Prof. Norbert Bolz ist Medienwissenschaftler an der UNI Berlin und macht sich in der NZZ über die Welterklärer (Journalisten) lustig, die sich ohnedies im Krisenmodus befinden würden. Für die angeblich im Vormarsch befindliche, schlechte Gesellschaft hat man ein neues "Label", nämlich die "Populisten" gefunden. Dieser Ausdruck wird inzwischen schon ähnlich inflationär gebraucht, wie zB. "Nachhaltigkeit".
"Populismus" ist jedenfalls das zentrale Wort in der Rhetorik der mainstream-und regierungstreuen Journalisten und Gefälligkeitswissenschafter, die den Politikern zuarbeiten mit ihren Studien und Statistiken. Die meisten Wissenschafter machen ihre Arbeit gut. Gefälligkeitswissenschafter sind dagegen diejenigen, die ein seismographisches Gespür dafür haben, welche Statistiken der Regierung gerade in den Kram passen und die erhalten dann die Massenmedien.
Auch viele Journalisten machen ihre Arbeit gut, und es gibt nach wie vor Qualitätszeitungen. Aber das, was als öffentliche Meinung gilt, wird stark von einer ganz anderen Journalistenklasse geprägt, die idR. sozial-progressiv und in jedem Fall sentimental-humanitaristisch eingestellt ist.
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Die Intellektuellen des sozial-progressiven Mainstream laden politische Themen moralisch so sehr auf, bis am Ende zwischen Thema und Meinung kein Spielraum mehr bleibt:
"Die Entscheidung der Amerikaner und Briten war schlecht, die Entscheidung von Frau Merkel, über eine Million Flüchtlinge ins Land zu lassen, war gut. Die Entscheidung der Österreicher gegen Norbert Hofer war gut, die Entscheidung der Italiener gegen Renzis Verfassungsreform war schlecht. Die politische Einheit Europas ist gut, das Interesse an nationaler Souveränität ist schlecht.
Wer die Welt so sieht, wird von der Medienelite zur guten Gesellschaft zugelassen!!!. Alle anderen stehen im Ruf, Populisten zu sein.
Belehren statt berichten:
Dass sie selbst die versagenden Eliten sein könnten, kommt diesen (regierungstreuen) Intellektuellen kaum in den Sinn. Die Journalisten unterscheiden nicht zwischen Thema und Meinung. Die Gefälligkeitswissenschafter analysieren nicht, sondern sie warnen und mahnen, besonders gerne in Talkshows.
Und die Journalisten belehren lieber als zu berichten. Dass sie sich dabei ständig selbst überschätzen, zeigt sich täglich. "Tagesthemen-Sendungen" betreiben Volkspädagogik , wöchentliche Blätter wie "Der Spiegel" geben vor, dass zB. der Wahltriumph Trumps mit einer Titelgeschichte über den Untergang der Welt kommentiert wird.
Journalisten nehmen in der modernen Welt eine Sonderstellung ein. Sie befriedigen ein Bedürfnis nach Orientierung, das weder von der Politik noch von der Wirtschaft und schon lange auch nicht mehr von der Religion bedient werden kann.
Dieses Orientierungsbedürfnis wächst, je komplexer unsere Welt wird. Der amerikanische Publizist Walter Lippmann geht davon aus, dass die gesellschaftliche Dynamik so komplex geworden ist, dass sich der Einzelne keine eigene Meinung mehr über politische Sachverhalte bilden kann. Deshalb brauchen wir Experten, die die Verantwortung für die Organisation der öffentlichen Meinung übernehmen. Zu diesen Experten allerdings hat Lippmann die Journalisten ausdrücklich nicht gerechnet. Das sehen diese natürlich schon lange ganz anders. Journalisten halten sich selbst für die Meinungselite. Und viele verstehen Lippmanns Konzept der öffentlichen Meinung als Lizenz zur Propaganda.
Diejenigen, die vom "Versagen der Eliten" reden, könnten möglicherweise aber auch vom eigenen Bedeutungsverlust ablenken wollen. Doch die Leistungs- und Funktionseliten unserer Gesellschaft erweisen sich als sehr effektiv. Im System der Wirtschaft beweist das der enorme Markterfolg. Wissenschaft und Technik der westlichen Welt bestechen durch eine ungebrochene Innovationskraft.
