Gipfel Sieg am Müllberg

Regale, vollgepackt mit bunten Tüten, glitzernden Päckchen und flippigen Flaschen, ein Paradies, solange der Inhalt eingesperrt und sicher vor abertausenden hungrigen oder auch nur geschmacksneugierigen Mündern ist. Doch der Farbreiz lockt sie an, wie ein Kadaver die Fliegen - sie kommen in Scharen, füllen ihre rollenden Shopping Vehikel randvoll mit allem, das ihnen in die Augen sticht. Kinderaugen strahlen und genervte Mütter raffen und stapeln eilig, um jedes aufkeimende Quengeln gleich im Keim zu ersticken. Zwei Gänge weiter, warten, fristen einsam und verloren die Gegenstände ihr Dasein, die nicht zum Kaufrausch verleiten. In Papier und Karton gehüllt, unscheinbar, Mauerblümchen - und doch vielleicht sogar aus Recyclingmaterial - doch mit der Aufmachung lockst du keinen an. Und erst der Inhalt, vielleicht gar aus nachhaltigem Anbau. Furchtbar.

Zu Hause angekommen wird alles, mit viel Schweiß und Zeitdruck gedankenlos gekauft, schnell in Regalen und Kästchen verstaut - lange wird es ohnehin nicht überleben. Kleine und große Hände erkunden und zerreißen - Münder hamstern, mampfen und verschlingen - und die ewig hungrigen Mülltonnen harren bereits der Reste. Fünf Tonnen, fünf Farben - für jede Art von Abfall eine. Recycling beginnt zu Hause und endet auf der Müllhalde, wo sich der sorgfältig getrennte Müll dann wieder trifft und vermischt. Irgendwann verstecken wir dieses Gemenge unter dicken Erdschichten, verbrennen ihn oder schaffen schnell neue Arbeitsplätze, rühmen uns 30 Leute zu beschäftigen die den Müll wieder trennen. Und schon gehen wir beruhigt schlafen, im Bewusstsein etwas Gutes für die Umwelt getan zu haben.

2365 Kilometer entfernt werden gerade zwei Containerschiffe entladen - Müll Berge werden verschenkt an die Armen, auch sie brauchen Arbeit. Wir kehren nicht unter den Teppich, wir kehren unter Länder. Seht nur wie sich alle darüber freuen, im Fernsehen zeigt man wie fleißig sich 300 Menschen endlich eine sinnvolle Arbeit zugelegt haben und Müll verwerten. Wie gut es ihnen jetzt doch geht.

Täglich klettern zwei Knaben über die Müllberge, sammeln alles Verwertbare ein. Was sich nicht verkaufen lässt wird von ihren flinken Fingern kreativ zu Brieftaschen, Hüten und Schlüsselanhängern verarbeitet - Touristen, die ihr Gewissen beruhigen wollen und Bonuspunkte für das eigene Seelenheil sammeln, kaufen ein paar dieser Mitbringsel, und zeigen zu Hause stolz ihre souvenirs. Wie kreativ diese armen Leute doch sind! Gut, sie haben ja Zeit! Wenn nur dieser Gestank der Armut nicht wäre! Und erst der ganze Müll. Zum Glück konnten wir ein wenig helfen.

Und der Kreislauf ist geschlossen, könnte der Schlüsselanhänger doch die Getränkeverpackung von letztem Monat sein. Und wieder klettern die Jungen den Müllberg hoch, die besten Sachen liegen obenauf. Der Schnellste findet das Beste. Er ist der Sieger. Sieger im Überlebenskampf. Ein Sieg so wichtig - ein Gipfel Sieg - am Müllberg!

Achja - Schatz? Kommt morgen nicht die Müllabfuhr? Stell doch die Tonne raus! - Mach ich, gleich wenn Werbung ist, da läuft grad so eine Doku über Afrika! Die leben ja im Müll dort! Gott sei dank sind wir fortschrittlicher. - Ja Gott sei dank! Ich fahr schnell einkaufen, brauchst du was.....

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eigeneshirnistgoldwert

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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