Auf Grund der unerfreulichen Entwicklung in der Türkei, wo Erdogan gerade dabei ist, seine Diktatur mit einer Verhaftungswelle zu festigen, müssen auch Europa, und insbesondere Deutschland und Österreich, reagieren und alle missionarisch-invasiven Vorgänge aus islamistischen Staaten auf ihrem Staatsgebiet unterbinden. Europa hat den sendungsbewussten, aggressiven Charakter islamistischer Politik viel zu lange unterschätzt.
Erdogan setzt ganz bewusst auf eine Reislamisierung des bisher noch als säkular geltenden Militärs, eine weitere Theologisierung in der Türkei ist zu erwarten. Aus der Religion zieht Erdogan die Legitimation, die er für sein autoritäres Regieren braucht.
Das von Atatürk verfolgte Konzept, die Religion samt ihren theologischen Grundlagen unverändert in die säkularisierten Strukturen des Staates zu integrieren, brachte es mit sich, dass theologische Strömungen, die sich dem damit verbundenen Anpassungszwang nicht beugen wollten, an den Rand der Gesellschaft abdrifteten und von dort aus ihren Kampf gegen den in ihren Augen säkularen Staat aufnahmen. Das säkulare Militär gilt es zu bekämpfen im Bewusstsein, dass die Macht des Staates sich vor allem an der Stärke seines Militärs bemisst.
Durch die Islamisierung des Militärs sollte der islamkonformen Zurichtung auch der übrigen staatlichen Strukturen und Institutionen nichts mehr im Wege stehen. Obwohl Erdogan als Drahtzieher des Putsches Gülen verdächtigt – sie entstammen aus unterschiedlichen religiösen Traditionen – besteht trotzdem bezüglich der Zielsetzung einer Islamisierung des Militärs zwischen beiden Einigkeit:
Wer das Militär kontrolliert, kontrolliert das ganze Land.
Demokratie gilt beiden nie als Endpunkt, sondern als Zwischenstation bis zur Erlangung der Herrschaft. "Demokratie – das sind nur unsere Sohlen auf diesem steinigen, heißen Weg", lautete die Devise von Erdogans geistigem Ziehvater Erbakan. Erdogan selbst war niemals und ist bis heute nicht von der Demokratie überzeugt.
Erdogans Koranrezitationen, Gebetsrufe in den Moscheen und andere Bekundungen von Religiosität sind wichtiger Teil seines Herrschaftsprogramms. Auch in seinen Reden spiegeln sich religiöse Terminologien, wie Sterben für Gott und Heimat, Märtyrer, Kampf für die Belange der Muslime (auch der Palästinenser) eine zentrale Rolle. Die Bezeugung religiöser Gesinnung verlangt er auch seinen engsten Mitstreitern ab mit dem ritualisier-islamischen Treueid .
Gülens Wurzeln wiederum sind weniger in einer politischen Bewegung als vielmehr in der Tradition des Sufismus zu suchen. Zu seinem Hauptziel zählt jedoch genauso die Islamisierung der staatlichen Strukturen, vor allem des Militärs. Es gilt "unbedingter Gehorsam", der ihm von seinen Anhängern entgegengebracht wird, weil er mit wundersamen Kräften ausgestattet sei und vor seinen Entscheidungen regelmäßig Zwiesprache mit dem Propheten hält und selbst über prophetische Fähigkeiten verfüge. Sogar der Bürgermeister von Ankara, eigentlich ein Gülen-Gegner, sprach kürzlich voll Ehrfurcht davon, dass Gülen seine Herrschaft mithilfe von Dämonen sichere.
Der Putschversuch wirft jedoch die Frage auf, warum es zwischen Erdogan und Gülen trotz gleicher theologischer Wurzeln derartige Gegensätze gibt. Erdogan selbst hatte das Wirken Gülens einstens noch in höchsten Tönen gelobt und ihn sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene nach Kräften gefördert.
Erdogan versucht jetzt seine alten Kader aus Milli Görüs und diversen Sufi-Organisationen zu reaktivieren, eine Entwicklung, die auch in Österreich (!!!) zu beobachten ist: Hier werden unglaubliche Fördersummen ausgeschüttet, um neben Milli Görüs auch Sufi-Organisationen für die Arbeit der AKP zu gewinnen – so nimmt die Institutionalisierung bzw. Politisierung der Sufi-Schulen in Österreich rasant zu. Von der Religionsbehörde Diyanet werden Imame vom türkischen Staat entsandt und besoldet.
Es ist zu erwarten, dass nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei eine neue Phase der Islamisierung des Militärs mit weitreichenden Folgen einsetzen wird. Um seine Vorhaben umsetzen zu können, bedarf Erdogan neben der politischen eben auch der religiösen Legitimation, mit der sich der Bevölkerung in den bevorstehenden wirtschaftlichen und politischen Krisen leichter Geduld und Entbehrung abverlangen lässt.
Neben der Theologisierung der Herrschaft gilt es natürlich auch antiwestliche Ressentiments zu schüren, um die Menschen für die Verteidigung des Islams gegenüber seinen Feinden zu mobilisieren.
Die österreichische und deutsche Regierungen täten gut daran, dem Treiben der türkischen Imame auf österreichischem und deutschem Staatsgebiet ein Ende zu bereiten – im Interesse der Erhaltung unserer Demokratie.
Warum die Menschen zu blöd sind, um den religiösen Legitimationsversuchen mit einer kritischen, aufgeklärten Haltung zu begegnen, damit Erdogans Politik nicht ein derart leichtes Spiel hat, kann nur mit offensichtlicher Dummheit, gegen die kein Kraut gewachsen ist, erklärt werden. Dem Islam fehlt das Gedankengut der Aufklärung und er stellt damit eine permanente Gefahr für unsere Demokratie dar.
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