Medienbranche, Verlustursachen, ÖWA-Zugriffstatistik, Medienkritik

Die ÖWA (= Österreichische Werbeanalyse) hat für Jänner 2016 die neuen Zugriffszahlen auf die Websites der Medien veröffentlicht. Dabei unterscheidet man „Visits“ und „Unique-Client Zugriffe“. Ich bin mit meinem PC ein „Unique Client“ und habe zB. 20 Mal im Monat auf den Standard zugegriffen. Dann liegen 20 Visits von einem „Unique Client“ vor. Der ORF nachstehend nicht angeführt hat natürlich wegen seines umfangreichen Medienangebotes 75,3 Mio. Visits. Die Styria Group kommt insgesamt auf 38 Mio. Visits mit allen Produkten zusammen. Die Interentnutzung mit mobilen Endgeräten (= Smartphone, Tablet) liegt schon bei über 50%.

„Visits“ / „Unique Clients“ (Einzelprodukt):

Standard 22,5 Mio. (+12%) / 4,7 Mio. (mit Abstand führend!)

Krone 20,7 Mio. (+ 10%) / 4,5 Mio.

Kleine Z. 10,5 Mio. (+ 08%) / 2,4 Mio.

PRESSE 9,5 Mio. (+ 18%) / 2,9 Mio.

Kurier 8,6 Mio. (+ 16%) / 2,9 Mio.

Die monatlichen Visits mit 22,5 Mio. beim STANDARD sind zu bewundern, nachdem Presse oder KlZ nur die Hälfte schaffen. Die Frage ist nur, ob das nicht Phyrruserfolge sind wegen der geringen Monetarisierung infolge des umfangreichen Online-Gratisangebote, Blogs und Social Networks in der Informationswelt.

Eine Bilanz kriegt man ja in den Medien nie zu Gesicht. Publizitätsscheue ist jedoch selten ein gutes Zeichen, wenn es um Bilanzziffern geht, lässt es aus meinen Erfahrungen als Exbanker nie etwas Gutes erahnen und tatsächlich haben die Verlustgebarungen dramatisch zugenommen:

Internationale Qualitätsmedien schreiben nachhaltige Verluste. Der Verlust der NZZ-Gruppe betrug im Vorjahr 27 Mio. bei 1550 Mitarbeitern, jedoch noch immer hoher EK-Decke (+ 66%). Der britische (stiftungsgestützte) Guardian verbucht jährlich um die 30 Mio. Verlust. Öffentlich geförderte BBC baut 1000 Mitarbeiter ab. Die (stiftungsgeförderte) FAZ strich 100 Stellen, hat hohe Verluste 2015 und einen Umsatzeinbruch von 1 Mrd. auf 0,9 Mrd. (=10%) u. starke Einbrüche bei der Reichweiten in Höhe von 13,5% und verlor seit 2010 sogar 25% ihrer Leser. Bis 2017 werden weitere 200 Stellen!! gestrichen von 900 (über 20%).

Die Bild-Zeitung (Springer-Verlag) verlor im 3.Qu. 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast zehn Prozent ihrer Leser. Insgesamt setzte das Flaggschiff des Springer-Konzerns mehr als 200.000 Exemplare weniger ab. Die verkaufte Auflage liegt nun bei 2,2 Millionen. Seit 2010 hat die Bild-Zeitung damit fast ein Drittel ihrer Leser verloren. Der Spiegel verlor 5,5% bei den verkauften Auflagen und will dauerhaft 150 Stellen (= über 20%) der 727 Vz-Stellen in Hamburg abbauen und 15 Mio. einsparen, obwohl er angeblich! noch 25 Mio. Gewinn schrieb. Gruner&Jahr/Bertelsmannkonzern (Brigitte, GEO, Stern) baut 400 Stellen von 2400 (= -17%) ab mit 75 Mio. Einsparung.(ex taz). Schön ist das alles nicht, aber in Zeiten, in denen Anzeiigenerlöse und Gewinne einbrechen, wohl kaum zu vermeiden.

Die NYT kämpft mit hohen Verlusten und strich über 100 Stellen . Die “New York Times”, wichtigste Tageszeitung der USA, hat im ersten Quartal 2015 fast 15 Millionen Dollar Verlust gemacht. Weil die Print-Anzeigen weiter wegbrachen, schrumpften die Werbeerlöse um 5,8 %. Die Financial Times Deutschland (FTD) musste 2014 wegen Riesenverluste (ca. 40 Mio.) eingestellt werden. Der neue Eigentümer Nikkei der britischen FT will jetzt auch ein Costcutting-Programm fahren, die Gewerkschaft sei schon auf den Plan gerufen. Der britische "Independent" erlitt massive Einbrüche von in Glanzzeiten noch 400.000 auf 40.000 Auflage und die Printausgabe wird daher eingestellt.

