Der Fall des libyschen Generals Najeem Osama Almasri Hoabish, dem vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag schwere Verbrechen wie Mord, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen werden, hat in Italien einen politischen Skandal ausgelöst. Almasri wurde am 18. Januar in Turin verhaftet, nachdem er mit vier Pässen über London und Deutschland nach Europa eingereist war. Der IStGH hatte einen internationalen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt.
Statt Almasri an den IStGH in Den Haag auszuliefern, wurde er nur 60 Stunden später mit einem Geheimdienstjet nach Tripolis zurückgeflogen. Italiens Justizminister Carlo Nordio begründete dies mit der Behauptung, das Ministerium habe den 40-seitigen, englischsprachigen Haftbefehl am Wochenende nicht schnell genug übersetzen können. Zudem sei Almasri eine Gefahr für Italien gewesen, obwohl er seine Taten nicht in Italien begangen hatte und sich bereits in Haft befand.
Die Freilassung löste nicht nur Empörung bei den Opfern Almasris und der Opposition aus, sondern warf auch Fragen nach den wahren Motiven der italienischen Regierung auf. Drohungen aus Libyen, die italienischen Energieinteressen anzugreifen, falls Almasri nicht freigelassen würde, kamen auf. Almasri befehligte eine Miliz, die Migranten gefangen hält und mehrere Gefängnisse mit Tausenden von Insassen kontrolliert.
Ein besonders brisanter Aspekt des Skandals ist die Enthüllung, dass die italienische Regierung Journalisten und Aktivisten, die sich mit Migration befassen, mit der Spionagesoftware "Graphite" überwachen ließ. Mindestens 90 Handys von italienischen Journalisten und Aktivisten wurden mit der Software der israelischen Firma Paragon infiziert. Zu den Ausspionierten gehörten der Direktor des investigativen Online-Newsmagazins "Fanpage" und der Missionschef einer privaten Seenotrettungsorganisation. Auch ein Mann, der Hilfe für Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Sudan organisierte, war betroffen.
Diese Enthüllung wirft ein Schlaglicht auf die Bemühungen der italienischen Regierung, Informationen über ihre Migrationspolitik und die Beziehungen zu libyschen Milizen zu kontrollieren. Die Überwachung von Journalisten und Aktivisten, die kritisch über diese Themen berichten, deutet auf den Versuch hin, unbequeme Berichterstattung zu unterdrücken und die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Die Spionagesoftware "Graphite" ist dafür bekannt, dass sie umfassenden Zugriff auf die überwachten Geräte ermöglicht, einschließlich des Abfangens von Nachrichten, des Zugriffs auf Fotos und Videos sowie der Ortung des Geräts. Die israelische Firma Paragon, die die Software herstellt, hat den Vertrag mit der italienischen Regierung nach Bekanntwerden des Spionageangriffs gekündigt. Paragon verkauft seine Software nur an demokratische Regierungen und hat sich von den Handlungen der italienischen Regierung distanziert.
Der IStGH hat Italien aufgefordert, die Nicht-Auslieferung Almasris zu erklären. Im Gegenzug hat Roms Regierung einen Appell von 79 Ländern nicht unterschrieben, der US-Präsident Donald Trump um eine Rücknahme der angekündigten Sanktionen gegen den Gerichtshof bittet.
Ein weiteres Motiv für Almasris Schonung war seine Rolle in Libyen: Der von ihm befehligte Clan "Rada" verfügt über eine Miliz, die seit Jahren im Kampf gegen Migranten eingesetzt wird. Die Miliz beaufsichtigt insgesamt drei Gefängnisse mit etwa 15.000 Insassen. Almasri leitet davon das Mitiga-Gefängnis, entscheidet dort über Leben und Tod, wie die Den Haager Ermittler schreiben. Doch darüber wollte Italiens Premierministerin Giorgia Meloni selbst nicht öffentlich sprechen. Deswegen musste Carlo Nordio in die Bütt und hanebüchenen Unsinn erzählen, gewürzt mit Angriffen auf eine vermeintlich "links-politisierte" Richterschaft.
Zum Weiterlesen, wobei ich mir sicher bin, dass die Hälfte auf FuF diesen Artikel feiern wird: https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/libyen-massengrab-100.html