Was ist los in unserem Staate, Teil 2, Jahre danach. Was gibt es Neues?

Ganz ehrlich... ich denke viel nach über unsere Bundesregierung; und ich bin kein "Fan", doch ich kann vieles nachvollziehen aus der Sicht derer, die ein materialistisch-mechanistisches Menschenbild haben. Der Paradigmenwechsel hat uns ja schon lang. Die gesellschaftspolitische Entwicklung ist immer dort am besten zu beobachten, wo es am meisten "menschelt": in Ehen, Partnerschaften, Familien, dort, wo Menschen mit Kindern leben und arbeiten.

Als Frau, als Mutter und als pädagogisch Tätige kann ich regelmäßig ziemlich zornig werden, wenn es um die Rahmenbedingungen im Bildungs- und Betreuungsbereich geht. Es ist aber mittlerweile ein "heiliger Zorn", und nicht so sehr mein individueller Zorn - und genau darum bin ich vorsichtig damit, wie viel Aufmerksamkeit und Zuwendung diese Themen erhalten. Je klarer ich erkennen kann, wie oberflächlich politisch Tätige (wohl aus Selbstschutz!) sich diesen mitmenschlichen Themen widmen, desto gesünder ist das für mein eigenes Wohlbefinden und desto besser kann ich Worte finden dafür.

Sicher, der Turbokapitalismus hat uns alle - die einen mehr, die anderen weniger. Strampeln tut wohl fast jede und jeder. Manche eben trainierter und geübter, und manche entschleunigter. Je nach Prioritätenliste und nach persönlicher Weltanschauung setzen sich Menschen auf ihre je unterschiedliche Art und Weise mit sich selbst und mit ihrer Welt auseinander. Was mir auffällt: viele jammern und klagen, wie unklug und ineffizient die "Systeme" gestaltet sind, aber die wenigsten haben den Mut, Nein zu sagen und ungehorsam zu sein. Dabei wäre in vielen Belangen Ungehorsam genau jetzt angebracht.

Aber zurück zu unserer werten Bundesregierung: ich würde keine Politikerin sein wollen, darum bin ich grundsätzlich dafür, alle Menschen, die sich für diesen Job zur Verfügung stellen, zu achten und zu würdigen, ganz egal, welcher Couleur diese Menschen angehören. Abgesehen davon sollte es ja ums "Große Ganze", nämlich um den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer Demokratie gehen.

Doch auf welchem Menschenbild beruht diese Demokratie? Der Turbokapitalismus hat ein mechanistisches Menschenbild als Basis. Die Demokratie beruht auf einem humanistischen ganzheitlichen Menschenbild. Hier sind auch Gefühle und das Unbewusste ein wesentlicher Teil. Wer mit Menschen arbeitet, und wer schon einmal über sich selbst aufrichtig und ehrlich nachgedacht hat, weiß, dass die Macht der Gefühle nicht zu unterschätzen ist. Aber wir machen einen Fehler: weil wir die Gefühle zu sehr mißachten und links (ein Zufall?) liegen lassen, kommen sie noch geballter daher, na klar! Was der eine unterdrückt, wird vom anderen ausgedrückt (der "Vater" dieses Gedanken ist wohl oder übel unser guter alter Sigmund Freud), sprich: das Pendel schlägt in die andere Richtung aus. Die Gefühlsangelegenheiten werden nun also von esoterischen Supermarktketten gepachtet, und Gefühle sind ja überhaupt nur etwas für Sozialromantiker.... oder? Dabei ist es klar, schon lange, und das, was sogenannten Bildungsexpertinnen behaupten, haben schon zahlreiche kluge Köpfe vor langer, langer Zeit erkannt: der Mensch ist nicht nur ein Verstandeswesen, es braucht beides, Verstand und Gefühl, und wir lassen uns vorwiegend leiten von unserem Unbewussten.

Ich gehe nicht davon aus, dass alle unsere Politiker regelmäßig zum Analytiker gehen um ihre unbewussten Ziele zu durchleuchten, und um ihre Handlungen zu verstehen. Schade, eigentlich! Die Grundlagen unseres Handelns sind unser Denken und Fühlen, das Tun die Folge von diesem Zusammenspiel. Hier sind wir alle noch recht unterentwickelt und das ist auch nicht weiter schlimm. Wir sind Menschen. Doch es wird dann fatal, wenn wir mehr oder weniger blind und gehorsam unbewussten Glaubenssätzen und Denkmustern folgen und sie mit Kommunikationstechniken zu untermauern versuchen, fernab von jeglichem (mitmenschlichem) Realitätsbewusstsein.

