Der britische Premierminister David Cameron hat seinen Rücktritt bis Mittwoch angekündigt. Die konservative Politikerin Theresa May werde seine Nachfolgerin werden. Ihre Gegenkanditatin Laedsom hat mangels ausreichender Unterstützung zurückgezogen. Damit hat GB rascher als erwartet eine handlungsfähige Regierung, die das Land aufgrund der Unsicherheit benötigt, die der bevorstehende EU-Austritt mit sich bringt. Der Wechselkurs des Pfunds gegenüber dem Dollar ist angestiegen.
Mein erster intuitiver Eindruck, an Leadership dürfte es ihr nicht mangeln und das ist auch gut so für GB. Sie muss jetzt für die Briten in Brüssel die Kohlen aus dem Feuer hohlen . Einen Verbleib in der EU «durch die Hintertür» oder ein zweites Referendum hat sie kategorisch ausgeschlossen. Unergiebig ist ein 1:1 Vergleich mit Thatcher oder Merkel, wie das vereinfacht in Medien vertreten wird.
BREXIT wird wohl sehr schnell dramatische Folgen für den britischen Arbeitsmarkt haben. Hunderttausende Briten wollen das Vereinigte Königreich verlassen, um auf dem Kontinent zu arbeiten. Das ist das Ergebnis einer internationalen Umfrage des Stellenportals Stepstone. Demnach planen 600.000 britische Fachkräfte schon jetzt, ihre Karriere nicht in Großbritannien, sondern in einem anderen EU-Land - vornehmlich Deutschland - fortzusetzen. Auch viele EU-Ausländer wollen nach dem Brexit nicht länger in Großbritannien arbeiten.
Wer ist May?
Sie hatte für einen Verbleib GB bei der EU geworben, vertritt aber eine EU-skeptischere Position, als Cameron. Sie ist 59 Jahre alt und gilt als äußerst ehrgeizig und Ausgleichsfigur für die zerstrittene, konservative Tory-Party.
Nach dem BREXIT kommt ihr die äußerst schwierige Aufgabe zu, GB durch die eingetretene wirtschaftliche und politische Ungewissheit zu führen. Sie gilt als "unnachgiebige Politikerin" und wolle aus dem BREXIT einen Erfolg machen.
Ein 1:1 Vergleich mit Thatcher oder Merkel, der eisernen Lady, scheint unzulässig zu sein, wie aus vergangenen Reden hervorgehend:
o Als harte Verhandlerin könnte ihr ein "weicher BREXIT" gelingen
o Die größte Hürde mit der EU dürfte der offene Arbeitsmarkt sein, auf den die EU im Ggs. zu May besteht!
o Der Wohlstand in der Gesellschaft solle allen zugute
kommen
o Osborn kritisiert sie mit seiner wirtschaftshemmenden Sparpolitik
o Für mehr Wohlstand müssen wir die Produktivität steigern
o Staatsinterventionismus: Die künftige Regierungschefin möchte mehr als unter dem bisherigen Wirtschaftsminister in die Wirtschaft eingreifen und sprach von der Notwendigkeit einer ordentlichen Industriepolitik. (Ich denke hier an den Untergang der britischen Stahlindustrie wegen der chinesischen Stahldumpingpreise - da werden höhere Zölle unvermeidbar sein)
o Auch sollten vom Finanzministerium gestützte Anleihen für Infrastrukturprojekte herausgegeben werden.
o Aus nationalen Gründen sollen Übernahmen von britischen Firmen in strategischen Bereichen wie der Pharmabranche verhindert werden können.
o In den Verwaltungsräten von Konzernen sollen auch Arbeitnehmervertreter Einzug halten, um die engen Kreise, aus denen die Manager kommen, aufzubrechen. May schwebt offenbar ein deutsches Mitbestimmungsmodell vor.
o Zudem will May gegen überrissene Managerbezüge vorgehen. Die Aktionäre sollen an den Generalversammlungen rechtlich bindend – und nicht unverbindlich wie bisher – ihr Veto gegen Managergehälter einlegen können.
o Sie ruft zu einem "verantwortungsvollen Kapitalismus" auf, sodass man in weiten Teilen meinen könnte, es sei das Wahlkampfprogramm des früheren Labourführers Ed Miliband.
o Die will ihre konservativen Parteikollegen attraktiver und auch für klassische Labourwähler attraktiv machen. Damit soll auch verhindert werden, dass ihre zerstrittene Partei im Chaos versinkt.Es sei eine neue Art von "sozialem Konservativismus", meinte May.
o Sie will auch auf die Nöte ärmerer Bevölkerungsschichten eingehen und keinen Thatcher-Neoliberalismus betreiben. Es geht um die Frage, ob und wie auch den Armen geholfen werden kann, eine unter Thatcher völlig verpönter Gedanke.
Erste Maßnahme werde die Begrenzung der Einwanderung von EU-Bürgern werden. Aus mit der Freizügigkeit des Personenverkehrs. Ihr CV sieht grob so aus:
o Pfarrerstochter
o Geografiestudium
o Oxford
o Bank of England
o Londoner Stadtrat
o Unterhausabgeordnete
o 2002 Tories-Generalsekretärin, brach damit die Vorherrschaft der Männer
o Innenministerin
May vertritt eine harte Linie bei der Einwanderungspolitik und zeigte bisher eine unnachgiebig harte Haltung gegenüber islamischen Predigern.
Wie unsere Wetterlady hat auch May einen Faible für ausgefallene Schuhe, auch mit Leopardenmuster. Sie ist mit einem Banker verheiratet und sammelt Kochbücher.
May konnte medizinisch keine Kinder bekommen. Ihre Konkurrentin versuchte das in der TIMES auszuschlachten und halte sich als Mutter geeigneter - dies ging aber nach hinten los.
May als Pfarrerstochter aus Südengland musste als Absolventin einer Staatsschule härter um einen Studienplatz in Oxford kämpfen als Abkömmlinge der englischen Upperclass wie Cameron oder Schatzkanzler George Osborne. Wenn sie für einen sozial aufgeschlossenen Konservatismus eintritt – ein Bekenntnis, das derzeit alle konservativen Politiker abgeben –, klingt es aus ihrem Mund glaubwürdiger.
Theresa May 2002 Generalsekretärin der Partei meinte vor dem Parteitag warnend, die Tories würden für alle Zeiten unwählbar, weil die Wähler sie als sozial garstige Partei («nasty party») wahrnehmen würden. Diese zum Zitat gewordene Aussage fuhr den Tories in die Knochen und wurde zum geflügelten Wort. Einige Jahre später wählten sie Cameron zum Parteichef.
Ob sie wirklich eine neue Thatcher wird, bezweifelt wiederum Ex-Außenminister Rifkind und warnt im Handelsblatt vor Etiketten à la „Eiserne Lady“. Mrs. May habe mehr mit Merkel gemein als mit Maggie Thatcher, beide seien Pfarrerstöchter und gehen sehr ernsthaft an Dinge heran und sind auch nicht für riesigen Humor bekannt.
Im GUARDIAN lese ich "Theresa May: unpredictable, moralistic" (= unberechenbar und moralistisch). European commission president Jean-Claude Juncker would soon find out how “bloody difficult” she could be. She may lack a grand political vision, but in a time of national crisis, her calm consistency and sense of moral.....(ihr mag eine große politische Vision fehlen, aber in einer Zeiten der nationalen BREXIT-Krise kann ihre ruhige Konsistenz und das Gefühl der moralischen Pflicht genau das sein, was gefordert ist... duty may be just what is called for...