Die neue Journalistengeneration schreibt über Länder, in die sie gar nie gereist sind, gibt aber vor zu wissen, wie diese Menschen denken. Diese denken zumeist ganz anders, als die journalistischen Auslandsdokumentaristen Glauben machen.
Vor Jahrzehnten waren Auslandsdokumentationen noch bemüht, Abstand vom Thema zu halten, und die verschiedenen Aspekte der fremden Kultur als etwas Fremdes zu verstehen. Heute ist dies einem moralischen Populismus gewichen. Die Welt ist so, wie der politisch korrekte Journalist sie sieht.
Der arme Chinese ist deshalb arm, weil er ärmer ist als der arme Deutsche. Dass der arme Chinese sich aber gar nicht arm fühlt, weil es ihm sehr viel besser geht als seinem Großvater, das ist dem Moralpopulisten egal.
Die Unsitte der "Political Correctness" und "Mainstream-Denkens" engt unsere kognitive Freiheit immer mehr ein.
Vor Jahrzehnten war noch ein dialektisches Ringen um die "Wahrheit" spürbar. Heute halten Journalisten und Auslands-Journalisten nur noch ihr eigenes, politisch korrektes Denken als einzig richtigen Maßstab für die Welt. Der moderne Journalist ist wie der moderne Politiker geworden.
Wenn der Journalist einen Blick auf China wirft, ist er in seiner Idealisierung des Fremden oft genug über die Realität enttäuscht. Und mitleidlos wird China vorgeworfen, dass es seine Probleme noch nicht politisch korrekt gelöst habe. Der Journalist von heute hält sich für aufgeklärt, deshalb gibt es für ihn das Fremde gar nicht mehr. Alle müssen so sein, wie er. Und wenn sie es nicht sind, werden sie es schon noch werden. Dass sein Denken und seine Meinung falsch sein könnte, kommt dem modernen Journalisten gar nicht mehr in den Sinn. Dass seine Sichtweise falsch sein könnte, kann er sich gar nicht vorstellen.
Dass Burkaträgerinnen vielleicht völlig anders denken und den westlichen Werten den Kampf ansagen, ist für die politisch korrekten und gegenderten Ökobourgeoisiejournalisten undenkbar.
Mein Tipp an Journalisten:
„Sie sollen nicht alles glauben, was Sie denken und schreiben."
Dazu kommt die Emotionalisierung des journalistischen Sprechens. War früher von Sprechern immer eine innere Distanz, eine Neutralität zu hören, weiß man heute bis in die Nachrichten hinein, was gut und was böse zu sein hat (Armin Wolf von ZIB 2 ist so ein Beispiel für mich, er weiß, was gut und böse ist).
Hier kommt ein autoritärer Wesenszug der Postmoderne zum Vorschein, der das Andere nicht verstehen will, sondern es nur vereinnahmen will und der Journalist moralisch über allem in der Welt steht. In Auslandssendungen werden vor allem diejenigen interviewt oder portraitiert, die die Meinung der Journalisten wiedergeben.
Fremde werden nicht dadurch verstanden, dass ich denke, "sie müssen wie wir werden, haben nur noch vorübergehenden Entwicklungsbedarf und eine andere Folklore. Fremde verstehen heißt vielmehr, das Anerkennen und Akzeptieren lernen ihrer Fremdheit und gleichzeitig zu denken: "Ja, an ihrer Stelle, würde ich handeln wie sie. Ich würde die gleichen kulturgeprägten Handlungsweisen ausführen, wie alle anderen in dieser Kultur."
Dieses Anerkennen des Fremden als etwas vollkommen anderes, das im Widerspruch zu mir steht, ist im heutigen Zeitgeist verloren gegangen.
In anderen Kulturen stehen zB. die Eltern und nicht die Kinder im Mittelpunkt. Ganze Eltern-Generation lassen in Dörfern die Alten mit ihren Kindern zurück. Das ist aber nicht nur in China so. Überall in der Dritten Welt machen sich junge Ehepaare auf in die Städte und lassen ihre Kinder bei den Großeltern zurück. Oft ist es eine freiwillige Entscheidung, die westliche Journalisten mit ihrem völlig anderen Wertesystem gar nicht nachvollziehen können. Auch in Thailand ist es ein Massenphänomen, dass die Kinder fern der Eltern bei Opa und Oma aufwachsen. Dies ist auch Ausdruck dafür, dass die Kinder in Dritte-Welt-Kulturen einen ganz anderen Stellenwert als im Westen haben.
