Notre-Dame und das morsche christliche Abendland

https://www.unesco.de/kultur-und-natur/welterbe/welterbe-weltweit/verheerender-brand-am-unesco-welterbe-notre-dame-paris

https://de.wikipedia.org/wiki/LZ_129#/media/File:Hindenburg_disaster.jpg

Es gibt Bilder, deren Macht von beinahe biblischer Nachhaltigkeit sich ins Kollektiv-Gedächtnis der Menschheit einbrennen:

Am 6. Mai 1937 explodierte das größte Luftfahrzeug der Menschheitsgeschichte, der Zeppelin "Die Hindenburg", nach einem zweitägigen Atlantik-Flug beim Landeanflug im amerikanischen Lakehurst.

Am 14. April 1912 kollidierte das damals größte und luxuriöseste Passagierschiff der Welt, die Titanic, während einer Atlantiküberquerung im eisigen Nordatlantik mit einem Eisberg und sank innerhalb von 2 Stunden und 40 Minuten.

Es wurde viel geschrieben über die (im Nachhinein) schier unglaubliche Verkettung von Zufällen und Nachlässigkeiten, die zu diesen Katastrophen führten. Darum geht es jetzt aber gar nicht. Viel wichtiger ist aber, dass nach diesen Ereignissen die Welt nicht mehr so sein konnte, wie sie vorher war. Dass sie etwas zu Ende gebracht haben, was vorher bereits morsch geworden war.

Sowohl die "Hindenburg" also auch die "Titanic" symbolisierten den Niedergang einer allumfassenden Technik-Allmacht-Gläubigkeit. Und beide Katastrophen warfen ihre Schatten voraus auf zwei kulturelle Untergänge des Abendlandes: Genau zwei Jahre und dreieinhalb Monate nach der "Titanic", am 28. Juli 1914, taumelte das alte Europa in einen Weltenbrand, den Ersten Weltkrieg. Von diesem Alptraum hat es sich nie wieder richtig erholt. Ebenfalls zwei Jahre und vier Monate nach der "Hindenburg" löste Adolf Hitler mit seinem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus.

Am 15. April 2019, gegen 18,50 Uhr, eine Stunde vor der staatstragenden Ansprache des französischen Staatspräsidenten Macron, nur eine Woche vor Ostern, dem höchsten liturgischen Fest der Christenheit brach in der weltberühmten Kathedrale Notre-Dame ein Feuer aus, das sich rasend ausbreitete. Und nur einen Monat vor den bevorstehenden EU-Wahlen.

Wir wissen noch nicht, welche politischen Ereignisse man mit dieser Katastrophe ursächlich in Verbindung bringen wird können. So viel steht aber jetzt schon fest: Die Welt wird danach eine andere sein. Wie wird sie in zweieinhalb Jahren wohl aussehen?

Denn Notre-Dame steht wie kein anderes Bauwerk für Macht, Größe, Herrlichkeit und nachhaltiges Beharrungsvermögen des christlichen Abendlandes. Teile seines Dachstuhls stammen aus dem 13. Jahrhundert.

Man muss kein Apokalyptiker sein, um zu erkennen, dass hier mehr abgebrannt ist als eines der kostbarsten Juwelen der Menschheits-Architektur. Der unfassbare Schrecken wäre derselbe, wenn es den Taj Mahal in Indien, die Kaaba in Mekka getroffen hätte.

Es ist, als hätte hier ein (des Glaubens an sich selbst und seine Zukunft) verlustig gegangenes christlich-abendländisches Europa aus autogenem Kulturhass selbst die Flammen an sich gelegt. Oder aber auch aus purer nachlässiger Indifferenz sich selbst gegenüber. Wie wäre es sonst zu erklären, dass man bei einem solch eminent bedeutenden Symbol nicht einmal willens war, während laufender Renovierungsarbeiten Feuerwachen aufzustellen?

Zweieinhalb Stunden nach Brandausbruch lief eine Breaking-News-Schlagzeile um die Welt: "Es wurde bestätigt, dass zumindest eine heilige Reliquie, ein mutmaßlicher Teil der Dornenkrone von Jesus Christus gerettet werden konnte."

