Sind wir ihnen also wieder aufgesessen, den Verführern! Ein blauer Kandidat hat über 35 Prozent bei der Wahl zum Bundespräsidenten der Republik Österreich abgeräumt. In Wahrheit wurde natürlich nicht für Norbert Hofer gestimmt, sondern gegen die Regierungsparteien und für Parteiführer HC Strache. Eine Stimme für Hofer ist eine Stimme für Bundeskanzler Strache bei den nächsten Nationalratswahlen. Das ist sein einziger Existenzgrund. Die Hauptaufgabe eines möglichen BP Hofer wäre mit der Angelobung von Strache erledigt. Für die Zeit danach ist nur mehr Durchwinken jeder Grausligkeit angesagt, egal ob der Verfassungsgerichtshof sie danach wieder aufhebt oder gleich gar nichts mehr zu sagen hat. Vorbilder gibt es ja genug, in Polen, in Ungarn. Orbánaustria. Willkommen im Wunderland, Alice, wo ausschließlich kraft deines Geburtsortes die blauen Füllhörner über dir ausgeschüttet werden. Versprochen!
Die Lüge von der Kleinheit
Die FPÖ hat ein einfaches Rezept: "Die da draußen" sind an allem schuld und wenn wir sie draußen halten, gibt es das soziale Paradies für alle. Wie, das bleibt wie alle außer Allerweltsantworten natürlich offen. Ebenso, wie sich die rund 20 Milliarden blauen Hypo-Schäden auf dieses Paradies auswirken werden. Die sind vergeben, vergessen. Denn der Traum lebt. Der, dass eine Mauer dieses Land von der großen bösen Welt trennen kann. Der Österreicher liebt seinen Schrebergarten. Er möchte ein Schrebergartenland. Hin und wieder redet man über die Hecke hinweg mit den merkwürdigen Nachbarn. Ganz selten lädt man sie zum Grillen ein (Bier dürfen sie natürlich jederzeit vorbeibringen, bevor sie sich zügig wieder über die stolz verteidigten Grenzen nach Hause begeben). Aber der Hauptzweck ist, unter sich zu sein. Dann kann nichts passieren denn das Böse kommt immer und ausschließlich von außen.
Über all das wacht ein starker Mann, der jeden, der die Kleingartenanlage betreten will, wieder verscheucht. Die Genehmen, Eingeborenen, sind von vornherein verdächtig, bis die Unschuld durch überwachtes Wohlverhalten tagtäglich aufs Neue bewiesen wird.
Dass diese Denkweise und verlogenen Heilsversprechen beim Wähler funktionieren, ist ein klares Zeichen für gelebte Bildungsmisere. An österreichischen Schulen existiert zwar ein Lehrplan, aber wichtige Dinge wie größere Zusammenhänge fallen durch den Rost. Die Schüler sind überfordert zwischen Lehrplan- Schwachsinnigkeiten und FacebookTVYoutubeMinecraftTwitter, die Lehrer entweder unwillig oder knapp am selbst gefühlten Burnout. Zeit und Lust, Zusammenhänge zu verstehen anstatt Dinge stur auswendig zu lernen, gibt es nicht. „Ich muss das nicht wissen!“ ist geflügeltes Wort. Es ist tatsächliche Denkweise unter Jugendlichen. Das wird nicht abgeprüft, das muss ich nicht wissen. Und ich will es auch nicht wissen, weil es wertvoll Konsumzeit wegnimmt. Wer hört sich schon gern fade Geschichten aus der *gääääähn* Vergangenheit an, Dinge, bei denen man mitdenken muss, wenn auf Facebook in der selben Zeit 500 großartige Lebensweisheiten und 2000 Katzenbilder gepostet werden. Mehr braucht es nicht. Den Eltern gefällt das auch, denn so muss man sich nach einem langen Arbeitstag nicht mehr mit dem eigenen Nachwuchs auseinandersetzen. Stimmen dann die Noten nicht, ist selbstverständlich die Schule dran schuld. Aber zum Glück sind Noten ja nicht wichtig. Hauptsache, die Rechte passen und sind ab dem frühen Kindergartenalter bekannt. Alles dürfen, nichts müssen. Greif mich an und ich zeige dich an, Mama. Daran sind Kinder aber nicht selbst schuld, das liegt an einem auf systematische Verblödung ausgerichteten Bildungssystem, das eine duale Botschaft von totaler Verweichlichung und beinhartem Leistungsdruck ohne Sanktionsmöglichkeiten vermittelt. Perspektiven ergibt das keine. Die große Überraschung kommt am ersten Arbeitstag. Die nächste Generation eifersüchtiger und ob ihrer eigenen Dummheit stolzen Schrebergartler wächst heran. Sie werden für eine blaue Absolute sorgen, da jedes kritische Denken von klein auf im Keim erstickt wird. Es gewinnt, wer am lautesten Versprechen in die Welt brüllt.
Und dann?
Was hat das mit Norbert Hofer zu tun? Vieles. Denn Hofer ist ein guter Verführer. Seine oberflächlich ruhige Art wird durch die blaue Propagandamaschine zum notwendigen Gebrüll verstärkt, ohne ihn selbst als Schreier dastehen zu lassen. Er sagt oberflächlich vernünftige Dinge, verspricht hintenrum Stacheldraht um Köpfe und Parzelle. Er kündigt nebenbei auch einen Putsch an (Regierung entlassen, wenn sie ihm nicht passt und seines Herrn und Meisters Umfragewerte stimmen), trägt die Kornblume im Parlament (ein Zeichen der verbotenen NSDAP, bevor ebenjene die Macht in Österreich übernahm) und droht ganz öffentlich damit, dass sich manche wundern werden, wenn „sie“ erst an der Macht sind (vergleiche Jörg Haider sinngemäß zu Gegendemonstranten: „Ihr da hinten werdet die Luft noch zum Arbeiten brauchen, wenn wir einmal an der Macht sind“).
Dem Volk ist das egal. SPÖ und ÖVP werden abgewatscht, obwohl oder gerade weil sie keine anderen Rezepte gegen das blaue Dauergebrüll finden, als den schrillen rechten Forderungen in etwas abgemilderter Form hinterherzudackeln. Die Strategie ist allerdings so verwaschen, dass sich Rot und Schwarz heute sehr schwer tun, auch kleine Erfolge zu kommunizieren. Aufgrund des Naturells der Österreicher und der Macht rechter Medien gilt die FPÖ noch immer als Protestpartei. Dass man auch Grün oder durch die NEOS protestieren könnte, ist irrelevant, obwohl beide weder des Hasses verdächtig noch massenhaft der Korruption angeklagt sind.
Egal, wie die Stichwahl am 22. Mai ausgeht. Fakt ist: Sie sind wieder da. Das nächste Kapitel wird aufgeschlagen, während das letzte noch immer bei Gericht ein- und ausgeht. Bewiesene Inkompetenz wird aufgewogen durch glühenden Hass. So läuft das im Kleingartenverein Österreich.