Arbeiten ohne Boss? Menschen müssen Sinn in ihrer Arbeit finden und partizipieren können, nur dann sind sie kreativ und erfolgreich. Die klassische Form der traditionellen Unternehmensstruktur, die von Frederick Taylor zu Beginn des Industriezeitalters entwickelt wurde, teilte die Belegschaft einer Firma in Manager und Arbeiter ein. Die Manager waren die Denkenden, die Arbeiter die Handelnden in einer hierarchischen Organisationsform.
Diese Pyramiden-Organisation des "Command and Control" mag im Industriezeitalter erfolgreich und effizient gewesen sein. Doch die Zeiten haben sich geändert.
Klassisches, hierarchisches Pyramidensystem:
Zahlreiche jüngere Studien zum Thema Arbeitnehmer-Motivation belegen einen hohen Grad an Unzufriedenheit in hierarchisch geführten Organisationen. Nur etwa 15-20% der Mitarbeiter/innen arbeiten hochmotiviert, 60-65% machen nur Dienst nach Vorschrift, und weitere 15-20% haben bereits innerlich gekündigt.
Zahlen wie diese müssten eigentlich aufrütteln. Denn Organisationen, die auf die Kreativität und Einsatzbereitschaft und Motivation eines Großteils ihrer Mitarbeiter verzichten, gefährden langfristig ihre Existenz.
Mit dem Aufkommen des Informationszeitalters sind neue Organisationsformen entstanden, die besser imstande waren mit der Dynamik des Wandels Schritt zu halten. Sie hatten ein neues Verständnis von organisationaler Führung zur Voraussetzung. Theorien dazu haben unter anderem Kurt Lewin, Niklas Luhmann, Peter Drucker, Peter Senge und Claus Otto Scharmer geliefert. Sie reagierten damit auf die neue Situation heute: Auf die Komplexität unserer Gesellschaft und Wirtschaft.
Eines zeigt sich immer deutlicher: Heute ist der Erfolg von Organisationen und Unternehmen in hohem Ausmaß abhängig von kreativ denkenden und handelnden Mitarbeitern. Diese identifizieren sich nicht nur mit den Produkten, den Abläufen und Zielen ihres Unternehmens, sondern übernehmen auch eigenständig Verantwortung für die Erreichung der Organisationsziele.
In den vergangenen Jahren wurden - vor allem aus den USA kommend - neue erfolgreiche Modelle des Arbeitens und der Unternehmensführung auch in Europa ausprobiert. Sie haben sehr flache Hierarchien oder verzichten beim in autonomen Mitarbeiterkreisen organisierten Formen ("Holacracy"/ex USA Robertson) sogar darauf (holon = das Ganze, Cracy = Herrschaft). Es sind "Matrix"-Organisationen, die sich in eigenständigen Einheiten organisieren, mit dem Ziel den Unternehmenszweck selbst verantwortlich zu erfüllen. Es werden Rollen mit zugewiesenen Verantwortungen verteilt und jeder Organisationskreis im Unternehmen entscheidet autonom. Jeder Projektkreis hat einen Repräsentanten ("Rep"), der mit den Reps der anderen Kreise kommuniziert (= "governant-meetings") bzw. mit dem Kreis der Unternehmensführung. So werden Entscheidungen gemeinsam getroffen, somit kein hierarchisches "top-down"-Prinzip. Jeder Kreis hat seine Verantwortung und es gibt keine Hierarchien zwischen den Kreisen und auch nicht zwischen den Mitarbeitern innerhalb eines Kreises.
Jeder Mitarbeiter hat eigenverantwortlich seine Rolle im Unternehmen zu erfüllen und die Regeln werden schriftlich in einem Committment (= Verpflichtung) festgelegt.
Statt auf autoritäre Führung wird auf einen kooperativen Führungsstil gesetzt, statt auf Einzelentscheidung in der Chefetage werden intelligente Gruppenprozesse ermöglicht, an deren Ende gemeinsame Entscheidungen stehen.
"Co-Kreativität", "Flexibilität" und "Work-Life-Balance" stehen dabei an oberster Stelle. Der Erfolg dieser neuen Organisationsformen weckt zunehmend das Interesse von großen traditionellen Unternehmen, die gemerkt haben, dass sie sich verändern müssen, wenn sie im 21. Jahrhundert überleben wollen.
Weltweit leben bereits über 500 größere Unternehmen diese neue Organisationsform. Am weitesten verbreitet sind sie bei Start-Ups.
Die Verantwortung und Autorität soll dorthin verteilt werden, wo sie vorhanden ist. Vertriebsentscheidungen und Produktsortiment bei Vertriebsmitarbeitern, weil dort die Erfahrung liegt und nicht im "Elfenbeinturm" hierarchischer Systeme. Die Führung muss also bereit sein, Macht zu teilen in sich selbst organisierenden Systemen.
Man spricht auch von "Soziokratie", es geht daher um neue
Arbeitswelten und neue Mitverantwortungen. Welche Potenziale können dadurch freigesetzt und welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit sich hierarchisch gegliederte Unternehmen in kooperative Netzwerke zur Verfolgung gemeinsamer Ziele verwandeln. In solchen Transformationsprozessen hört man oft auch das bei Mitarbeitern zunächst oft verhasste Wort "Changemanagement", weil sich wieder was ändert.