Der Sinn des Lebens...oder so...

Sie sitzen am Rande eines Brunnens und sehen dem geschäftigen Treiben, der Hektik und dem Stress der Menschen, in der Innenstadt zu.

Anzug Träger, die Aktenkoffer im Würgegriff, das Telefon am Ohr, eilen im Stechschritt vorbei; Mütter, in einer Hand schwere Einkaufsackerln, an der anderen ein Kind nachzerrend, unter Zeitdruck; ständig den Nachzügler im Augenwinkel, der gedankenverloren die playlist des i-pod neu sortiert, und die Schimpftirade durch Lautstärke 12 blockiert. Handwerker, die ohne Rücksicht auf Verluste, fluchend und das Werkzeug verstauend, den Feierabend begrüßen. Ordnungshüter, die auf der Jagd nach schwerstkriminellen Falschparkern die Kollegen in den echten Uniformen beneiden. Jugendliche, am Skateboard das Imponiergehabe eines Mandrills, lässig die Zigarette wegschnippend. Was den Straßenkehrer zum zetern bringt...

Doch keiner bemerkt das Lichterspiel der Sonnenstrahlen, die tief durch die Häuserschluchten auf den belebten Platz fallen, das Laub der Ahornbäume in Gold verwandeln und den Turm der Kathedrale wie einen mahnenden Finger wirken lassen. Keine Zeit für Schönheit, keine Zeit zu genießen, keine Zeit.

Keiner beachtet das Paar am Brunnenrand. Es sitzt einfach da und beobachtet, hat keine Eile mehr, wissen doch beide, dass ihr Leben bald dem Ende zu geht - wozu sich noch stressen!?

"Sieh dir nur diese Leute an" sagt er zu ihr "wie sie sich hetzen lassen von Nichtigkeiten. Ob sie sich noch die Zeit nehmen, den Sinn ihres Lebens zu hinterfragen, ihre Ziele zu erreichen versuchen, Angst haben, dass ein Leben nicht reicht, ihre Listen abzuarbeiten?!" Nachdenklich blickt sie ihn an: "Ja, nicht zu wissen worauf es im Leben ankommt, ständig zu suchen was man nicht findet, das muss furchtbar sein. Blick auf unser Leben zurück, es währte nur einen Augenblick, doch sag, haben wir unseren Zweck in dieser Welt nicht erfüllt?! Haben wir nicht alles erreicht was wir erreichen konnten?!" - "Ja" sagt er "wir kamen zur Welt, reiften, fanden einander und verbrachten ein wunderbares Leben. Wir setzten Kinder in die Welt, wissend dass sie es uns gleich tun werden. Auch ihre Kinder werden es so tun. Erfüllt möchte ich unser Bestehen nennen, ohne Zweifel etwas nicht erledigt, nicht erlebt zu haben. Nichts bereue ich, Nichts vermisse ich, Nichts habe ich versäumt! Keine Angst habe ich davor, wenn unser Leben endet. Wir wissen dass es unvermeidlich ist."

Als die Sonne versank, der letzte rötliche Schimmer dem bunten, kalten Neonlicht Platz machte hauchten sie unbemerkt ihr Leben aus während das Treiben in der Innenstadt munter weiterging. Sie glitten vom Brunnensims und trieben im lauen Wasser...die beiden Eintagsfliegen...

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:11

fischundfleisch

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