Während sich hier alles um die Kinder dreht ("Helikopter-Eltern"), stehen in der Dritten Welt die Eltern im Mittelpunkt. Die Kinder sind dazu da, später die Eltern zu betreuen. Wenn die Eltern zuerst ungestört ohne die Kinder Geld verdienen wollen, dann ist das einfach nur eine andere Sichtweise des Lebens.
Das ist der eigentliche Rassismus der Antirassisten:
"Die Leugnung des Fremden. Alles hat wie unsere Kultur zu sein. Ob sie will oder nicht, wird jede Kultur unter unserem Duktus eingemeindet".
Die entscheidende Frage, wie unser Menschsein auszusehen hat, definiert dann in großer Selbstverständlichkeit der Journalist und damit seine von ihm veröffentlichte Meinung der Ökobourgeoisie mit ihrem Moralpopulismus.
Ein Journalist fragt den zwölfjährigen Chinesen, wenn er seine Eltern in Shanghai besuche, was ihm dabei am besten gefalle. Er antwortet: "Der Supermarkt". Mit ungläubigem Staunen fragt der Jourmnalist nach, wieso gerade der den Supermarkt. "Das ist doch klar, du Nuss", möchte er sagen. Wer in einem Dorf nur einen kleinen Laden kennt, den haut ein Mega-Supermarkt und eine Shoppingmall in Shanghai um. Diese Denke erscheint dem Journalisten völlig fremd. Oder die Großeltern bestellen ihre Gärten von Hand, sie haben keine Maschinen, ertönt klagend die Stimme des Journalisten.....na und?. Sie sind damit zufrieden.
Dann wird verwundert vermerkt, dass die Räume unverputzt wie im Rohbau sind. In China sieht es in vielen Wohnungen wie im Rohbau aus, auch in Südamerika, wo die Erde ("Pacha Mama") noch heilig ist. Das stört niemanden, außer unseren Journalisten. Das ist Lifestyle der einfachen Chinesen, tapezieren ist halt in Europaüblich.
Kinder müssen in China am Heimatort zur Schule gehen. Das ist keine Bosheit der chinesischen Regierung, sondern der Grund für die Regelung ist der enorme Migrationsdruck, dem die chinesischen Städte unterliegen. 300 Millionen Bauern sind in kurzer Zeit vom Land in die Stadt gewandert. Das Land blutet aus. Um diese Landflucht zu verlangsamen, hat die Regierung die Sozialleistungen an die Heimat gebunden, verständlich.
Das kleinere Übel
Der Mensch wählt immer zwischen geringeren Übeln, so ist das Leben und anders geht es nicht, auf dass das größte Übel nicht eintritt. Die unglaubliche Entwicklung Chinas wird nicht gewürdigt, sondern in einem arroganten westlichen Journalismus immer das Haar in der Suppe gesucht. So geht das Chinabashing weiter.
Nur 5.500 Yuan (1€ = rd. 7,5 Yuan, somit 730 €) verdienen die beiden chinesischen Hilfsarbeiter als Ehepaar zusammen, klagt der Auslandsjournalist vorwurfsvoll. Sie bezahlen am Land 45 € Miete. Auf unsere Verhältnisse umgerechnet: Ein Hilfsarbeiter-Ehepaar verdient hier vielleicht 2.100 €. Davon gehen bei einer 3-köpfigen Familie etwa 800€ für Wohnung und Heizung auf, also 1.300 € zum Leben bei wesentlich höheren Lebenskosten. In China sind die Preise die Hälfte von unseren. Also verdienen die beiden ähnlich den deutschen Hilfsarbeitern und können noch dazu ein Haus bauen. Das ist eine Riesenleistung für ein Land, dessen Bevölkerung vor wenigen Jahrzehnten noch von Hungersnöten geprägt war.
Dass die Kinder in den Ganztagsschulen quasi Ersatzeltern durch Lehrer und Sozialarbeiter gestellt bekommen, wird in unserem elterngeprägten Denken nicht als Leistung, sondern eher als eine Rabenelternkultur wahrgenommen.
Es ist aber die Riesenleistung eines Systems, das verhindern will, dass seine Städte in kürzester Zeit explodieren. Und es wird als Bosheit der chinesischen Regierung dargestellt, dass sie nicht die gesamte Landbevölkerung so ohne weiteres in die Städte ziehen lässt. In Indien ist das so und der Erfolg ist katastrophal.