, die immer dreister mit dem Feuer spielt. Das Amüsement kennt hier keine Pause.
An der Adria begegneten sich Okzident und Orient, tiefster Balkan in Bosnien-Herzegowina, wo das nationale Denken vor dem Regionalen steht. Der Balkan beginnt, wenn nicht wie Metternich meinte, in Wien/Rennweg, dann spätestens ab Zadar, der Hauptstadt Kroatiens.
Nicht so in Istrien, welches von der venezianischen Besetzung, österr. Monarchie, jedoch insbesondere dem italienischen Einfluss besonders geprägt ist. Istrien ist weltoffen, die Menschen sind offener und hier zählt die Region vor der Nationalität, egal ob man Slowene, Kroate, Bosnier oder Serbe ist und dort lebt.
ISTRIEN:
Piran, Porto Roz, Porec (Partytouristen, für Radbegeisterte die “Parenzana” von Triest nach Porec die alte Bahntrasse entlang ), Rovinj und Pula fallen einem gleich ein.
In Istrien ist die Adria kein Meer der Gegensätze, sondern der weltoffenen Vielfalt, die als kultureller Reichtum verstanden wird. Hier leben Nationalitäten in Frieden nebeneinander. Nicht so in Bosnien. Die Homoehe wurde mit großer Mehrheit befürwortet, nicht so im Rest Kroatiens einschließlich Zagreb, da folgte man der rechtskonservativen Kirche.
Allein an diesem Wahlergebnis kann man ablesen, wo der Balkan beginnt, nämlich spätestens in Zagreb.
Am schönsten ist es in Rovinj, wo die mittelalterlichen Gassen sich zur “Kathedrale Euphemia” hinaufschlängeln. Sie Altstadt verbindet sich mit der Neustadt des 19.Jh. über die Flanierstraße Karera.
Die langgezogenen Steilküste Rovinjs bietet romantische Badeplätze und viele Grünwälder, einfach herrlich.
Istrien versteht sich multikulturell, neben Kroaten leben auch Serben, Bosnier, Italiener, Slowenen, Künstler u.a. dort. Die regionale Identität steht hier im Vordergrund und nicht die nationale. Deswegen kann man Istrien nicht zum Balkan zählen, der Balkan beginnt in Zadar.
Das Epizentrum des Balkan befindet sich in Bosnien, hier zählt die nationale Identität und nicht regionale. Verliebte sich früher eine muslimische Bosnierin in einen Serben, wurde sie dafür zu Tode gesteinigt. In Istrien wäre das nicht einmal die Rede wert, in Makatska sehr wohl.
14. Jh. begann der osmanische (= muslimisch türkische) Vormarsch am Balkan und das bis heute nachwirkende Unglück begann mit der Schlacht am Amselfeld 1389, wo die Serben von den Türken besiegtm wurden. Serbien wird osmanisch, Bosnien wir osmanisch.
Sultan Süleyman I. ließ 1566 “Stari Most”, die Brücke in Mostar errichten. Im Yugokrieg 1991 ff. zerstört und mit UNO-Hilfsgeldern wiedr aufgebaut.
Seit dem 16.Jh. machten auch die Uskoken - ein grausames Piratenvolk - von sich reden das sich an der Neretvamündung für Plünderungseinsätze in der Adria niederließ.
Die Venezianer beherrschten die heutigen kroatischen Gebiete bis Kotor (Bucht von Kataro) und versuchten auch, die immer wieder in Europa einfallenden Türken zurückzudrängen.
Ragusa (Dubrovnik) bekommt vom Papst die Erlaubnis, mit den Ungläubigen Geschäfte zu machen. Wien erwirbt 1382 Triest und dieser Zugang zum adriatischen Meer lässt den Handel blühen. Seit 1857 verbindet die Südbahn erstmals Wien mit Triest in direkter, 13-stündiger Fahrt.
1815 bekommt Österreich im Zuge des “Wiener Kongresses” die ehemals venezianische Ostküste der Adria zugesprochen (Dalmatien bis zur Bucht von Kataro). Somit besitz Österreich auch das muslimisch durchwachsene Bosnien-Herzegowina. Heute noch ein Pulverfass mit Serben, Kroaten und Muslims (Bosniaken). Die Belagerung von Sebrenica (Yugokrieg ab 1991) mit tausend Toten durch die Serben erinnert noch an die Grausamkeiten des Völkermords.
