Ich beobachte ganz gerne, was sich im Zuge der zunehmenden Komplexität und digitalen Transformation in diversen Branchen alles ändert. Banken und Medien spüren schon sehr stark die Auswirkungen des Onlinezeitalters verbunden mit massiven Personalreduktionen.
Diesmal interessiert mich der Berufsstand der Steuerberater/Wirtschaftsprüfer. Man hört von ihnen bisweilen, dass sie sich in einem jammervollen Zustand, wofür es zahlreiche Hinweise gibt, befinden sollen.
Das Steuersystem ist zu kompliziert:
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Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder kritisiert die Gesetzesflut in Steuersachen und verlangt eine radikale Vereinfachung der Steuergesetzgebung. Die jüngste Steuerreform 2016 hat das System nicht vereinfacht, sondern weiter verkompliziert. Die Lohnsteuersenkung sei zwar positiv gewesen, die Steuergesetzgebung für Unternehmen wurde jedoch weiter verkompliziert.
Die kontraproduktive, wertschöpfungsvernichtende Komplexität des Steuersystems binde unnötig Ressourcen in den Unternehmen, was besonders den KMU's und Kleinstbetrieben zu schaffen mache. Die Lohnverrechnung sei zu einer Geheimwissenschaft geworden. Der größte Reformbedarf bestehe bei der völlig unübersichtlich gewordenen Lohnverrechnung, bei der es unterdessen rund 500 Einstufungsmöglichkeiten gebe. Das führe dazu, dass selbst Kleinstunternehmen mit ein, zwei Beschäftigten nicht mehr ohne Steuerberater auskommen. Die Wirtschaftsprüfer wünschen sich beispielsweise die Zusammenfassung aller Lohnabgaben zu einer einzigen Dienstgeberabgabe. Lohnsteuer und Sozialversicherung sollten an eine einzige behördliche Stelle zu leisten sein, die Zahl der Beitragsgruppen in der Sozialversicherung solle radikal auf drei (Arbeiterkammermitglied, Nicht-Arbeiterkammermitglied, Pensionist) zusammengestrichen werden.
Auch wenn das ein Geschäft für die Steuerberater ist, aber die Komplexität des Systems habe sich unterdessen als echter Wirtschaftshemmschuh herausgestellt, der bisweilen die Steuerberater selbst schon nervt.
Die WT-Kammer beklagt auch die hohen Lohnnebenkosten: Ein österreichischer Betrieb zahle pro 100 Euro Bruttoverdienst 36 Euro Lohnnebenkosten. Ein deutscher nur 28.
Wirtschaftshemmend ist die aufgeblähte Bürokratie, 15 Sozialversicherungsträger sollen endlich vernünftig zusammenzulegt werden. Genau genommen würde man nur zwei Sozialversicherungen brauchen, eine für Selbstständige, eine für Unselbstständige.
Von Strukturreform weit und breit keine Spur:
Was unser Land umbringt, ist die österreichische Form des Föderalismus mit 9 eigenen Landesgesetzgebungen. Überdies sind 4 Verwaltungsebenen (EU, Bund, Länder, Gemeinden) unnotwendig notwendig, zwei sind genug. Sonderausgaben oder Gebührenrecht sind auch höchst reformbedürftig.
Die Stimmung in der Wirtschaft habe sich zuletzt rapid verschlechtert, und das hänge auch mit den steuerlichen Rahmenbedingungen (zB. Registrierkassen Gastronomie, etc...) zusammen.
Die Steuerberater- und Wirtschaftsprüferbranche hat auch selbst ihre Sorgen mit unzähligen, nicht mehr überschaubaren neuen Bestimmungen. Der Nachwuchs für "Revision, Steuern und Treuhand" ist zunehmend mit Rahmenbedingungen konfrontiert, die an der künftigen Attraktivität dieser Art von Karriere zweifeln lassen. Komplexität und Herausforderungen durch die "Digitalen Transformation" haben drastisch zugenommen.