Österreichs Medienlandschaft lt. einem STANDARD-Bericht 2015:

28 Mio. Verlust schrieb 2014 bei den Österr. Medien die STYRIA-Gruppe (Kleine Zeitung, Presse und Wirtschaftsblatt) ,slow.- kroat. Beteiligungsabschreibungen und beinahe 4% Konzernumsatz-Einbruch. 2013 erzielte man noch rd. 11 Mio. Gewinn . Presse und Wirtschaftsblatt sollen die gesunde “Kleine Zeitung” als “cash-cow” die letzte Dekade dem Vernehmen nach mit einem zweistelligen (kreativ verbuchten) Millionenbetrag gemolken haben.

Der STANDARD schreibt seit zwei Jahren um die 3 Mio. Verluste. NEWS-Verlag soll 5 Mio. Verlust verbucht haben. Die seit 2015 als reines Onlinemedium gelaunchte "NZZ.at" soll ihr Auflagenziel von 10.000 drastisch! verfehlt haben, man hüllt sich in Schweigen. Der „Fleischhackerismus“ scheint nicht ausreichend gezogen zu haben und irgendwann wird die NZZ.ch das Taschengeld für das Österreichprojekt wohl einstellen müssen. Ein Glück, das der NZZ.ch-CEO Dengler ein Österreicher und Ms.Zielina.

Die KRONE hat ihre Reichweite von vor Jahren noch 44% auf nunmehr 31,6% !! eingebüßt, schreibt jedoch noch ausreichende Gewinne. Ihr Chefredakteur macht mit seiner HEUTE-Anvertrauten gerade eine Auszeitjahr in New York und will dann vermutlich mit neuen Erkenntnissen den Österr. Zeitungsmarkt wieder aufmischen::)).

Die Salzburger Nachrichten (SN) haben einen Verlust von über 3 Mio. geschrieben, Regionalmedien punkten mit ihrem Regionalbonus und werden selektiv überleben.

Als Leser würde mich auch interessieren, wie es mit die Werbeeinnahmen im Online Anzeigengeschäft aussieht. Die Preise sollen ja eher zusammengebrochen sein gegenüber dem klassischen stark rückläufigen Printanzeigegeschäft und im "worst case" sollen sogar bis zu 80% Rabatte vorkommen. Daher sind die Kleinanzeigen oft lukrativer, wo es kaum Rabatte gibt. Für die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage wird diese Entwicklung immer mehr zum Problem. Deren digitale Angebote haben inzwischen zwar hohe Reichweiten im Internet aufgebaut und erreichen damit ähnlich viele Menschen wie über ihre Printangebote. Beim Blick auf die Werbe- und Vertriebserlöse wird allerdings klar, dass sie diese digitalen Reichweiten nicht ausreichend monetarisieren können. Die meisten Verlage geben sich in Bezug auf die Erlöse aus der digitalen Verwertung ihrer Inhalte eher zugeknöpft und weisen ihre digitalen Vertriebs- und Anzeigenerlöse nur kumuliert mit anderen Onlineaktivitäten aus. So lassen sich die Erlöse aus der Verwertung journalistischer Inhalte oft nur schätzen. Beim Burdaverlag mit 645 Mio. Umsatz (2012) machte der Werbeerlösanteil nur 80 Mio. (über 12%) aus. Beim Spiegel waren es nur 15% vom Gesamtumsatz (jedoch 2011), ähnlich bei Bertlsmann. Fast alle journalistischen Angebote im Netz sind tief defizitär. Auch in den USA konnten die Verluste der Zeitungsverlage im klassischen Printgeschäft durch die Onlineaktivitäten nicht einmal annähernd kompensiert werden.

