"Ring of Fire" um Europas Demokratien, die Lunte brennt!

Besorgte Stimmen mahnen immer häufiger vor einem grundsätzlichen Wandel des Demokratieverständnisses in Europa. Auch die Bertelsmann-Stiftung hat sich mit dieser Thematik schon beschäftigt und von einem "Ring of Fire" rund um Europas Demokratien gesprochen. Die Demokratien in Europa befinden sich in einem zum Teil Besorgnis erregendem Wandel.

Zum einen hat die Einkommensungleichheit seit der Finanzkrise 2008 in allen westlichen Demokratien deutlich zugenommen. Der Lebensstandard stagniert für die meisten Arbeiter und auch für die Mittelschicht, während sich die Besserverdiener schnell erholt haben. Die Verbitterung gegenüber den Eliten hat zugenommen. Weitere Gründe für die Demokratieverdrossenheit sind die Flüchtlingskrise und Identitätskrise infolge Globalisierung.

Autoritäre Systeme in Russland, Türkei, Polen, Ungarn, Serbien, Mazedonien und dazu rechtspopulistische Politiker wie Le Pen, Strache, Hofer, Wilders, etc.. und in den USA jetzt Trump haben Rückenwind. Ihnen sind diverse demokratische Prinzipien (Medien-u.Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz, etc.) ein Dorn im Auge. Die Politiker sind zwar vom Volk gewählt, respektieren danach aber nicht mehr die politischen Grundrechte, sondern diese werden effektiv eingeschränkt. Trotzdem schmücken sich alle noch formal mit dem Mäntelchen "Demokratie", in Ungarn spricht man von "illiberaler Demokratie", wo die Ausgewogenheit der Gewaltentrennung (Checks & balances) einseitig zugunsten der Exekutive sich verschoben hat. Gerichtshöfe und Medien werden entmachtet oder gefügig gemacht. Überdies werden Minderheiten (Juden, Zigeuner, etc..) gesellschaftlich weitgehend ausgeschlossen (Exklusions- statt Inklusionspolitik). Auch die multikulturelle, offene Gesellschaft wird von den populistischen Kräften bekämpft.

Populistische Bewegungen, die insbesondere auch die Kritik an den Strukturen "repräsentativer Demokratien" zu ihren Wahl- und Erfolgsstrategien machten, werden mächtiger und diskursbestimmender.

"Postdemokratie" - die Krise der "repräsentativen Demokratie".

Wir benötigen eine dringende Reform nach dem schweizer Muster.

Eine neue Machtsaufteilung, ein "Rebalancing" bisheriger Machtstrukturen ist dringend erforderlich. Zu sehr kam es zu einer zu starken Machtverschiebung zu den politischen und ökonomischen Eliten. Die gesellschaftliche Spaltung zwischen "die da oben" und "denen da unten" ist immer größer geworden.

Auch die "soziale Frage" wird dabei tangiert, wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird auf Kosten der Verteilungsgerechtigkeit.

Wachsende Ungleichheit destabilisiert die Demokratie:

Die Globalisierung hat dazu geführt, dass zwar einerseits die globale Armut gesunken ist, jedoch andererseits hat das neoliberale, kapitalistische System wesentlich mehr Verlierer als Gewinner hervorgebracht. Darin liegt das große Problem. Das Primat der Wirtschaft und Konzerne hat zunehmend demokratische Prinzipien missachtet, vielfach wurde gegen den Mehrheitswillen des Volkes agiert (Beispiele: Hypo Alpe Adria Verstaatlichung, Merkels Eintreten für TTIP und ihre nicht mehrheitsfähige, radikal durchgezogene Willkommenskulturpolitik mit Folgewirkung auf GB, der BREXIT-Schock.)

Die Eliten sind Bestandteil der Modernisierungs-und Globalisierungsgewinner. Dem gegenüber stehen viel mehr Verlierer, das birgt politischen Sprengstoff. Auch in den Reformländern des ehemaligen Ostblocks hat sich ein Oligarchennetzwerk im Zuge der Privatisierungen bereichert.

