Liessmann/Philosophicum Lech - Gedankenwirrwar, wie ein Tennisspiel ohne Ball

"Pessimismus oder Optimismus - Philosophieren in unruhiger Zeit".

"Gott und die Welt" lautete das Thema des zwanzigsten Philosophicum Lech, das vom Mittwoch bis Sonntag der vergangenen Woche in gebührender Jubiläumsstimmung über die Bühne ging. Vom Allerhöchsten war jedoch nicht übermässig viel zu hören, eher hielten sich die Vortragenden an die "Welt" oder ans Motto des Untertitels, "Philosophieren in unruhiger Zeit", und entwarfen mitunter düstere Zeitdiagnosen.

Politologe Herfried Münkler:

sprach mit gewohnter Routine über die neuen Kriege und interpretierte Angela Merkels Flüchtlingspolitik nicht als humane Geste, sondern als geostrategisches Kalkül: Die deutsche Kanzlerin habe einem Wiederaufflammen der Balkankriege vorbeugen wollen.............(höre ich persönlich zum ersten Mal!?)

Heinz Bude:

fragte in soziologischer Perspektive, warum in Deutschland trotz besten Wirtschaftsdaten eine so ängstlich-gereizte Stimmung herrsche, und erklärte dies mit der Ungleichzeitigkeit von "Wachstumsgeschwindigkeiten". Während die Ungleichheit weltweit und im internationalen Vergleich zurückgehe, wachse sie in Deutschland, was Besorgnis auslöse und eine pessimistische Zukunftserwartung nähre. Wir könnten, so tröstete Bude, zumindest darauf hoffen, dass die wirtschaftlich aufholenden Staaten keine Rache an "uns" nähmen.

Die Entscheidung zwischen Pessimismus oder Optimismus war das geheime Leitmotiv der fünf Tage. Nicht nur Dämonen, sondern auch Engel der Rettung schwebten durch den Raum.

Carlos Fraenkel:

Junger Professor an der McGill-Universität Montreal, stellte das Konzept einer philosophisch angeleiteten Streitkultur vor.

Christoph Türcke:

hat in seinem Vortrag gründlich den Glauben an Geld aufs Korn genommen und zog einen "Weltschuldenschnitt" in Erwägung, der uns halbwegs vom Geld-Theismus befreien könne.

Definitiv zu den Optimisten zählte:

Soziologe Hartmut Rosa,

Resonanzexperte der für sein Buch "Resonanz" den diesjährigen "Tractatus"-Essaypreis erhielt. Rosa plädiert in seinem Buch für eine Weltbeziehung, die nicht auf Kontrolle und Aneignung basiert, sondern auf "Anverwandlung" (= gegenseitige Resonanz). Man müsse sich von der Welt berühren lassen. Dass dieses Konzept von manchen für naiv gehalten werde, habe er zur Kenntnis genommen, es sei ihm aber egal, sagte Rosa in seiner Dankesrede und bezeichnete das Philosophicum als eine "Resonanzoase".

Höhepunkt des philosophische Niveaus sollte sein:

Penel mit Markus Gabriel und Holm Tetens.

Tetens,

als Verfechter klaren wissenschaftlichen Argumentierens bekannt, stellte sich gegen den atheistischen "common sense" und leitete streng logisch ab, warum es sinnvoll sein könnte, die Existenz eines Gottes anzunehmen. Der gängige Einwand, wir folgten mit der Annahme Gottes nur einer wohlfeilen Wunschvorstellung, sei ein genetischer Fehlschluss, meinte Tetens. Ob ein Gedanke angenehm oder unangenehm sei, sage nichts darüber aus, ob er wahr ist oder falsch. Und warum nicht die optimistische Variante wählen? Gott lasse sich weder beweisen noch widerlegen, ethisch mache es aber einen Unterschied ums Ganze, ob man menschliches Leben als ein auf Transzendentes bezogenes Sinngeschehen denke oder nicht. Es war nicht nur ein logisches, sondern ein zutiefst existenzielles Anliegen, das Holm Tetens hier vorbrachte...........(man müsste meiner Meinung jedoch auch auf die Gefahrenpotentiale von Religions-Instrumentalisierung hinweisen)

Markus Gabriel:

Autor des Buches "Warum es die Welt nicht gibt", wies hingegen in schwindelerregender Windeseile nach, dass Gott als Absolutes eine logische Unmöglichkeit sei. Auch wenn sie in dieser Frage uneins waren, stimmten Tetens und Gabriel nachdrücklich darin überein, dass "Naturalismus" u. "Empirismus", also ein Denken, das die Welt aufs empirisch Nachweisbare reduziert, unhaltbar sei. So kam das Thema «Gott» dann doch zu seinem Recht, auch in dem Vortrag von

Mouhanad Khorchide:

der im Koran einen barmherzigen, dialogischen Gott vorfindet und auf die religiöse, aber vor allem politische Notwendigkeit verwies, dieses exegetische Gottesbild gegenüber dem eines strengen, autoritären Gottes zu stärken.

Tennis ohne Ball:

Insgesamt ließ das Philosophicum einen roten Faden vermissen. Der Spiritus Rector Konrad Paul Liessmann, mochte noch so sehr betonen, dass sich hinter dem Titel «Gott und die Welt» nicht nur Beliebiges, sondern das Wesentliche der Philosophie verberge, die versammelten Vorträge wirkten diesmal wie ein Kessel Buntes, eine Zusammenschau durchaus interessanter, aber auch bekannter Gegenwartspositionen fast ausnahmslos männlicher Autoren.

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Margaretha G

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Petra vom Frankenwald

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