Da ich selbst vor 35 Jahren die Bundesfinanzschule absolvierte, bevor ich (inzwischen schon Ex)Banker wurde und mit Steuerrecht kaum mehr zu tun habe, hatte ich oft den Eindruck, dass die Steuerberater-Lobby nicht ganz unschuldig war, dass sich der Umfang der Steuerrechtsbücher (ESTR, etc..) verzwei-bis verdreifacht haben. Da gabs doch die "Steurreformkommissionen", wo immer ausreichend Mitwirkungsmöglichkeiten bestanden.
https://www.bmf.gv.at/ministerium/presse/archiv-2014/dezember/BerichtSteuerreformkommission.html
Finanzminister Dr.Schelling bedankt sich ausdrücklich bei den Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe auch wieder für die „umfassende und fundierte Arbeit der vergangenen Monate“ - ein 200-Seiten Endbericht wurde vorgelegt.
Als Außenstehender kenne ich mich dabei nicht so aus, aber auch zwischen Wirtschaftsprüfern der "Big 4" (Großconsulter) und den "gewöhnlichen" Steuerberatern sol es auch Bruchlinien geben.
Beklagt werden auch die vielen Neuregulierung der Tätigkeitsfelder, gleichzeitig aber auch ein Reputationsverlust des Berufsstandes.
Anforderungen an Wirtschaftsprüfer steigen ins Unermessliche
Nach §§ 269, 269a UGB (Unternehmensgesetzbuch) sind die gesetzlichen Vorschriften zur Rechnungslegung der maßgebliche Orientierungsrahmen für die Handlungen des Abschlussprüfers.
Die gegenwärtigen Reformen des Bilanzrechts im Rahmen des RÄG 2014 (Rechnungslegungs-Änderungsgesetz) auf Basis einer EU-Richtlinie stellen die größte Reform des nationalen Bilanzrechts seit dem RLG 1990 dar.
Ziel der EU-Kommission mit den neuen Bilanzrichtlinien ist eine breit angelegte Reform der Rechnungslegung mit weitreichenden Veränderungen im österreichischen Unternehmensgesetzbuch (UGB) mit dem Ziel:
o Entlastung von kleinen Unternehmen, o Schaffung von mehr Klarheit, o Verbesserung/Vergleichbarkeit der Abschlüsse,o Schutz wesentlicher Bedürfnisse der Nutzer und o Erhöhung der Transparenz der Unternehmen. Die Qualität der Neuregelungen solle jedoch zu wünschen übrig lassen.
o Die Komplexität der Rechnungslegungsbestimmungen ist mit den Neuregelungen wesentlich gestiegen; neue Anforderungen an die Bilanzierung (zB. latente Steuern, Kapitalkonsolidierung, etc.)
o Überdies wird die Normenauslegung durch zahlreiche Verweise in den Mat ("Matching Principles") auf die IFRS wesentlich erschwert. In EUROPA gilt das IFRS (vormals IAS), das sind die
(International Financial Reporting/Accounting Standards).
Dabei gilt ein wenn auch gemildertes „fair value-Prinzip“ in Europa, das heißt: Die Bewertungsansätze in der Bilannz müssen pauschal gesagt zu Marktwerten und nicht wie früher zu Niedrigstwerten angesetzt werden. Es wird damit der wahre Reichtum der Firma dargestellt, der Kaufmann wird nicht mehr wie früher "ärmer gemacht", sondern mit den neuen Bewertungsansätzen reicher.
Seit 2005 darf auch in Österreich nach IFRS bilanziert werden, größere insb. an der Börse notierte Konzerne müssen! sogar den Konzernabschluss nach IFRS (vormals IAS = int. accounting standards) legen!!!!. Durch die neuen Bewertungsvorschriften nach IFRS kam es zum Vorteil der Firmen zu wesentlichen Ratingverbesserungen, weil damit das Eigenkapital viel höher wurde.
In USA gilt US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles)=
In den USA wird ein noch radikalerer "fair value-Ansatz“ vertreten. Dadurch werden stille Reserven (= Differenz zwischen Bilanzwert und tatsächlichem Marktwert) massiv aufgedeckt. Bei der VW-AG Group verdoppelte sich durch diese Bewertungsumstellung auf US-GAAP damals sogar das Eigenkapital.
