Knackpunkte von CETA und TTIP -Handelsministertreffen in Bratislava

Selten zuvor war Freihandel in der EU so umstritten wie jetzt. Europas Handelsminister treffen einander zu CETA und TTIP in Bratislava. Was sind die Knackpunkte?

Malmström, die schwedische EU-Handelskommissarin, hat es derzeit nicht leicht. Ihr wichtigstes Vorhaben, die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den USA, kommt nicht mehr voran. In einem Mehrfrontenkampf muss sie in zähen Verhandlungen den Amerikanern Zugeständnisse abringen, die eigenen Auftraggeber in den EU-Hauptstädten bei Laune halten und eine misstrauische europäische Öffentlichkeit zu überzeugen versuchen.

Die Querschüsse von Politikern aus Berlin, Paris oder Wien gegen TTIP wurden schärfer. Im Schlepptau von TTIP könnte das eigentlich schon ausverhandelte Handelsabkommen mit Kanada (CETA) noch auf den letzten Metern scheitern.

CETA:

CETA ist ein fertig verhandeltes und veröffentlichtes Abkommen. Die Verhandlungen wurden 2009 aufgenommen und 2014 abgeschlossen. Danach gab es ungewöhnlicherweise Nachverhandlungen, in denen Kanada die neue EU-Idee einer Investitionsgerichtsbarkeit übernommen hat. Noch steht aber das grüne Licht des Ministerrates aus. Nachdem Gabriel seiner SPD ein bedingtes Ja zu CETA abgerungen hat, bleibt vor allem die Haltung Österreichs abzuwarten.

Als "gemischtes Abkommen" muss Ceta nach der Unterzeichnung nicht nur vom EU-Parlament, sondern auch von allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Deshalb sei eine Unterzeichnung politisch kaum denkbar, solange sich nicht alle 28 Regierungen dahinterstehen, heisst es in Brüssel. Denn auch danach kann CETA noch immer in einem der Parlamente scheitern, doch könnten grosse Teile des Vertrags während der wohl jahrelangen nationalen Ratifizierungsverfahren vorläufig angewandt werden.

Erneute Nachverhandlungen gelten als "No-Go", hingegen haben sich Malmström und die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland zu "Klarstellungen" in Bereichen wie Service public, Arbeitsrechte und Umweltschutz bereit erklärt. Damit können Dinge präzisiert werden, aber das Abkommen kann so weder geändert noch nachträglich uminterpretiert werden.

TTIP:

Die TTIP-Verhandlungen haben im Sommer 2013 begonnen. Ursprünglich wurde ein Abschluss bis Ende 2016 und damit noch unter der Regierung Obama angepeilt. Inzwischen räumt man in Verhandlungskreisen ein, dass es bis Jahrende keinen fertig ausgehandelten Text geben wird. Dann erfolgen der Wechsel im Weissen Haus , Wahlen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2017 mit bremsenden Effekten.

Gescheitert ist TTIP damit noch nicht. In Bratislava wollen die Minister darüber diskutieren, wie die EU mit dieser Situation umgehen soll.

Was bringen CETA und TTIP?

Sie erleichtern im Sinne der Freihandelsidee den gegenseitigen Marktzugang. So schafft CETA die Zölle auf 99% der Waren ab; ausgenommen sind einige Agrarprodukte.

In den TTIP-Verhandlungen hat man sich bisher auf die Aufhebung der Zölle auf 97% der Güter vorläufig geeinigt; über die letzten 3% will man in der Schlussphase reden.

Liberalisiert werden auch der Handel mit Dienstleistungen und das öffentliche Beschaffungswesen. Kanada hat sich im CETA verpflichtet, den Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen staatlichen Ebenen, auch Provinzen und Gemeinden für EU-Anbieter zu öffnen.

Ähnliches fordert die EU nun von den USA, doch beisst sie sich dort die Zähne aus. In den TTIP-Verhandlungen ebenfalls noch heftig umstritten ist der von der EU geforderte Schutz für «geografische Angaben» wie zum Beispiel Feta-Käse.

Kanada dagegen anerkennt via CETA den Schutz von über 140 solchen geschützten europäischen Angaben. So darf zum Beispiel nur noch echter niederländischer Gouda-Käse in Kanada unter diesem Namen verkauft werden.

Von grosser Bedeutung ist sodann der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse aufgrund unterschiedlicher bürokratischer Regulierungen unabhängig vom Zoll. Mit Ceta haben sich die EU und Kanada beispielsweise verpflichtet, die Konformitätsbescheinigungen des Partners für Produkte von Elektrogeräten bis zu Spielzeug anzuerkennen. Dies bedeutet, dass ein EU-Hersteller das Produkt für den Export nach Kanada nicht ein zweites Mal testen lassen muss – und umgekehrt.

In den TTIP-Verhandlungen geht es etwa darum, die Inspektionen pharmazeutischer Produktionsstätten gegenseitig anzuerkennen. Entgegen der verbreiteten Kritik, die Abkommen dienten nur den Multis, sind solche Erleichterungen gerade für KMU wichtig, die nicht auf Werke in der halben Welt ausweichen und auf einen grossen Apparat abstellen können.

Über TTIP wollen die EU und die USA übrigens bei der Zusammenarbeit in Regulierungsfragen weitergehen, als es CETA tut.

Was sind die Ängste der Abkommensgegner?

