Wir sind auf die nächste Krise nicht vorbereitet.

Es ist verrückt. Trump lügt ständig. Aber er kommt damit durch. Bei seiner Gegnerin Clinton wird hingegen jedes Wort auf die Waagschale gelegt. So war es damals auch bei Bush gegen Al Gore.

Etwa 90% der überzeugten Republikaner-Anhänger sind nicht mehr mit Fakten erreichbar. Ihnen wurde seit Jahrzehnten indoktriniert, dass alles, was in der «New York Times» steht, gelogen ist.

Umso mehr kommt es auf die Wahlbeteiligung an und auf das Abschneiden anderer Kandidaten. Wenn zu viele junge Wähler der diffusen Botschaft glauben, Clinton sei eine Lügnerin, bleiben sie zu Hause oder wählen einen Dritten. Dann wird Trump Präsident.

Ich denke, Clinton wird gewinnen. Laut Umfragen liegen die Chancen bei 75%. Wir haben zwei Amerikas. Eines ist revanchistisch, es ist vor allem das Amerika der alten weißen Männer. Das andere Amerika ist vielfältig, zu diesem Teil zählen auch die Hispanics, Schwarze und Frauen. Ich denke, das vielfältige Amerika ist größer. Aber es kommt auf die Wahlbeteiligung an, und einschneidende Ereignisse können alles ändern.

Man kann nicht 11 Millionen Einwanderer ausschaffen, ohne das Land in einen chaotischen Polizeistaat zu verwandeln. Aber wer soll ihm das erklären? Er würde ja nicht zuhören. Trump ist ein 15-Jähriger im Körper eines 70-Jährigen. Trump polemisiert gegen den Freihandel.

Im März schrieb Krugman, dass Befürworter die Vorteile des Freihandels übertrieben positiv darstellten. In der Debatte über den internationalen Handel wird von beiden Seiten übertrieben. Der Brexit wird Grossbritanniens Wirtschaft schwächen. Aber man sollte nicht behaupten, Protektionismus führe zu Rezessionen. Die Freihandels-Vorteile sind nicht so gewaltig wie vielfach dargestellt.

Trump will eine Steuer von 45% auf chinesische Exporte einführen.

Das würde einen heftigen Handelskrieg mit China auslösen. Auch andere internationale Abkommen wie der Klimavertrag von Paris kämen bei einer derartig konfrontativen Politik ins Wanken. Der Protektionismus selbst wäre noch das geringste Problem.

Studien kommen zwar zum Ergebnis, dass wegen Importen aus China in den USA 2 Mio. Jobs verloren gegangen sind. Die genauen Zahlen sind zwar umstritten, aber chinesische Importe haben Jobs gekostet. Nicht alle profitieren gleichermassen. Dänemark ist so offen wie die USA. Aber das Land hat ein besseres Sozialsystem.

TTIP ist eigentlich gar kein Handelsabkommen. Mr. Krugman hat richtig erkannt, dass die Grosskonzerne die Nutznießer von TTIP sein werden.Es geht um Patentschutz und Schlichtungsstellen, und man kann beides gut begründet hinterfragen. Müssen wir uns die Forderungen der Pharmakonzerne zu eigen machen, in Entwicklungsländern monopolistisch aufzutreten? Müssen wir staatliche Befugnisse an Private übertragen? Ich bin tendenziell gegen TTIP und würde das Abkommen nicht umsetzen.

Wir sollten nicht über den Brexit, sondern über den Aufstieg der nationalistischen Rechten besorgt sein. Es ist gefährlich, wenn Staaten demokratische Errungenschaften aufgeben. In Ungarn wurden Institutionen unterminiert. Auch Polen wankt bedenklich.

Ich weiß nicht, wann und wo die nächste Krise kommt. Aber das Problem ist, dass es an Möglichkeiten mangeln wird zu reagieren. Was machen wir, wenn China crasht? Die Zentralbanken können die Zinsen kaum noch senken. Stimuluspakete haben politisch kaum Chancen.

Wir hätten die Krise besser nutzen müssen, die Inflationsziele zu erhöhen. Auch intellektuell war die Reaktion auf die Krise schwach. Fragen Sie Paul Ryan in den USA oder Wolfgang Schäuble in Deutschland, wie die Krise ihren Blick auf die Welt geändert hat. Da kommt nichts. Wir sind auf die nächste Krise schlecht vorbereitet.

Mit der Aufwertung des Frankens, was die Schweiz betrifft, hat die SNB Spielraum verloren. Generell bin ich für flexible Wechselkurse. Aber die Schweiz steht seit langem unter deflationärem Druck. Darauf muss die Notenbank reagieren. Der Mindestkurs war bemerkenswert erfolgreich.

Mit dem Negativzins zeigt die Notenbank, dass es bei den Zinsen mehr Spielraum gibt, als wir realisiert hatten. Ich dachte, die Leute horten dann Cash. Aber das ist gar nicht so einfach. Die Schweiz eruiert neues Territorium. Aus akademischer Sicht liebe ich das.

Viele Ökonomen warnen vor Verzerrungen, aber positive Inflationsraten sind wichtig. Die Schweiz hat sie nicht. Sie sollte 2–3% Inflation anstreben. Positive Teuerungsraten haben vor allem den Vorteil, in einer Krise entschlossen reagieren zu können. Die Notenbank hat dann den nötigen Spielraum.

Wirtschaftsprofessor Paul Krugman gewann 2008 für seine Forschung im Bereich der internationalen Handelstheorie den Nobelpreis. Als Kolumnist der «New York Times» hat er sich einem breiteren Publikum bekannt gemacht. Er plädiert für entschiedene Interventionen in Wirtschaftskrisen. In den USA wird ihm linke Politik vorgeworfen.

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Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 26.09.2016 16:20:11

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