Er: „Wo sind Deine Eltern?“
Ich: „Also meine Mama sitzt da drüben.“
Er: „Das ist Deine Mama?“ Ein Freudestrahlen. „Das ist super.“
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Eine kleine Bilanz nach 6 Monaten Begegnung mit geschätzt über 100 - hauptsächlich afghanischen - jungen Männern in mindestens 150 Stunden Deutschunterricht und Gemeinschaftsaktivitäten, sowie Nothilfe. Keine Anpreisung einer Handvoll „Vorzeigeflüchtlinge“, sondern es darf schon als repräsentativer Erfahrungsbericht gelten.
Zunächst ist die Verwendung des Wortes „Männer“, mit entsprechender Konnotation, für mich etwas verwunderlich. Ohne diese Personen in ihrer Männlichkeit kränken zu wollen – denn männlich sind sie und werden sicherlich zu sympathischen Männern heranreifen – doch kommt jeder Helferin ab 30 eher der Begriff „Buben“ in den Sinn, sobald man in direkten Kontakt mit ihnen tritt. Wir sprechen hier also nicht von Hünen mit dunklen Bärten, sondern von Burschen von 1,65 m, die – einmal abgesehen von ihren tragischen Erlebnissen – genauso wie jeder andere Jugendliche darum bemüht sind, „cool“ zu sein und gemocht zu werden. Natürlich bringen sie ihre bisherige Erziehung und Kultur mit, aber ein negatives Verhalten kam mir dabei noch nicht unter.
Ich traf meistens auf Begeisterung und Wissensdurst – „ich möchte bitte in die Schule gehen“ – und bevor man sich darauf zurücklehnt, dass man „auch gern viel hätte“, oder wer das bezahlen soll, kann man vielleicht einen Moment lang die Aussage an sich im Raum stehen lassen – ich möchte lernen, ich möchte arbeiten, ich möchte gebildet sein. Ist eine solche Einstellung in einem Menschen problematisch? Ich kann gar nicht alle Momente aufzählen, wo mich die jungen Burschen nach mehr Möglichkeiten gefragt haben, wo sie denn noch Deutsch lernen könnten, jeden Tag möchten sie Deutsch lernen. Und mehr als einmal wurde ich von afghanischen Asylwerbern kopfschüttelnd gefragt, warum es in Wien so viele Immigranten gebe, die kein Deutsch sprechen. Das sei doch nicht möglich, dass man hier lebt und kein Deutsch lernt – ja, das sagen sie, die Flüchtlinge, kein Jahr nach ihrer Ankunft.
Nach all diesen Stunden kommt mir eigentlich diese Metapher am stärksten und klarsten in den Sinn: Halbvolle Gläser, die darauf warten, fertig befüllt zu werden – und womit, das liegt bei uns. Westliche, moderne Werte – von wem sollen sie sie lernen, wenn nicht von uns? Sollen sie es googlen?
Online hätten wir dann also als Vorbilder Justin and Miley, als Platzhalter für junge Menschen in unserer schönen toleranten Welt. Ist doch super!
Ich wurde in dieser Zeit öfter gefragt, wie es mir geht, wie es meiner Familie geht, was meine Wünsche sind, als bei vielen Kaffeekränzchen und anderen Anlässen unter Österreichern. Ich hörte Lebensgeschichten ohne Klage, selbst wenn sie traurig waren, und unterhielt mich philosophisch über unsere Welt und Gesellschaft (auf Deutsch oder Englisch – ich kann kein Persisch oder Arabisch). Ich bekam Tee serviert, mir wurden Sachen zum Tragen abgenommen und in die Jacke geholfen – und bevor jemand feministisch tut: da fühle ich mich nicht bevormundet sondern freue mich, dass es Gentlemen gibt. Mir wurde fürsorglich gesagt, dass ich auf meine Gesundheit aufpassen soll. Ich bekam so viele Weihnachtsgrüße wie noch nie!
Wo sie da also sind, die Unterschiede in den Werten, das weiß ich nicht.
Und ob jemand vorher schon eine gute Bildung genossen hat oder nicht, ist keine starre Prognose für seine Zukunft. Nachdem mich die österreichische Feinkost-Mitarbeiterin verständnislos anblickte, als ich „ein Viertel Kilo“ Faschiertes bestellte… Fazit: Es braucht ja auch nicht jeder Akademiker zu sein, auch wenn viele Kandidaten dafür hereingewandert sind. Diese (afghanischen) Burschen sind jung genug, um noch schnell zu lernen, und alt genug, um schnell in den Arbeitsmarkt einzutreten.