Ich bin sicher, die nationale Schuldenlast gehört eingedämmt. Der Sozialstaat kann nicht ewig nähren. Ich habe lange genug in diesem Bereich gearbeitet, um zu wissen, dass es viele Menschen gibt, die damit Schindluder treiben. Menschen, die zu viel rausnehmen und nichts reingeben in den Topf, die sind aber in Wahrheit meist entmutigt, und auch, wenn sie verwöhnt sind, sind sie ent-mutigt. Zumindest die meisten von ihnen. Menschen, die nicht erfahren, dass ihre Leistungen und ihre Beiträge anerkannt sind und gesehen werden, fühlen sich nicht voll und ganz zugehörig. So haben wir auf vielen, auf fast allen Ebenen in unserer Kultur momentan das Phänomen, dass viele sich nicht als "selbstwirksam" erleben, als Menschen, deren Handeln nichts bewirkt. Das wiederum nagt am Selbstwert.

Die Vertreterinnen unserer Bundesregierung sehen diese Probleme, viele andere sehen sie auch. Doch welches Menschenbild liegt dem zugehörigen Handeln, um diese Probleme in den Griff zu bekommen, zugrunde?

Leider kann ich nicht erkennen, dass ein aufrichtiges Interesse am Menschsein und an der menschlichen Kultur überhaupt besteht. Der funktionsfähige, tüchtige Mensch, die Unternehmerin, die "alles gibt", der Angestellte, der loyal ist und sich aufopfert, der optimal selbstentfaltete Perfektionist und Umsetzer stehen im Vordergrund. Aber alle ticken nicht so, auch welchen Gründen auch immer. Aufgabe des Staates ist, alle Menschen ins Boot zu holen. Demokratie bedeutet Beziehung, Entwickeln von Streitkultur, Konfliktfähigkeit, das Schaffen von Zugehörigkeiten und Sicherheiten und sich bewusst sein: Welches persönliche Bild vom Menschen liegt meinem Handeln zugrunde?

Ich kann sie schon nicht mehr lesen, die weisen und ach so wahren Sprüche: über Kindheit, übers Lernen, über Bildung... irgendwo sind sie immer geschrieben, in tollen Konzepten und Bildungsplänen,aber erstens, wer liest das schon, und zweitens, wie naiv sind wir alle, wenn wir glauben, Vereinbarungen, schriftliches Regelwerk und Predigten würden helfen, ein gemeinsames Miteinander zu gestalten?

Ich war enttäuscht, als ich bei der Frau Minister war, und gehört habe, dass zwar "Digitale Bildung" verordnet wird, und auch Stunden dafür anberaumt werden, aber "Philosophieren mit Kindern" keinen Platz findet. Ich war auch enttäuscht, als ich bemerkte, dass sich keiner dieser Menschen jemals wirklich Gedanken gemacht hatd darüber, wie "Lernen" wirklich funktioniert. Naiv, nicht wahr? Wer sich mit Lernen beschäftigt, geht wohl nicht in die Politik... Nun, so sollten wir akzeptieren, dass Bewegungen und Veränderungen immer von unten nach oben initiiert werden.

Wir sollten akzeptieren, dass Ermutigung, Gleichwertigkeit und die Bereitschaft zum Fehler machen uns Menschen dabei helfen werden, an einem Strang zu ziehen und demokratische Ziele zu erreichen. Demokratie - vom Volke aus, und genau darum geht es - der Weg von der Autokratie zur Demokratie ist noch ein weiter, ein anstrengender. Er beginnt in den Kinderschuhen. Genau dort, wo Menschen das Lernen lernen und Zugehörigkeit erfahren. Demokratie hat mit Würde zu tun, mit Freiheit, aber nicht mit der endlosen, sondern mit der eigenen Freiheit, die dort endet, wo sie den anderen, den Mitmenschen betrifft und dessen Grund-Bedürfnisse irritiert. Darum ist der Mut zum Konflikt wichtig, ohne darauf zu vergessen, dass wir alle gemeinsam in einem Boot sitzen. Darum ist der Dialog wichtig, weil die Konfrontation uns meist erinnert an Trennung, an Nichtzugehörigkeit, und bei den meisten Flucht, Furcht und Rückzug oder Angriff auslöst.

Darum ist es wichtig, dass wir dabei bleiben: der Mensch braucht den Anderen, der Mensch braucht Zeit zum Lernen, zum Wachsen, zum Entwickeln. Der Mensch ist keine Maschine. Der Mensch funktioniert nicht. Der Mensch will gesehen werden und nicht verändert.

Nachsatz: Philosophischer Nachhilfeunterricht für politisch Tätige. Kommunikationsunterricht auf Basis humanistischer und ganzheitlicher Denkansätze. Oder wir bleiben lästig, mutig, ungehorsam und widerständig.

Ich schätze, das letztere wird sich lohnen. In kleinen Schritten. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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nzerr

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Markus Andel

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