Kulturrevolution "SPIEGEL" und "Die WELT":Journalisten müssen IT-Experten werden,experimentieren, neue Ertragsquellen erschließen, etc...

Journalismus und Medien müssen sich heutzutage mit vielen Sorgen und Nöten auseinandersetzen. Angesichts sinkender Auflagen und schwindender Anzeigenerlöse neuer digitaler Konkurrenten und der hässlichen Rufe von der "Lügenpresse" scheint es kaum mehr möglich, beim Wort Medien nicht gleich an Krise zu denken. Immer wieder ist es die Digitalisierung, die als Bedrohung klassischer Medien wahrgenommen wird.

Nach dem "Innovation Report" der "New York Times" und auch der ZEIT hat nunmehr der SPIEGEL einen schonungslosen Report abgeliefert, eine Kulturrevolution mit 80 Maßnahmen soll stattfinden.

http://www.swr.de/swr2/kultur-info/krise-beim-spiegel-mitarbeiter-fordern-revolution-von-unten/-/id=9597116/did=17196744/nid=9597116/yexa7/index.html

Der Spiegel hat binnen 10 Jahren 19% an Auflage verloren und 70% der Anzeigenerlöse. Eine "35-Stunden-Woche bei 14 Monatsgehältern" gibt es da noch und im Ressort Gesellschaft genießen von 17 festangestellten Mitarbeitern 11 Privilegien, etwa weil sie zu den Führungskräften (Ressortleiter und Stellvertreter und Redaktionsleiter) oder zu Autoren und Reportern gehören - das sind 65 Prozent, ein Leckerbissen für Mc.Kinsey. Sprengstoff Personal: Wenn der status-quo weiterhin konserviert wird, geht die Zukunft verloren, die Lage sei ernst. Man wird um harte Maßnahmen nicht herumkommen und wird auch die Gehälter veröffentlichen, um mehr Transparenz zu schaffen.

Die Rede ist von "Selbstherrlichkeit, Besserwisserei, falsche Prioritäten, fehlende Innovationskraft" - all das sind Dinge im Report. Kritisiert wird auch das "Markenchaos", das fehlende Wir-Gefühl, wozu auch das Markenchaos beiträgt.Es fehlen Teamflächen und es fehlt an Teamkultur. Der Ex-Chefredakteur Büchner plante schon szt. einen Reformprozess, scheiterte jedoch am Widerstand der privilegierten Belegschaft und musste gehen. Die Zeit zum Diskutieren im Ericusspitz Hamburg ist nunmehr vorbei, denn die Medienkrise hat in ihrer vollen Intensität eingesetzt.

Dazu wurden auch ChefredakteureInnen fremder Medien befragt, u.a. auch die Chefredakteurin vom STANDARD:

"Alexandra Föderl-Schmid, die Chefredakteurin und Co-Herausgeberin der österreichischen Zeitung "Der Standard", hielt sich mit einer Bewertung zurück. Sie antwortete auf die Frage, wie sie den Report finde, kurz und knapp: "Was ich bisher darüber gelesen habe: ein sehr kritischer Blick in den "Spiegel"". Und was macht ihr Verlag? "Wichtig ist, dass man sich mit dem Thema beschäftigt. Wir diskutieren das Thema in Arbeitsgruppen." Die Beurteilung der Qualität dieses Statements sei dem Leser überlassen.

Auch "Die WELT" hat sich in einem Meeting Gedanken gemacht über den Journalismus:

Dabei wurde festgehalten, dass niemals in der Geschichte uns mehr Informationen zur Verfügung standen, niemals zuvor war die Auswahl der Kommunikationswege zum Publikum größer und niemals gab es mehr Möglichkeiten, Berichterstattung gleichermaßen multimedial und spannend zu gestalten. Spannende Zeiten für Medienmacher, die die Herausforderung annehmen und eine bessere Zukunft der Medien gestalten müssen.

Der durch die Digitalisierung getriebene Wandel ist rasant, aber es lassen sich durchaus klare Entwicklungstrends ablesen, wie die WELT zu berichten weiß:

a) Redakteure müssen IT-Experten werden, um crossmedial agieren zu können

b) Inhalte sind heute erfolgreich verkaufbar, wenn sie einen hohen Nutzwert oder ein exklusives Erlebnis versprechen und multimedial für mehrere Plattformen aufbereitet werden, wo sie auch Selbstläufer werden können.

c) In der Games-Industrie (Erlösmodell-Differenzierungen) haben sich Freemium-Modelle (nur anfangs kostenfrei Nutzung) durchgesetzt und tausende neue Arbeitsplätze geschaffen.

d) Erlösmodell-Zauberformel gibt es keine, es muss überall optimiert und experimentiert werden.

e) Erfolgreiche Modelle verbreiten sich auch international rasch - man spricht von einer "hohen Skalierbarkeit"

f) Datenjournalismus bietet neue Anwendungs- und Präsentationsfelder.

g) Loslösung der Inhalte vom eigenen Medium zu Google und Facebook - Monetarisierungsproblem.

h) Die Nachfrage nach Orientierung in der Daten-und Informationsflut ist da. Das Angebot leidet oft noch sehr an qualitativen Schwächen.

Der Journalismus muss noch kommunikativer, interaktiver und kompetenter werden. Die Haltung gegenüber den Lesern/Usern muss neu überdacht werden.

In den 70er- und 80er-Jahren, als über die Einführung des privaten Fernsehens diskutiert wurde, befürchtete man sogleich, dass wir uns auf Kosten des Zeitunglesen "zu Tode amüsieren". Jedoch Hamburger Namen, wie Springer (Welt, Bils), Augstein (Spiegel), Brucerius (Zeit), etc...prägten eine journalistische Kultur.

Und jetzt aktuell droht der Journalismus angeblich in den Fluten des Internets zu ertrinken. Bislang ist es noch jedes Mal gelungen, die Leistungen des Journalismus nicht nur zu retten, sondern ihm gleichzeitig auch neue Chancen auf neuen Medienplattformen zu eröffnen. Der Medienwandel wird etliche Medienmacher viel Kraft kosten, und er wird auch Opfer verlangen, dennoch ist er unausweichlich und birgt Chancen. Trotzdem fehlen noch Namen, die wie die oben genannten diese neue Kultur prägen.

Ein "Demokratie" mit ihrer "offenen Gesellschaft" kann um keinen Preis auf Medien verzichten. Jedoch müssen sich auch die Medien der Demokratie - würdig erweisen und wieder verstärkt Qualitäts - statt Mainstreamjournalismus anbieten.

Start-Ups in Co-Working Spaces arbeiten bereits emsig an der Zukunft und es bleibt zu hoffen, dass die Journalismuskrise durch Innovationen - Altes muss zerstört werden, damit Neues entstehen kann (= Schumpeterformel) - wieder überwunden wird.

Ergänzung zu:

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/der-oesterreichische-journalismus-ist-am-besten-weg-sich-abzuschaffen-17544

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zeit im blick

zeit im blick bewertete diesen Eintrag 03.04.2016 20:16:43

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