Und wie steht es um die vielgeschmähte Politik? Die massenmedial sichtbare Politik verdeckt, was in den Hinterzimmern geleistet wird: das geduldige Bohren dicker Bretter.
Im postheroischen Zeitalter ist Politik nicht mehr visionär, sondern die Wissenschaft vom "Muddling-Through", dem Sichdurchwursteln (Charles Lindblom) geprägt. Opportunismus erweist sich als eine politische Tugend, denn was heute geleistet werden muss, ist vor allem eine Anpassung an das Unvorhersehbare. Deshalb haben Politiker wie Helmut Schmidt recht, die sagen: "Wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen". Und eine solche Vision ist die politische Einheit Europas, so wie es sich die Brüsseler Bürokraten ausgedacht haben: als Top-Down-Projekt derer, die sich für die politische Elite halten.
Weder in der Wirtschaft noch in der Alltagspolitik der Kommunen und Regionen, weder in der Wissenschaft noch in der Technik kann ganz allgemein von einem Versagen der Eliten die Rede sein. Die einzige Elite, an deren Leistungsfähigkeit Zweifel angebracht sind, sind jene Intellektuellen, die sich von Kritikern der Macht zu ihren "Steigbügelhaltern" zurückentwickelt haben.
Viele Intellektuelle kommen mit dem neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit nicht zurecht. Im Zeitalter des Internet und der sozialen Medien haben wir es in der Tat mit einer revolutionären Machtverschiebung auf allen Ebenen der Gesellschaft zu tun. Die Macht verschiebt sich von den Politikern zu den Bürgern. Die Stichworte lauten Partizipation, direkte Demokratie und Volksentscheid. Wirtschaftlich verschiebt sich die Macht von den Firmen zu den Kunden. Zurecht sprechen Trendforscher von einer Konsumentendemokratie. Und ganz generell verschiebt sich die Macht von den Experten zu den Laien. Das Stichwort lautet hier "Wisdom of Crowds" (Schwarmintelligenz).
Diese Krise der Expertenkultur, die durch die Selbstorganisation der Laien im Internet auf Dauer gestellt worden ist, macht vor allem den klassischen Massenmedien zu schaffen. Die Medienelite ist es ja gewohnt, als Oberlehrer der Nation aufzutreten. Nun muss sie immer häufiger erleben, dass man die Welt nicht mehr in ihrem Spiegel sieht, sondern sich lieber auf andere – auch dubiose – Informationsquellen verlässt. Es stimmt, einige sind dubioser Art. Dennoch verkennt der neue Warnruf aus den Redaktionen, unsere Gesellschaft steuere auf ein "postfaktisches Zeitalter" zu, die Lage.
Wenn man die Erfolgsgeschichte der neuen sozialen Medien nüchtern betrachtet, muss man konstatieren, dass unsere Gesellschaft vor einer Partizipationsrevolution steht. Die Bürger wollen mitreden, die Kunden produzieren selbst, die User schaffen selbst Inhalte. Doch es wäre ein grobes Missverständnis, wenn man daraus ableiten wollte, dass die autoritative Führung durch Eliten überflüssig wird. Im Gegenteil. Je weiter die Globalisierung fortschreitet, desto grösser wird der Orientierungsbedarf. Je tiefer wir uns tagtäglich in Netzwerke verstricken, desto grösser wird der Führungsbedarf. Nicht zufällig unterhalten Unternehmen und Organisationen Think Tanks. Nicht zufällig schiessen allerorten Exzellenzinitiativen aus dem Boden.
"Exzellenz" (Leistungseliten) und die "bösen Intellektuellen":
markiert das Prinzip der Leistungsselektion, das die Entscheider und Könner zur Elite macht. Dazu gehören eben die Leute, die ihren hohen Status verdient haben – ihre Position verdanken sie per definitionem den anderen, die auf sie hören, ihre Produkte kaufen, ihr Wirken verfolgen. Eliten entstehen immer als Resultat von Auswahlprozessen. Doch damit sind sie natürlich dem Ressentiment der Intellektuellen ausgesetzt, die ihre eigene Unfähigkeit, die Welt zu verstehen, auf ein "Versagen der Eliten" projizieren.