Im ausgehenden 19. Jh. wurde Abbazia bei Ryeka der Moderkurort der österr.-ungar. Monarchie. 1894 gabs dort sogar ein Kaisertreffen im “Hotel Stephanie” (Kaiser Franz Joseph mit dem Preußenkönig Wilhelm II.
1914 wird als Folge des Nationalismus in Sarajevo der in Graz geborene Trohnfolger Franz Ferdinand erschossen, der 1. Weltkrieg beginnt. Danach beginnt das Königreich Jugoslawien zu entstehen und auch Italien erhält wieder Gebiete, jedoch NUR Istrien und nicht Zadar oder Fiume (= Rijeka).
Deshalb belagerte der italienische Faschist Gabriele d'Annuncio Rijeka. Triest blieb bis zum EU-Beitritt eine sensible Zone zwischen Italienern, Slowenen und Kroaten. Jedoch auch die Slowenen und Kroaten führen bis heute einen Grenzstreit wegen der Bucht von Piran, es geht um Fischerei-Hoheitsgewässer und die 5 Meilenzone, wonach Slowenien kaum Zugang hätte.
Italien verbietet 1927 gesetzlich, in der Öffentlichkeit Slowenisch oder Kroatisch zu sprechen.
1941 besetzen deutsche und italieneiche Truppen Jugoslawien und teilen es sich auf, wobei sich das faschistische Italien unter Mussolini Istrien, Rijeka und die dalmatinische Küste unter den Nagel riss.
Der Rest Hitlerdeutschland kooperierend mit dem faschistischen Ustascha-Regime Kroatiens. Serben und Juden wurden ermordet. Kurt Held schreibt seinen Bestseller “Die rote Zora und ihre Bande” auch TV-Serie.
1943 Italien verlässt das Deutschlanbündnis (die verräterischen Italiener, die “Katzlmacher” sagte man bei uns). In Partisanenkampf in Istrien beginnt, Gestapo-Gefängnisse in Triest.
1945 befreit Tito mit seinen Partisanen Jugoslawien, tausende Italiener aber auch Deutsche wurden von Tito ermordet und in Karsthöhlen geworfen und 300.000 Italiener wurden aus Istrien und Rijeka vertrieben…..
1991 begann ein grausamer Bürgerkrieg mit 100.000 Toten und vielen Gefolterten in Yugoslawien. Die Serben haben den Krieg begonnen, die Kroaten blieben jedoch auch nichts schuldig. Genozide und Namen wie Milosevic/Serbe, Tudjman/Kroate oder Mladic und Karadic/Genocid Sebrenica sind noch in Erinnerung (Sebrenica 1995 serbische Belagerung, 1000 Tote, etc…).
Auch Belagerung und Beschuss Dubrovniks durch die Serben und Montenegriner mit 600 Geschossen , die Innenstadt wurde z.T. zerstört, 19 Tote und 3 Monate lang dauerte die Belagerung, das Essen ging aus..
Bernd Shaw schrieb über Dubrovnik, “wer den Himmel auf Erden sucht, werde ihn in Dubrovnik finden”, leider war er voller Raketen.
Unabhängigkeitsbestrebungen nach Kriegsende ließen Jugoslawien zwar unter Tito noch zusammengehalten, nach dem Bürgerkrieg jedoch in einzelne souveräne Staaten zerfallen. Mit der US-Nato Intervention und dem Vertrag von Dayton wurde das Kriegsende erzwungen.
2004 wird Slowenien in die EU aufgenommen.
2005 wird die kroatische Autobahn bis Split fertiggestellt und
2013 wurde Kroatien in die EU aufgenommen.
Montenegro und Albanien wird EU-Beitrittskandidat. Der 1984 verstorbene albanische Diktator Hodscha errichtete in seinem Wahn übrigens 750.000 Bunker, damit kamen 4 Albaner auf 1 Bunker, Gesamtkosten 2,2 Mrd. Euro. Nach Maos Tod löste sich Albanien auch von seinem Verbündeten.