Warum der Albedo-Effekt uns alle angeht.

Arktisches Meereis: Das nächste Kippen

An den Polen erhitzt sich die Erde deutlich schneller als etwa am Äquator, weshalb es in Arktis und Antarktis längst zu Tauen begonnen hat: Rund um den Nordpol geht das Eis seit Jahren zurück, 2022 brachte die drittgeringste Meereisbedeckung am Nordpol, die jemals gemessen wurde. Diese Meereisbedeckung gilt in der Wissenschaft als ein Kippelement: Die hellen Eisflächen haben einen deutlich höheren Rückstrahleffekt als die dunklere Wasseroberfläche. Dieser sogenannte Albedo-Effekt macht die Entwicklung unaufhaltsam: Ist das Eis einmal verschwunden, reflektiert das darunter liegende dunkle Wasser viel weniger Sonnenstrahlen.

Man kann das gut mit einem Spiegel illustrieren: Helles Meereis wirft wie ein solcher sehr viel Energie in den Weltraum zurück. Ohne dieses "Spiegeleis" dringt die Sonnenenergie in den dunkleren Ozean ein. Im arktischen Sommer scheint die Sonne rund um den Nordpol 24 Stunden am Tag. Geht die Eisfläche zurück – "der Spiegel" – heizt sich das Wasser immer weiter auf, was noch mehr schwimmendes Eis auf dem Ozean schmelzen lässt und dadurch noch mehr Sonnenenergie in den Ozean gelangt. Ein Teufelskreis.

Mit Auswirkungen für unser Wetter: Die arktische Meereisbedeckung bestimmt entscheidend die Kraft des Jetstream. Wie eine endlose Sinuskurve mäandert dieser Höhenwind von West nach Ost über die Nordhalbkugel und bestimmt so unser Wetter. Angetrieben wird der Jetstream wie jeder Wind von einer Temperaturdifferenz, die Druckunterschiede erzeugen: in diesem Fall jener zwischen Tropen und Nordpol. Weil der Nordpol aber immer wärmer wird, verliert der Jetstream seine Kraft – und mäandert eben manchmal nicht mehr.

Wir müssten ergo hoffen, dass sich die arktische Eisbedeckung wieder schließt, statt immer weiter abzutauen – und der Jetstream so wieder mehr Kraft gewinnt. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie Arbeiten von Forschern der Pohang University of Science and Technology in Korea ergaben: Demnach läuft das Abtauen in der Realität wesentlich schneller, als von den Klimamodellen prognostiziert, das Meereis der Arktis könnte schon in den 2030er-Jahren im Sommer fast völlig verschwinden. Das ist zehn Jahre früher, als Klimamodelle bisher voraussagten.

https://www.spektrum.de/news/meereis-ist-die-arktis-schon-im-naechsten-jahrzehnt-eisfrei/2148252

https://www.nature.com/articles/s41467-023-38511-8

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Leitwolf

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