Der "Schwarze Juni 2016" lautet der Titel des neuen Buches von Hans-Werner Sinn, deutscher Wirtschaftsexperte und Präsident des ifo-Institutes. Noch können wir uns oft nicht vorstellen, dass Europa ein schlimmes Ende nehmen wird, dass es bald schon Unruhen und vielleicht sogar Kriege geben könnte, doch wir sollten die Zeichen der Zeit lieber heute als morgen erkennen und handeln.
Uni-Professor Sinn ist der festen Überzeugung, dass Europa infolge von Brexit, EURO-Desaster und Flüchtlingskrise in einer großen Krise stecke. Gefühle von Unbehagen, Aggression und Angst steigen in der Bevölkerung auf. Nur handelt es sich bei Gefühlen wie diesen um keine guten Ratgeber. Frieden, Wohlstand und Freiheit sind mühsam erkämpfte Güter, die nicht durch eine Neuorientierung zu extremen Parteien in Gefahr gebracht werden dürfen.
Der Juni 2016 brachte noch eine zweite unerfreuliche Botschaft. Das Deutsche Bundesverfassungsgericht gab mit einem sogenannten OMT-Urteil der längst ausufernden EZB-Rettungspolitik einen Freifahrtschein für eine Politik der Vergemeinschaftung der Haftungen und Staatsschulden.
Allen Beschwichtigungen der Politiker zum Trotz verlieren Deutschland und die europäischen Staaten des Nordens durch den Euro seit Jahren Milliardenvermögen zugunsten der überschuldeten Volkswirtschaften Südeuropas. Deutschland dürfe sich nicht in eine Haftungs- und Transferunion hineinziehen lassen, betont Sinn.
2015 wurde der europäische Kontinent mit einem kaum mehr beherrschbaren Flüchtlingsstrom konfrontiert und schließlich kam auch noch der schwarze Juni 2016 mit zwei fatalen Ereignissen:
o BREXIT - am 23. Juni gab Großbritannien sein Misstrauensvotum gegen die EU ab und entschied sich für den Austritt aus der EU (BREXIT)
o OMT-Urteil des Dtsch. BVGH (EZB-Freibrief).
Sinn ist aber nicht nur Pessimist, er macht nachstehende Vorschläge, was zu tun ist.
Die 15 SINN-Vorschläge:
Die von Sinn vorgeschlagenen Vertragsänderungen betreffen vor allem die Ziele „Gesundung des Euro“, „Steuerung der Migration von innen und von außen“ und „Stärkung des Subsidiaritätsprinzips“, Gliederungsmuster für seine insgesamt 15 Reformvorschläge:
1. Atmende Währungsunion:
Zur Gesundung des Euro. Die Eurozone wird zu einer atmenden Währungsunion umgewandelt, welche geregelte Ein- und Austritte für diejenigen Länder erlaubt, welche ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren bzw. wiedererlangt haben.
2. Konkursordnung für Staaten:
In Erfüllung der bereits vorhandenen EU-Verträge sind Regeln für den geordneten Konkurs eines Staates zu schaffen, um diesen in die Lage zu setzen, anschließend wieder wettbewerbsfähig und kreditwürdig zu werden.
3. Geldpolitik der EZB mit minimalem Risiko: Die EZB darf im Rahmen ihres Mandats nur noch erstrangige Wertpapiere mit einem AAA-Rating am offenen Markt kaufen. Refinanzierungskredite müssen ebenfalls mit solchen Wertpapieren besichert werden, die AAA-Rating haben.
4. Tilgung der Target-Verbindlichkeiten durch Gold:
Nationale Notenbanken dürfen nur noch im Verhältnis zur Landesgröße Geld durch die Kreditvergabe an die nationale Volkswirtschaft schöpfen und nicht überproportional viele Banknoten drucken. Weichen sie von dieser Regel ab, müssen sie diese Verbindlichkeiten jährlich durch die Hergabe von Gold oder erstklassig besicherten Staatsanleihen tilgen.
5. EZB-Stimmrechte nach der Haftung und Größe der Mitgliedsländer:
Die Stimmrechte im EZB-Rat werden nach der Größe der Haftung der Länder vergeben, die selbst wiederum gemäß der Landesgröße verteilt ist. Entscheidungen des EZB-Rates, die fiskalischen also potenziell umverteilenden Charakter haben, sind mit einer Mehrheit von 85% der Stimmen zu treffen.
