Wenn man etwas nicht glauben will, muss es gefälscht sein:
Die sozialen Netzwerke laufen über mit Stimmen von Schwurblern, die viele Bilder der Proteste für nicht echt halten.
So ein Quatsch!
"Bestellte Massen", "Bildmanipulation" und generell alles Fake News: Für AfD-Rechtsaußen Björn Höcke ist an den Menschenmassen auf den Protesten gegen rechts, für die sich schon die ganze Woche zahllose Menschen auf den Straßen versammeln, nichts dran. Ihm stimmen rechte Schwurbelkreise und weitere Ungläubige lauthals zu – teilweise mit haarsträubenden Argumenten.
Immer wieder im Fokus stehen die Bilder aus der Hansestadt, denn in Hamburg hatten sich am Freitag über 80.000 Menschen am Jungfernstieg versammelt und gemeinsam gegen Rechtsextremismus demonstriert. Die Bilder wirken offenbar so beeindruckend auf Höcke und Co., dass man sich nicht anders zu helfen weiß, als mit allen Mitteln zu versuchen, die großen Massen kleinzureden.
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Höcke schreibt auf X, vormals Twitter: "Bestellte Massen demonstrieren gegen die AfD. Doch bei den in den Medien veröffentlichten Bildern fallen inzwischen zahlreiche Fälle von Bildmanipulationen auf. Warum haben sie das nötig?" Da hilft es auch wenig, dass die Deutsche Presseagentur, von der das erwähnte Bild stammt, selbst die Echtheit bestätigt. Wie auch? Für einen Björn Höcke stecken die Medien doch bestimmt alle unter einer Decke!
Das Problem mit der Perspektive
Immer wieder tappen die Schwurbler dabei in zwei hochnotpeinliche Fallen. Dem obigen Bild wird zum Beispiel vorgeworfen, dass es ja wohl offensichtlich sei, dass man Menschen in der Alster stehen (links) sehe. Das ist natürlich völliger Quatsch. Denn schaut man sich das gleiche Bild aus einer etwas anderen Perspektive an, sieht man sehr gut, dass das Wasser während der Demonstration frei von Winterschwimmern war. Ungewollt offenbart Höcke mit diesem Tweet ein tiefgreifendes Problem, das er und seine Anhänger teilen:
Wer nur eine Perspektive hat, sieht nie das große Ganze.
Das ist das eigentliche Problem für die Industrienation Deutschland. Wir haben inzwischen zu viele, die schon an einfachster Mathematik, Naturwissenschaft und Logik scheitern aber das nicht mal mehr merken.
Noch eine Spur amüsanter wird es aber, wenn man sich den kläglichen Versuch anschaut, die Bilder aus Hamburg aufgrund von Änderungen der Eisdecke der Alster zu erklären. Damit trat die selbsternannte Medienpersönlichkeit Ali Utlu in ein dickes Fettnäpfchen. Der ursprüngliche Tweet ist inzwischen gelöscht, aber das Internet vergisst nie – Kopien liegen also zahlreich vor, auch der stern-Redaktion.
Utlu, der laut X-Post "#Lautgegenlinks" ist und "Germany unwoke again" machen möchte, veröffentlichte zwei Bilder aus Hamburg. Auf einem Bild waren einige Eisrückstände auf der Alster zu erkennen, die Anzahl der Menschen war vergleichsweise gering. Das Bild entsprach für ihn den Tatsachen. Auf dem zweiten Bild, auf dem kaum noch Platz für weitere Demonstrierende zu sehen ist, war das Wasser dann klar. Für Utlu war die Sache damit eindeutig: Jemand hatte das Eis aus dem Foto genommen und Menschen hinzugefügt. Auf die Idee, dass ein zeitlicher Unterschied der Aufnahmen für beide Änderungen verantwortlich sein könnte, kam er nicht. Kaum zu glauben, dass Herr Utlu offenbar noch nie einen Eisbecher genießen durfte, bei dem er das Phänomen schmelzenden Eises hautnah hätte erleben können.
Auf den Hinweis, dass der Tweet selten dämlich gewesen sei, entgegnete er: "Dann ist das so. Und?"
Aber genau hier ist das Problem: Wie soll eine faktenbasierte Debatte entstehen, wenn mindestens einer Seite die Wahrheit so egal ist? Hinter dem "Und?" steckt so viel mehr, als ein kleiner Fehltritt. Es ist die Bereitschaft Zehntausende Menschen (Utlu folgen aktuell 85.569 Accounts) ungeprüft in die Irre zu führen und ebenso die Stimme Zehntausender Demonstranten möglichst kleinzureden, gar für eine Fälschung zu erklären. Gleiches gilt für Höcke.
Eine Seite hat definitiv Panik – aber es sind nicht "die Linken"
Und immer wieder wird Kritik an den gestreuten Falschinformationen als persönlicher Angriff und politische Kampagne gewertet. Viel Geschrei, wenig Inhalt. Dabei sind Tweets wie dieser, wieder von Utlu, beinahe entlarvend. Er schreibt: "Linke können gerne jeden beschimpfen, sich überlegen fühlen und jeden Brandmarken, als Populist, Nazi, Rechten etc. Aber sie verlieren gerade. Sie haben Panik und diese Panik kann man fühlen."
Die vielen, wirklich billigen Versuche, die Arbeit und Demonstrationsbereitschaft derer zu diskreditieren, die gegen rechts, gegen "Remigration", gegen AfD-Geheimtreffen, gegen Antisemitismus und gegen Menschenfeindlichkeit jedweder Art auf die Straße gehen, sprechen eine andere Sprache. Sie zeigen, dass das rechte Lager offenbar Panik hat und vollkommen überfordert damit ist, wenn die demokratische Mehrheit der Gesellschaft auf die Straße geht und den Schreihälsen zeigt: Wir sind mehr. Viel mehr.
(teilweise aus dem Stern)