Wenn unsere Gesellschaft ein Problem hat, dann nicht mit den Funktions- und Leistungseliten, sondern mit jenen Intellektuellen, die zwar hervorragend gebildet, aber wie von einem bösen Zauber verhext sind. Ihr machtgeschützter, sentimentaler Diskurs benutzt die Ethik als Mittel des Rechthabens und stellt Andersdenkende an den Medienpranger. So zerfällt die Welt des Geistes heute in Selbstgerechte und Eingeschüchterte. Dem Vorankommen intellektuellen Eliten ist das natürlich nicht dienlich. Aber die Welt dreht sich auch ohne sie weiter.
Norbert Bolz lehrt als Professor für Medienwissenschaften an der Technischen Universität Berlin. Jüngst von ihm erschienen sind im Fink-Verlag die Bücher «Zurück zu Luther» (2016) und «Philosophie nach ihrem Ende» (2015).
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Kommentare:
Das ist wieder mal ein langweiliger, undifferenzierter, belehrender und larmoyanter Artikel eines Welterklärers, der so tut, als gehörte er selber nicht zu den Moralisten. Seine Moral besteht daraus, dass die einen gut sind und die anderen schlecht. So führt er die Unterscheidung zwischen Funktionseliten und Meinungseliten ein, damit er gegen letztere Bashing betreiben kann. Dann nennt er die regierungstreuen Journalisten, weil er etwa die wirtschaftsfreundlichen offensichtlich für viel besser hält. Gefälligkeitswissenschaftler sind dann auch nur die, die im Dienst der Regierung Statistiken verfertigen, aber nicht die, die im Auftrag der Wirtschaft hantieren. Mit den verabscheuungswürdigen Politikern, die im Artikel erwähnt werden, sind wohl die sozial-progressiven und sentimental-humanitaristischen gemeint, während wahrscheinlich die kühl-berechnenden und sozialdarwinistisch eingestellten zu den Guten gehören. Schon der bewertende Begriff "sentimental" zeigt im übrigen, wie der Artikel vor Moral trieft. Schliesslich kommen noch die Intellektuellen vor, die sich selber überschätzen, die Ethik als Mittel des Rechtshabens benutzen und Andersdenkende an den Pranger stellen. Damit hat Bolz den rechtskonservativen Mainstream, mithin sich selbst, treffend beschrieben.
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Endlich! Vielen herzlichen Dank für diesen Artikel! Es ist manchmal zum verzweifeln wie die Meinungselite jede andere Sicht ins lächerliche zieht und versucht zu unterdrücken.
Danke auch an die NZZ, dass Sie diesen Artikel veröffentlicht hat, denn ein paar ihrer Journalisten darf sich durchaus zur Meinungselite zählen...
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Eliten "verwelken" nach einiger Zeit der Herrschaft irgendwann (ich möchte nicht das böse Wort "degenerieren" verwenden). Sie kreisen nur noch um sich selbst, entwickeln ihre eigene Dynamik und koppeln sich vom sozialen Unterbau, der sie tragen muss, ab. Sie leben dann irgendwann in einer abgeschlossenen und abgehobenen geistigen Parallelwelt.
Und wenn die "unten" das merken, dass ihre täglich erfahrbare Weltsicht von denen da oben nicht mehr geteilt wird, dann muss eben eine neue Elite die alte ablösen. Eine ganz normale "Zirkulation der Eliten", wie Pareto das genannt hat. Dass die Eliten in ihren geschlossenen Elfenbeintürmen die anderen, die die Arbeit tun, als "postfaktisch", "populistisch", und ähnlich bezeichnen, kennzeichnet nur ihren Herrschaftsanspruch auf das Recht der alleinigen Weltdeutung. Der deutsche Soziologe Helmut Schelsky hat das vor Jahrzehnten treffend beschrieben.
Die Beschäftigung mit den "Niederungen" des alltäglichen Lebens ist für Mitglieder der Elite mühsam. Also flüchtet man vor den dornigen Fakten und Details in eine "fit-for-all" Gesinnungsethik.