Wer also in Amerika an die Börse gehen will, muss neben einer IFRS-Bilanz in Europa noch für die USA eine US-GAAP Bilanz erstellen.
o Aus Prüfersicht: erhöhte Umstellungskosten (neue Formulare , neue Software-Programme), erhöhtes Prüfungsrisiko, massiv gestiegener Komplexitätsgrad.
o Abschlussprüfungen im Kontext dieser Standards sind aus diesem Grund de facto den "Big-4" (PwC, KPMG, Deloitte, E&Y) weitgehend vorbehalten. Wobei selbst diese zuweilen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gebracht werden.
o Die ISA-Einführung, die mit dem heurigen Jahr 2016 endgültig Realität geworden ist, wurde im Berufsstand schon lange Jahre kontrovers diskutiert, eine nunmehr neue Normenlandschaft kommt auf die Wirtschaftsprüfer zu. In der EU-Richtlinie 2006/43/EG und 2014/56/EU („Prüferrichtlinie“) ist über gesetzliche Prüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen erstmals festgelegt, dass die internationalen Prüfungsstandards ("International Standards on Auditing – ISA") als zentrales Regelwerk für die Durchführung von Abschlussprüfungen in Europa übernommen werden. Im § 269a UGB (Unternehmensgesetzbuch) ist die Durchführung von Abschlussprüfungen und Konzernabschlussprüfungen unter Beachtung der ISA, wenn und soweit die EU-Kommission internationale Prüfungsstandards übernommen hat, bereits normiert (neue Regelungen zum Bestätigungsvermerk/„Reporting“, Änderungen „Going Concern Prinzip“/Zusammenhangswert von Unternehmen, "Communication with Those Charged with Governance“ - Unternehmen mit Öffenlichkeitsinteresse. In zahlreichen, neuen Facetten, ua in der Dokumentation folgen daraus wesentlich höhere Anforderungen. Im besonderen Maße gilt dies für Prüfer, die KMU-Mandanten betreuen das Themenfeld der sog "skalierten (Abschluss-)Prüfung" mit großem Schulungsbedarf.
Zu den wesentlichen Zukunftsthemen, die den Wirtschaftsprüfer in den kommenden Jahren vor neue Herausforderungen stellen , zählt die zunehmende "Digitalisierung" von Geschäftsprozessen ("Big Data"), der steigende Stellenwert der "Berichterstattung" über nichtfinanzielle Informationen (CSR, Integrated Reporting, etc.).
Die Digitalisierung betrifft den Berufsstand zunächst mittelbar über die zunehmende Relevanz IT-gestützter Prozesse, Geschäftslogiken, Steuerungsmodellen bei den Firmen, verändert das Prüfungsumfeldes/Prüfungsgegenstand und ist in allen Phasen des Prüfungsprozesses zu integrieren auch mit entsprechenden Prüfungshandlungen (Prüfung des IKS unter besonderer Berücksichtigung von automatisierten IT-Kontrollen. Unter dem Begriff "Internes Kontrollsystem (IKS)" sind Maßnahmen und Vorkehrungen zu verstehen, um vermögens- und zahlungsrelevante Prozesse abzusichern und deren ordnungsgemäße und wirtschaftliche Bearbeitung zu überwachen. Diese Entwicklung trifft Wirtschaftsprüfer auch unmittelbar selbst, indem sich ihr Geschäftsmodell mit einer zunehmenden Digitalisierung verändert.
Unter dem Titel der "Digitalen Transformation" gibts Auswirkungen auf die Abschlussprüfung: Neben der Möglichkeit, neue Angebote in den Bereichen der Echtzeit-Prüfung sowie des Audit-as-a-Service (auf IT-Aspekte fokussierte Dienstleisten). Auch Fragen erhöhter Standardisierbarkeit und Automatisierbarkeit der Prüfung, aber auch Fragen im Bereich der Datensicherheit sowie von methodischen Aspekten der Datenanalyse stellen sich.
o Das sog CSR-Reporting eröffnet dem Wirtschaftsprüfer schließlich ein Geschäftsfeld, das sich in Komplexität deutlich von der bisher noch im Fokus stehenden Finanzberichterstattung nach der EU-RL unterscheidet. Hier ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten.
o Die Aus- und Weiterbildung wird auch zu einer zentralen Herausforderung. Auch hierzu liegen internationale Standards vor, in Form der International Education Standards (IES), stärkere Output-Orientierung wird gefordert, ein noch junges Themenfeld.