War das bisher für linke EU-Politiker wichtig gewesen? Aufschlussreich sind auch deren Trauer-Bekundungen. Denn sie lassen tief blicken:

"Notre-Dame gehört der ganzen Menschheit. Welch trauriger Anblick." (EU-Kommissionspräsident Juncker)

"Notre-Dame von Paris ist Notre-Dame von ganz Europa." (EU-Ratspräsident Tusk)

"Notre-Dame ist ein Symbol Frankreichs und unserer europäischen Kultur." (Regierungssprecher Seibert, BRD)

"Ich bin traurig, diesen Teil von uns brennen zu sehn." (Macron)

"Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge." (Schopenhauer)

Selbst der bekennende Atheist, der Grüne Bundespräsident Van der Bellen, war um Worte bemüht: "Schreckliche, verstörende Bilder aus Paris: Die großartige Kathedrale Notre-Dame brennt."

Erinnern Sie sich noch an folgenden gespenstischen Dialog? Mit zynischem Unterton mokierte sich derselbe VdB über das christliche Europa in Hinblick auf die Refjutschie-Krise 2015:"Wenn wir uns schon christliches Abendland nennen, haben wir auch die Verpflichtung zu helfen."

Hofer: "Das christliche Abendland nehme ich Ihnen nicht ab. Sie glauben nicht an Gott."

VdB: "Ich glaube an die Menschenrechte." (21.11.2016 – Wahl-Konfrontation)

Knapp vor Anbruch des 20. Jahrhunderts stellte Friedrich Nietzsche Europa eine katastrophale Diagnose:

"Unsre ganze europäische Kultur bewegt sich seit langem schon mit einer Tortur der Spannung, die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wächst, wie auf eine Katastrophe los: unruhig, gewaltsam, überstürzt: einem Strom ähnlich, der ans Ende will, der sich nicht mehr besinnt, der Furcht davor hat, sich zu besinnen." (Nietzsche)

Zur Einsicht braucht es eben immer nach einem Schrecken ohne Ende: ein Ende mit Schrecken. "Nach Leiden und Verlusten werden die Menschen bescheidener und weiser." (Franklin) – In der Nacht dieses 15. Aprils 2019 sah man in den Straßen des laizistischen Paris plötzlich wieder Menschen b e t e n!

Seltsam freilich auch, dass sich gerade jetzt links-libertinär-zynische EU-Politiker um das Erbe des christlichen Abendlandes Sorgen in Form von Krokodiltränen machen. Vielleicht haben sie aber doch begonnen, sich endlich zu besinnen:"Oft verliert man das Gute, wenn man das Bessere sucht." (Metastasio)

Um 22,58 Uhr ging ein Aufatmen durch die Welt: "Die Struktur von Notre-Dame ist offenbar gerettet: Die gotische Kirche könne ’in ihrer Gesamtheit erhalten‘ werden." (Einsatzleiter)

Rainer Maria Rilke schrieb in der ersten seiner Duineser Elegien (1912-1922): "WER, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen? … Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich."

Um 23,49 Uhr verkündete Macron beinahe siegessicher: "Das Schlimmste ist nicht eingetreten sind. Fassade und Tragwerk sind gerettet. Wir werden diese Kathedrale wieder aufbauen. ...Und jeder wird glücklich sein, ein Stück dafür beizutragen."

Ob Macron die Duineser Elegien gelesen haben mag?

Der Schrei von Notre-Dame hat aus "der (Gleichgültigkeit der) Engel Ordnungen" heraus dieses Mal aber auch die (der abendländisch-christlichen Kultur) indifferent Gegenüberstehen wachgerüttelt. Doch wird deren Besinnung darüber weniger nachhaltig sein als der Schrecken über die zu erwartenden Ergebnisse der bevorstehenden EU-Wahlen.

Denn vielleicht könnten diese von der Einsicht des Souveräns getragen sein, dass das christliche Abendland für die Macrons genauso viel Wert bedeutet wie für den französischen König Heinrich IV: "'Paris ist eine Messe wert."

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