Haben Handelsverhandlungen einst nur Spezialisten interessiert, wird über TTIP auch in der breiten Öffentlichkeit seit Beginn des Projekts kontrovers diskutiert. CETA dagegen wurde erst im Schlepptau der TTIP-Debatte zum Thema.

In allen anderen EU-Staaten ist die Unterstützung für TTIP in der Bevölkerung laut Umfragen höher als in Österreich und Deutschland.

Soeben haben die Handelsminister aus 12 Mitgliedstaaten, darunter drei Nordeuropäer, die Iren, die baltischen Staaten, aber auch Spanien, Italien und Portugal, in einem Brief an Malmström eine Lanze für TTIP und Ceta gebrochen.

Die von Umwelt- und Konsumentenschützern oder Gewerkschaften vorgebrachte Kritik wiederum ist heterogen:

INVESTITIONSSCHUTZ:

In beiden Verträgen sind Regeln über den Schutz von ausländischen Investitionen und die Beilegung von Konflikten zwischen Investoren und dem Gaststaat enthalten. Dies ist auf vielfache, teilweise berechtigte Kritik gestossen. Die EU hat darauf mit dem Vorschlag reagiert, die bisher für die Streitbeilegung üblichen privaten Schiedsgerichte durch eine nicht private Investitionsgerichtsbarkeit, bestehend aus einem ständigen Gericht und einer Berufungsinstanz, zu ersetzen. Kanada ist wie erwähnt nachträglich im CETA darauf eingegangen; die USA hingegen tun sich damit im TTIP sehr schwer. Auch hat der neue EU-Ansatz nur einen Teil der Kritiker besänftigt.

UMWELT-u.SOZIALSTANDARDS:

Gegner der Verträge befürchten, dass diese in eine Senkung von Umweltstandards und Arbeitsrechten münden werden. Begründet werden Vorwürfe und Globalisierungsängste damit, dass die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen und der Einfluss der Konzerne zu einer Deregulierung führen würden.

Malmström kontert, Standards würden nur harmonisiert oder gegenseitig anerkannt, wenn angeblich dadurch der Schutz erhöht oder zumindest nicht gesenkt werde. So will die EU zum Beispiel weder die berüchtigten Chlorhühnchen (mit Chlorlösung desinfizierte US-Hühnchen) noch Fleisch von hormongemästeten Rindern zulassen. Gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel (GVO) wiederum lässt sie schon jetzt auf den Markt. Doch sie müssen ein striktes Zulassungsverfahren durchlaufen, das nicht geändert werden soll.

Bezüglich der Arbeitnehmerrechte hebt Brüssel hervor, dass sich beide Parteien in CETA auf die Einhaltung der Kern-Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verpflichten.

Sodann enthalte CETA keinerlei Verpflichten zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Bildung oder Wasserversorgung, betont die EU.

TRANSPARENZ, DEMOKRATIEPRINZIP:

Aus Sicht der Gegner kommen beide Verträge undemokratisch und intransparent zustande. Allerdings verhandelt die EU-Kommission auf Basis eines von den nationalen Regierungen einstimmig erteilten Mandats, und das Verhandlungsergebnis muss nicht nur von den EU-Staaten und vom EU-Parlament, sondern – bei CETA ist das sicher, bei TTIP wahrscheinlich – von allen nationalen Parlamenten gutgeheissen werden.

Richtig ist, dass die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das ist bei internationalen Abkommen üblich und aus taktischen Gründen kaum anders möglich. Die EU hat auf die Kritik reagiert und schrittweise einen grossen Teil der TIPP-Verhandlungsunterlagen veröffentlicht. Die USA bleiben hierbei viel zurückhaltender.

Gutes CETA, böses TTIP?

Gabriel/SPD und Mitterlehner/ÖVP haben zwischen CETA (gut) und TTIP (nicht gut genug) differenziert? Noch kann man das nicht wirklich beurteilen, weil es zu CETA einen fertigen Text gibt, zu TTIP jedoch nicht. CETA hat das Image eines umfassenden und fortschrittlichen Abkommens, nicht so TTIP.

Ob die USA sich zu einer Angleichung an CETA beim Investitionsschutzes überreden lässt, muss ziemlich bezweifelt werden.

Dabei darf jedoch nicht die Verhandlungsposition beider Länder übersehen werden, denn übersehen werden. Kanada ist mit 36 Mio. Einwohnern im Vergleich zur USA mit 322 Mio. ein sehr kleiner Staat und stärker vom Handel mit der EU abhängig als umgekehrt. Deshalb war die Position der EU gegenüber Ottawa stärker, als gegenüber Washington. Auch steht Kanada den Europäern bezüglich Werten und der Regulierung der Wirtschaft näher als die USA.

Malmström meint, falls die EU den Deal mit Kanada nicht genehmigen kann, mit wem kann sie dann überhaupt noch Handelsabkommen schliessen? "CETA sei in ihren Augen das beste Abkommen, das die EU je ausgehandelt hat.

Ich persönlich bin der Meinung, dass auch demokratiepolitische Fragen dazu geklärt werden müssen. Eine Machtverschiebung weg von der Politik hin zu demokratisch nicht legitimierten Konzernen ist äußerst bedenklich und dazu fehlt mit eine klare Beurteilung.Bis das geklärt ist, gehöre ich nicht grs. zu den Freihandelsgegenern, aber zu den Gegnern dieser beiden Abkommen.

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