Die Qualität der Wirtschaftsprüfung beginnt bereits beim Berufsnachwuchs, eine strenge Berufszulassung soll möglichst frühzeitig schon auf der UNI anfangen. Dass Hochschulen diese oftmals nicht mehr gewährleisten können, das zeigen Diskussionen in Deutschland, wo Vertreter der "Big Four" (Deloitte, KPMG, PwC, E&Y) die Gründung einer Hochschule in den Raum stellten, um ihren Nachwuchs selbst adäquat auszubilden. Eine andere Facette dieser Debatte offenbart sich daran, ob ein Studium im Umfang von 180 ECTS (Bacchelor) oder 240 ECTS (mit Master) für die Berufszulassung erforderlich ist.
o Die Regulierung des Berufsstandes nimmt überhand
Modernes Corporate-Governance-System zur Vermeidung von Unternehmenszusammenbrüche; der Wirtschaftsprüfer wurde lange Zeit als entscheidender Faktor für die Insolvenzprophylaxe erachtet.
Im englischsprachigen Raum existiert sogar das Bild des "watchdog", den der Prüfer darstellen soll. So sind umfassende Anzeigepflichten jetzt überall vorgesehen. In der Praxis wird regelmäßig die Frage aufgeworfen, inwieweit ein Fehlereingeständnis im Rahmen des Verfahrens strafrechtliche Konsequenzen auf Grundlage der maßgeblichen Bestimmungen des StGB nach sich zieht. Ein weiterer Schritt in diese Richtung erfolgte durch das APAG, welches im April 2016 beschlossen wurde. Mit diesem ist eine weisungsfreie Behörde als Abschlussprüferaufsichtsbehörde (APAB) zu gründen für externe Qualitätssicherung. Zusätzlich werden sog "Inspektionen" eingeführt: Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften sind fortan verpflichtet, sich einer Inspektion durch die APAB nach der EU-Verordnung Nr 537/2014 zu unterziehen, wenn sie Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse durchführen.
Für viel Diskussion sorgte die Überarbeitung des Bilanzstrafrechtes mit Gültigkeit ab 1. 1. 2016. Der neu geschaffene § 163b StGB (Strafgesetzbuch) adressiert ausdrücklich die "Prüfer verschiedener Verbände" und normiert eine Reihe von Straftatbeständen. Eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe soll die Anwendung dieser Normen erschweren. Erstmalig werden konkrete Strafbestimmungen auch für Wirtschaftsprüfer festgehalten. Auch Strafbestimmungen iVm Geldwäsche, die auch Wirtschaftsprüfer adressieren. Die Folge waren und sind umfassende Präventions- und va Dokumentationsmaßnahmen, die von den Mitgliedern des Berufsstandes zu setzen sind (Wirtschaftsprüfer in der Rolle zwischen "Denunziant" oder "Geldwäscher"). Auch ein Reputationsverlust des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer scheint voranzuschreiten, weil externe Regulierungen seine Vertreter immer stärker unter Druck setzen, obwohl die (fachlichen) Anforderungen an die Vertreter des Berufsstandes ständig steigen zunehmend, die Kontrollmechanismen immer mehr werden. Man hört auch von "Honorardumping" im Bereich der Abschlussprüfung. Dies führe jedoch zu einem Kostendruck , der idR zulasten der (Einstiegs-)Gehälter des Berufsnachwuchses geht. Für eine Branche, die derart auf das Wissen, die Integrität und das Engagement der in ihr Tätigen angewiesen ist, kann dies besonders verheerende Konsequenzen haben.