Überdies hat sich herausgestellt, dass eine globale Demokratie auch nicht funktioniert, sondern Demokratie braucht abgegrenzte Territorien. Der Philosoph Habermas war ein Verfechter der "transnationalen Demokratie" und ist damit einer Fehleinschätzung aufgesessen - funktioniert nicht.

Auf der anderen Seite führen zu starke, nationale Abgrenzungen wiederum zu nationalen Spannungen. Identität (in Afrika ist es das Stammesdenken des Tribalismus mit permanenten Bürgerkriegen)

führt zu Abgrenzungen und lebt von Abgrenzung und Ausschließung anderer. Identität braucht Sündenböcke, wir die Guten und die anderen die Bösen. Emotion vor Vernunft, hetzen und hassen, die trüben Quellen des Unbewussten und der Triebe sprudeln wiederum hervor. Die Zeit der postfaktischen Politik mit Trump als bestes Beispiel und der Rückfall in den kriegstreibenden Nationalismus. Verkürztes Schwarz/Weiß-Denken und der Führer weiß immer, was das Volk will (österreichische Führersehnsucht). Ethnozentrismus und Tribalismus sind Väter aller Kriege. Rechtspopulistische Politik ist ethnozentristisch, führt zu einem Rückkehr des Nationalismus und das Friedenprojekt EUROPA wird massiv gefährdet. Sie widerspricht einer "offenen Gesellschaft".

Rechtspopulistische Politik führt zu Rückkehr des Nationalismus in Europa und wird damit wiederum Nähboden für Nationalitäten-Konflikte und Kriege. Das dürfen wir nicht zulassen!!!. Auf der anderen Seite müssen wir jedoch die europäische Kultur schützen, weil jedes Volk auch ein Bedürnis nach Schutz seiner Identität hat, herausgefordert durch die Globalisierung. Auch die transnationale Medienüberflutung und des Internets hat zu einer Irritation nationaler Gefühle, die auch jeder Mensch hat, geführt.

Halten wir fest: Die Flüchtlingskrise der letzten Jahre treibt uns wieder zurück in die Nationalstaatlichkeit mit der Gefahr, dabei in die Falle des Nationalismus zu tappen.

Genau dieses Gefahrenpotential einer Renationalisierung, auch einer Gefährung demokratischer Prinzipien und das Ende einer offenen, multikulturellen, pluralistischen Gesellschaft führt wiederum zu einem kulturellen Verfall unserer Gesellschaft. Das jeweils andere, das nicht dazupasst, wird zur eigenen Identitätsabgrenzun wiederum als Sündenbock verfolgt. Genug Anschauungsmaterial liefert uns die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts mit etwa 150 bis 170 Mio. Kriegstoten und Ermordeten durch ethnische Säuberungswellen.

Das ist der Grund, warum ich keine Vertreter rechts- oder linkspopulistischer Parteien wählen kann, egal, wie sie immer heißen mögen. Sie werden nur scheinbare Retter sein und in Wirklichkeit werden wir nur vom Regen in die Traufe kommen. Einen großen Vorgeschmack bot der Hyposkandal Kärnten mit 16 Mrd. Schaden für den Steuerzahler am Ende des Tages.

In einem Demokratie-Talk mit Dr. Dzihic wurden all diese Themen angesprochen, Senior Researcher am Österreichischen Institut für Internationale Politik und Politologe an der Universität Wien forscht und lehrt zu Demokratieentwicklungen in Europa, zu Re-Nationalisierung und Autoritarismus.

Der Diskurs über die Demokratie ist so alt wie die Demokratie selbst. Reformwilligkeit, Rechtsstaatlichkeit, freie Wahlen, Gewaltentrennung, Minderheitenschutz, Meinungs-u.Medienfreiheit, und die Wahrung der Menschenrechte zählen zu den Fundamenten funktionierender demokratischer Systeme . Wir müssen unsere Demokratie dringend erneuern, das derzeitige Modell der repräsentativen Demokratie hat offensichtlich Schiffbruch erlitten, weil das Volk zuwenig eingebunden wurde und sich auch zuwenig oder gar nicht ernst genommen fühlt.

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