Glossar (Advertising):

o ÖWA: Hat auch noch „Usertime“ und „Verweildauer“ angeführt, indem die Visits durch die Usertime dividiert werden. Beträgt beim Standard 7,7 Minuten pro Visit. Auch wird die absolute Verweildauer in Stunden angegeben, die beträgt beim Standard knapp über 3 Mio. Stunden, der Rest liegt deutlich darunter. Krone über 2 Mio., KleineZ. 0,8 Mio......o AD = Abkürzung für Advertising (Werbewirtschaft)......o Page Ranking = der Google-Algorithmus bestimmt die Reihung meiner Website, wenn sie unter einem allgemeinen Suchbegriff aufgerufen wird. Dabei spielt die Verlinkungs-Struktur einer Website eine wichtige Rolle......o Search Engine Optimizing (SEO) = Tricks, wie man sich in der Suchmaschine weiter nach vor plazieren kann.

o Google Adwords = gegen Bezahlung reiht mich Google besser!....... o Tausenderkontaktpreis (TKP) = auch „thousand ad impressions“ (TAI) oder Cost per Mille (CPM) , eine Kennzahl der Werbewirtschaft an, wieviel Geld aufgewendet werden musste, um bei einer Werbeaktion 1000 Personen zu erreichen (Online/Print/Bannerwerbung). Dazu gibt’s noch weitere Differenzierungen....

Preise im Anzeigengeschäft:

Eine Viertelseite in der Süddeutschen Zeitung (SD) kostet rd. 18.000 € : 400.000 Leser x 1000 = 45€ zahlt der Kunde pro 1000 Sichtkontakte. Die Reichweitenquantität sagt aber noch nicht viel über die Kontaktqualität aus.....In österr. Qualitätsblättern dürfte ohne Rabattierungen eine ganze Seite Werbung um die 20.000 bis 25.000 € kosten und eine Viertelseite um die 8.000 €, ich habe da jedoch keinen Einblick. o Page Rate (PR) = Anzahl der Klicks (Klickrate).....o Cost per Click (CPC) = Abrechnungsmodell per Klickrate.....o Cost per order (CPO) = wenn nur danach abgerechnet wird, wieviele Kunden-Orders eingegangen sind.....o Click-Tracking = Nachverfolgbarkeit, wer auf meine Website zugriff .....o Landing Page = Wo lande ich beim ersten Klick. User haben wenig Geduld. Ist die erste Seite einer Website umständlich, unübersichtlich gestaltet, ist der User gleich wieder weg.....o Konversionsrate = wie schnell vom ersten Klick weg der Kunde auf einer Website kauft, daher Optimierung der Websitegestaltung wichtig.

Meine Persönliche Medienkritik (Lügenpresse NEIN, Mainstreampresse JA!!):

Journalisten als Lügner zu bezeichnen (Lügenpresse) geht eindeutig zu weit und ist abzulehnen und entspricht nicht der Wahrheit, denn Lügner ist eine Charaktereigenschaft und man ist nicht deswegen schon ein Lügner, wenn man einmal falsch berichtet oder Fehler macht..... Was ich jedoch den älteren Dinosauriern (Printjournalisten) massiv vorwerfe, ist ihre Selbstgefälligkeit und Unfähigkeit, dazuzulernen. Ich stehe selbst mit einer Chefredaktion laufend in Email-Verbindung und meine Mails arten manchesmal in zarte Beschimpfungen aus, weil auf Argumente und Meinung ihrer Leser nicht ernsthaft eingegangen wird. Ihre Arroganz und dass sie in jedem Leser gleich einen Troll vermuten und einen dialektischen Diskurs verweigern, ist einfach unglaublich...... Die Printdinosaurier mit ihrem Frontaljournalismus in den Chefredaktionen blicken vermutlich auf ihre jungen Onlinejournalisten herab. Ich glaube nicht, dass die Meinung der Jungen ausreichend Gehör findet. Sie blicken auch auf die Posting-Community mit Verachtung herab und haben bis heute nicht verstanden, was interaktiver und reaktiver Journalismus bedeutet....... Da es jedoch den verlustreichen Medien dreckig geht, wird ihre Stunde der Wahrheit noch schlagen. Printjournalisten sind meist noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Die Printdinosaurier, die noch in der Welt von gestern leben, retten sich dann irgendwie in den Vorruhestand und die Jungen können ihre Fehler und die Folgen der Rigidität der Alten auslöffeln........Keiner der Journalisten wagt es, vom Mainstream abzuweichen, den Kopf hinauszuhalten aus Angst vor Jobverlust. Das macht den Journalismus langweilig........Wenn es um die Welt ihrer Anzeigenkunden geht (zB. Consultingbranche oder Gemeinde Wien, wer legt sich schon mit einem Häupl an, etc..), setzen sie ihre Scheuklappen auf, denn so intelligent sind sie ja, die Hand, die sie füttert, nicht zu beißen. Jedoch der Leser durchschaut dieses Spiel und ist so wie ich von den österr. Qualitätsmedien langsam angewidert. Die Stunde der Wahrheit wird für die Medienbranche noch bitter werden und ist es bereits jetzt schon, weil der redaktionelle 12-Apostelclub nicht lernfähig ist.

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 10.02.2016 20:44:50

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