6. Heimatland- statt Gastlandprinzip für bedürftige EU-Bürger:
EU-Bürger und Bürger aus Ländern, die mit der EU assoziiert sind, erwerben das Anrecht auf soziale Leistungen eines Landes (nur) durch Geburt oder durch die Zahlung von Steuern und Sozialbeiträgen.
7. Inklusion der Asylanten, aber Asylanträge außerhalb der EU-Grenzen:
Anerkannte Asylbewerber werden wie einheimische Staatsbürger in das Sozialsystem der Gastländer integriert, solange der Asylgrund besteht. Die Asylanträge sind allerdings außerhalb der EU-Grenzen oder in exterritorialen Zonen zu stellen und nach einem für alle EU-Länder einheitlichen Verfahren zu entscheiden. Nur anerkannten Asylwerbern wird die Weiterreise aus diesen Zonen gestattet.
8. Grenzsicherung als EU-Aufgabe:
Die EU-Länder sichern ihre Grenzen gemeinschaftlich, so dass sie eine praktisch lückenlose Kontrolle über die Immigration haben. Auch die Schengenländer sichern ihre Außengrenzen, wenn die Schengenaußenländer ihre Aufgaben unzureichend erfüllen.
9. Hilfen für schwächer entwickelte EU-Nachbarstaaten:
Die EU integriert sämtliche schwächer entwickelte Anrainerstaaten in ein Abkommen über Freihandel und freien Kapitalverkehr mit dem Ziel, diesen Ländern eine gute Chance für einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung zu geben und den Migrationsdruck zu senken. Außerdem organisiert sie ein spezielles Entwicklungshilfeprogramm zur Infrastrukturverbesserung für diese Länder.
10. Aussetzung des Mindestlohns, aber „Aktivierende Sozialpolitik“:
Der Mindestlohn wird für Berufsanfänger für fünf Jahre ausgesetzt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Einwanderer oder Einheimische handelt. An die Stelle des Mindestlohns tritt eine „Aktivierende Sozialpolitik“ mit Lohnzuschüssen.
11. Punktesystem für hoch qualifizierte Migranten:
Die EU-Länder erlauben die Einreise von hoch Qualifizierten nach einem Punktesystem, das sich am kanadischen Muster orientiert, doch auch jeweils auf den nationalen Bedarf an Arbeitskräften ausgerichtet ist. Abgelehnte Asylbewerber erhalten auf der Basis eines solchen Punktesystems eine zweite Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht im Gastland.
12. Freihandel und freier Kapitalverkehr ohne Arbeitnehmer-Freizügigkeit – Regeln für assoziierte EU-Mitglieder:
Die EU sollte mit jenen Nachbarländern, die wirtschaftlich stark sind, aber nicht zur EU gehören wollen, den Status eines assoziierten Mitglieds anbieten, der durch einen völligen Freihandel mit Gütern und Dienstleistungen sowie einen freien Kapitalverkehr gekennzeichnet ist, jedoch nicht auch einen freien Personenverkehr.
13. Europaweite Netze:
Die europaweiten Netze im Bereich des Internet, der Telefonie, der Straßen und Schienen sowie des Strom- und Gasverbunds werden weiter ausgebaut.
14. Europäischer Subsidiaritätsgerichtshof:
Dieser Vorschlag geht im Wesentlichen auf den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zurück. Der Subsidiaritätsgerichtshof hat die Aufgabe, EU-Projekte, EU-Verordnungen und EU-Richtlinien daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Subsidiaritätsprinzip des EU-Vertrages entsprechen.
15. Gemeinsame Armee und Sicherheitspolitik: Die EU-Länder legen ihre Armeen zusammen, stellen sie unter ein einheitliches EU-Kommando und vereinheitlichen die mit der Verteidigung verbundene Beschaffungspolitik. Sie koordinieren ihre Polizei- und Sicherheitsdienste und normieren und verbessern die Kommunikation zwischen ihnen. In Sicherheitsfragen ist eine gemeinsaem Außenpolitik zu betreiben.
Autor Eweht https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flüchtlinge_in_Salzburg_-_2015_09_23-1.jpg