Geschmäcker der Kindheit. Lasst die Kinder essen, was sie wollen!

Das frischgebackene, knusprige Brot, auf dem die Butter zerrinnt. Vollreife Tomaten aus Opas Garten, direkt vom Strauch gegessen.Muttis Grillhenderl mit viel frischem Rosmarin. Das sind einige meiner kulinarischen Erinnerungen an die Kindheit. Und das alles sind Geschmäcker, die mich ein Leben lang begleiten. Und immer wieder glücklich machen können. Denn diese ganz frühen lustvollen Geschmackserlebnisse prägen sich besonders ein und stehen ein Leben lang für bestimmte einmal erlebte Gefühle. So erinnert mich der Duft von getoastetem Striezel immer an das Gefühl der Geborgenheit beim Sonntagsfrühstück meiner Kindheit. Oder der Duft einer warmen Leberkäsesemmel an die fürsorgliche Liebe meiner Großmutter, die nie vergaß, für mich eine mitzunehmen. Oder der Geschmack frischer Zuckererbsen an die zufriedene Heiterkeit meines Großvaters, wenn er in seinem Garten arbeitete.

Wir verbinden Erinnerungen nicht nur mit Bildern, sondern zumeist auch mit bestimmten Geschmäckern und Gerüchen. Deshalb finde ich es auch so wichtig, Kinder möglichst viele unterschiedliche Speisen kosten zu lassen. Ihnen zu zeigen, wie man etwas genussvoll isst. Wie man sich an den Farben und Formen unserer Lebensmittel erfreuen kann. Welche Vielfalt an Kräutern, Beeren und Pilzen in der Natur zu finden ist. Einfach zu zeigen, wie schön Genießen sein kann. Erinnern Sie sich noch an den Lieblingsgeschmack Ihrer Kindheit?

Das ist sicher auch heute noch ein besonderer Gaumenkitzel für Ihre Seele! Oft höre ich Leute jammern: „Mein Gott, die Kinder, was die essen! Alles nur Junk-Food. Am liebsten jeden Tag Pommes und Pizza! Grauenhaft!“ Finde ich nicht! Ich finde, Kinder haben oft ein sehr genaues Gespür dafür, was gut für sie ist und was nicht. Wenn man sie lässt. Ich bin dafür das beste Beispiel. Als ich noch klein war, hat meine Mutter in dem Glauben, Leber sei eine wichtige Eisenquelle für uns Menschen, versucht, mir Leber in den unterschiedlichsten Formen schmackhaft zu machen. In Knöderln, in Aufstrichen, gebacken. Nichts hat genützt. Alles habe ich ausgespuckt. Auch zum Beispiel Tomaten – keine Chance, dass ich die gegessen hätte.

Und jetzt raten Sie mal, was ich heute am liebsten esse? Genau: Leber und Tomaten. Das hat sich von selbst ergeben. Ich habe als Kind diese Nahrungsmittel einfach nicht wollen. Mein Vater dagegen verlangte von mir nie etwas zu essen, was mir nicht schmeckte. Er bestand nur darauf, fremde und neue Speisen zumindest einmal zu kosten, um sie wirklich beurteilen zu können. Auch im Restaurant. Hat es mir wirklich nicht geschmeckt, durfte ich etwas anderes bestellen. Und unsere Geschmackspapillen entwickeln sich. Also verändern sich auch unsere Vorlieben in Bezug auf Speisen. Das sollte man ganz ruhig und entspannt wachsen lassen. Wichtig ist nur, dass man den Kindern die Möglichkeit zum Ausprobieren gibt. Und auch die Möglichkeit, etwas, das nicht schmeckt, abzulehnen. Dann können Kinder ihre angeborene Neugierde auf alles Neue ausleben und ihren „Geschmackshorizont“ erweitern. Und darum geht’s doch schließlich: wann immer möglich nur das zu uns zu nehmen, was uns schmeckt und gut für uns ist.

Kinder haben noch dieses feine Gespür für den eigenen Körper. Sie fühlen instinktiv, was sie brauchen und was gut für sie ist. Das ist so ein wertvolles Gut. Viele Erwachsene könnten sich aufwendige Diäten und sonstige Kasteiungen ersparen, hätten sie noch dieses instinktive Ge- fühl für ihren Körper. Der uns zumeist ganz genau sagt, wann er was und wie viel von etwas braucht. Nur hören wir nicht immer auf ihn. Und das ist sicher ein großer Fehler. Also seien Sie bitte nicht böse, wenn Ihr Kind das Lieblingsgericht von Papa nicht so toll findet. Ist vielleicht derzeit nicht ganz das Richtige. Aber das kann sich jederzeit ändern, wenn man keinen großen Wirbel darum macht.

(Foto: ACP prod/fotolia)

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