….Unsere Arbeitsplätze! Aber, in aller Kürze: Man kann sich hierzu demographische Fachartikel ansehen, oder einfach rechnen: Mehr Menschen im Land bedeuten mehr Konsumenten, mehr Patienten, mehr Schüler, etc. – wenn ihnen der Weg offen steht, sinnvoll in das System einzutreten, dann gleicht sich auch alles wieder aus. Nicht einfach so, und nicht einfach. Aber wie mir ein junger Asylwerber letzthin gesagt hat, wenn wir doch einfach alle zusammenarbeiten und uns gemeinsam etwas überlegen würden, dann könnten wir doch so viel sinnvolles erreichen und alle profitieren. Auch das habe ich so oft gehört, dass sie unserem Land dienen möchten.
Und – für mich als ökologisch bewusst lebender Mensch fast schon traurig – sie werden eifrige Konsumenten sein, sobald sie die Möglichkeit haben, Geld zu verdienen. Sie haben gesehen, was Menschen ihres Alters hier anziehen oder besitzen, und sie haben das gleiche Bedürfnis, diese Dinge erwerben zu können. Dass allen voran die Firma mit dem angebissenen Apfel dabei ein Geschäft machen wird, das kommt natürlich vom europäischen Vorbild. Ich empfinde es fast schon schade, da sie viel mehr auf ihr Umfeld, auf Menschen, die einfachen Dinge des Lebens achten, was wir schon verlernt haben, aber von unserem Vorbild lernen sie sehr schnell, auf materielle Errungenschaften zu achten, um auch dazu zu gehören. Für unseren Einzelhandel also jedenfalls eine gute Nachricht.
Ich werde jetzt nicht verleugnen, dass sie auch „Lausbuben“ sind, doch es sei betont, dass ich hier zum Beispiel an Dinge auf der Ebene von Aufräumen denke – wie viele Teenager räumen ihr Zimmer auf, wenn man es ihnen nicht sagt? Beiseite, wer sie hereingelassen hat und ob und warum, und wer sich das ausgesucht hat - sie sind da, und brauchen jemanden, der ihnen sagt, dass sie das Zimmer aufräumen sollen. Sie brauchen ihn nicht nur, sie suchen ihn sogar. Es ist kein großes psychologisches Mysterium, dass heranwachsende Menschen Vorbilder, Leitlinien suchen, und man als Erwachsener sie entweder unterstützen oder ignorieren kann. Und was herauskommt, je nachdem.
Doch ich muss meine Erfahrungen noch mit einigen Punkten vervollständigen:
Da hätten wir noch das Thema der Religion. Zwei Zitate habe ich in meiner Erinnerung parat. Erstens: „Der Islam ist eine Religion des Friedens. Warum sind so viele Menschen in meinem Land böse? Die Christen zeigen die wahre Menschlichkeit.“ Zweitens: „Maria war Jungfrau? Mohammed hat den Mond gespalten? Wer glaubt schon an sowas! Jesus und Mohammed waren beide gute Typen, die wollten, dass die Menschen nett zueinander sind.“ So. Das war’s mehr oder weniger. Ich erlebe indirekt mit, dass sehr wohl die meisten gläubig sind. Aber keiner spricht mich darauf an. Keiner bekehrt mich, keiner belehrt mich. Tatsache. Ende.
Und unser Schnitzel? Ich koche für meine österreichischen Freunde vegetarisch, laktosefrei, ohne Weizen, etc. - das ist ganz schön anstrengend. Von daher ist es mir auch schon „Blunzn“ oder „Wurscht“, ob jemand Schweinefleisch isst oder nicht. Aber warum erwähne ich das eigentlich? Es hat mir noch niemand gesagt, dass ich kein Schwein essen soll. Ich weiß, dass die meisten meiner Schüler keines essen. Und sie wissen, dass ich es esse. Basta. Können wir also zur Nachspeise übergehen?
Ich hatte auch schon welche zu mir zum Essen eingeladen. Da haben sie nachher unaufgefordert meinen Geschirrspüler eingeräumt. Zum gemeinsamen Zeitverbringen nehme ich sie natürlich auch in meinem Auto mit – ich am Steuer, ich Frau. Überraschungseffekt? Keiner. Sie finden mein acht Jahre altes Auto toll, und hätten eines Tages auch gerne einen Führerschein. Ans Anschnallen muss man sie erinnern – Jungs eben.
So, und das alles ist keine Theorie, das ist Wirklichkeit. Es gibt auch andere Wirklichkeiten. Ich möchte bei den Wirklichkeiten bleiben und nicht bei Theorien. Ich kann auch nicht beantworten, was mit „denen ist, die sonstwas machen“. Ich kenne „denen“ nicht. Dass ich für Einhaltung von Gesetzen, Gleichberechtigung der Frau, Gewaltfreiheit bin, sollte selbstverständlich sein. Ich stand nur im Kontakt mit über 100 Asylwerbern in über 6 Monaten noch nie vor einer solchen Problematik. Ich will nichts ignorieren, ich will nichts beschönigen. Ich erlebe nur, und was ich bisher erlebt habe, war hier zu lesen.