Erstmals seit vier Jahren hat Kanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Berlin empfangen, um Bewegung in die Syrienkrise und den Ukrainekonflikt zu bringen.
Merkel testet damit ihr spezielles Verhältnis zu Putin aus. Ob Bewegung in den Ukrainekonflikt und die Syrienkrise kommt, bleibt allerdings abzuwarten. Es geht um die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens.
Egal, was man von Putin halten mag, Russland ist eine Atommacht und wir müssen Putin realpolitisch auf gleicher Augenhöhe begegnen – schon im Interesse der europäischen Sicherheit. So will es auch die Mehrheit des deutschen Volkes, dem wohl weniger das Schicksal Syriens am Herzen liegt.
Seit die Kanzlerin vor über 10 Jahren ihren Antrittsbesuch im Kreml absolvierte, hat sie sich mit keinem anderen Staats- und Regierungschef so oft getroffen. Noch zahlreicher sind die Telefonate der beiden, in der Krimkrise redeten sie zeitweise fast wöchentlich miteinander. Zu Anfang ihrer Beziehung testete Wladimir Putin die außenpolitisch unerfahrene Deutsche. Putin spricht sehr gut Deutsch, Merkel gut Russisch. Einmal schüchterte Putin Merkel ein, indem er sie vor laufender Kamera mit einem Hund konfrontierte, die Kanzlerin leidet seit ihrer Kindheit an einer leichten Hunde-Phobie. Merkel und Putin sprechen in kühler Sachlichkeit.
Der russische Präsident nimmt die deutsche Kanzlerin ernster als alle Europäer – und wohl auch ernster als den amerikanischen Präsidenten Barack Obama, den er wieder und wieder im Nahen Osten demütigt. Zwischen dem Chef im Kreml und der deutschen Bundeskanzlerin handelt es sich also längst um ein spezielles Verhältnis. Während Putin in Berlin ist, sollen in Syrien 3 Tage die Waffen schweigen, so das russische Verteidigungsministerium – eine Merkelbedingung.
Merkel will jedoch Putins Hand nicht schütteln, während seine Truppen bunkerbrechende Bomben auf Wohnviertel und Fassbomben auf Zivilisten werfen. Merkel steht innenpolitisch selbst unter Druck, sie entschied auch aus innenpolitischen Gründen den Kriegsherrn zu empfangen, sie braucht Erfolge. Ob ihr Putin einen Erfolg mit der Einhaltung des Minsker Abkommens gönnt, ist fraglich.
Eigentlich wollte Putin ja ursprünglich nach Paris: In der französischen Hauptstadt war ein großer Auftritt für ihn geplant, der in der Eröffnung einer russisch-orthodoxen Kathedrale am Quai Branly gipfeln sollte mit sich anschließenden Bildern in den pompösen Kulissen des Élysée-Palastes. Doch dieser große Bahnhof schien dem französischen Präsidenten François Hollande nicht mehr opportun, nachdem Russland eine von Frankreich in den UN-Sicherheitsrat eingebrachte Resolution für die Einstellung der Bombardierung Aleppos mit einem Veto gestoppt hatte. Daraufhin provozierte Hollande Putin, indem er öffentlich sagte: "Die Bombardierung der Stadt sei ein Kriegsverbrechen, dessen Verantwortliche vor den Internationalen Gerichtshof nach Den Haag gehören". Daraufhin sagte Putin seinen Paris-Besuch ab.
Die Deutschen wollen jedoch keine Konfrontation mit Russland. Stattdessen nun also Berlin. Der französische Präsident wird jedoch ebenfalls an die Spree kommen, genauso wie sein ukrainischer Kollege Petro Poroschenko.
Frankreichs sozialistischer Präsident sieht sich zu Hause mit einer öffentlichen Meinung konfrontiert, die sich traditionell stark über Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen empört und von ihrer Regierung erwartet, diese auch im Ausland zu stoppen – wenn dies irgendwie möglich ist.
Merkels Bevölkerung tickt hingegen ganz anders: In Deutschland ist die Sehnsucht nach einem diffusen „Frieden“ stärker als der Gerechtigkeitssinn oder das Mitleiden mit den Opfern von Aleppo. Eine Konfrontation mit Russland gilt weiten Teilen der Bevölkerung als Übel per se.
Die deutsche Wirtschaft schließlich möchte nicht länger unter den Gegensanktionen der Russen leiden.
Es geht nun also wieder um die Umsetzung des Minsker Abkommens. Die stockt schon lange. Für die Regierung in Kiew hat es Priorität, eine stabile Waffenruhe zu erreichen und die Kontrolle über die russisch-ukrainische Grenze zu bekommen. „Bis der Sicherheitsteil nicht umgesetzt wird, wird sich die Ukraine im politischen Prozess nicht weiterbewegen“, sagte der ukrainische Präsident Poroschenko. Sein Plan: vollkommene Waffenruhe, Abzug von ausländischen Soldaten aus seinem Land, Zugang der OSZE-Beobachter zu der russisch-ukrainischen Grenze und später ukrainische Kontrolle über die Grenze und Abzug von schweren Waffen. Ein Durchbruch scheint jedoch kaum möglich. Das im Februar 2015 in Minsk geschlossene Friedensabkommen ist bis heute nicht umgesetzt. Die Gewalt zwischen prorussischen Rebellen und der Regierungsarmee in der Ukraine hält an.
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