Bei der TV-Sendung »Hart aber fair« vom 11.01.16 war allein schon durch die linkslastige Gesprächsrunde vorauszusehen, worauf die Diskussion herauslaufen würde. »Alle Menschen werden Brüder« und »Proletarier aller Länder vereinigt euch«. Das Ganze auf jüdisch-christlichem Substrat gewachsen, auf dem das zarte Pflänzchen der europäischen Demokratie von Schuldbekenntnis, Erbsünde und Vergangenheitsbewältigung genährt schwerlich so erstarken wird, dass es auf Dauer theokratischen Bestrebungen widerstehen wird. Und solche sind doch wohl vorhanden, wo man das Rad der Zeit um 600 Jahre zurückdrehen will.
Im Grunde genommen ist das nicht verwunderlich. Die 28 Mitgliedstaaten waren bis vor Kurzem (gemessen an zwei Jahrtausenden) allesamt Monarchien oder sind es heute noch. Kaiser und Könige beriefen sich auf eine von Gott erhaltene Macht. Wer sich das Europa vor 600 Jahren vorstellt, findet ja in den meisten Ländern genau jene Zustände, die fundamentalistischen Staaten bis zum heutigen Tag anhaften: von den streng hierarchischen Strukturen bis hin zu Kleiderordnungen. Ist man auf dem Alten Kontinent bereit, dies wieder einzuführen? Es grenzt natürlich schon an sträflichen Leichtsinn, eine Völkerwanderung von Menschen zuzulassen, denen man eingetrichtert hat, ihre Weltanschauung sei die einzig richtige und alle andern seien Ungläubige. Sie zerfleischen sich ja gegenseitig schon aufgrund geringfügiger Abweichungen innerhalb ihrer eigenen Glaubensgemeinschaft und werden ihre internen Anfeindungen mitbringen und in den Gastländern weiterbetreiben. Oder zu glauben, sie werden das noch junge friedliche Nebeneinander verschiedenster Religionen in einem laizistischen Staat dauerhaft akzeptieren? Auch im alten Europa wurden religiöse, weltanschauliche und politische Überzeugungen dazu missbraucht, Menschen zu größter Opferbereitschaft anzuhalten. Die Doktrin des Verzichts auf konkretes diesseitiges Wohlergehen zugunsten jenseitiger hypothetischer Vorteile hat in der westlichen Welt und ihren angestammten Religionen, von einigen Ausnahmen (Sonnentempler) abgesehen, wenig Erfolg gehabt. Aber das Heranziehen von Selbstmordattentätern, welche bei der gleichen Gelegenheit »Ungläubige« mitnehmen wollen, trifft in den Herkunftsländern der Migrantenströme und jetzt auch hier in Kreisen der Religionen, auf die sie sich beziehen, auf fruchtbaren Boden. In diesem Sinne spielt Religion als Substrat für bestimmte Verhaltensweisen durchaus eine Rolle. Dazu werden Erfindungen aus ansonsten ständig verteufelten Kulturkreisen bedenkenlos genutzt: Schießpulver, Kommunikationsmittel, Fahrzeuge. Zwar versuchen viele Bildmedien ständig Frauen, Kinder und Alte zu zeigen. Ein Großteil jener, die aus den Booten steigen besteht jedoch aus jungen Männern im dienstfähigen Alter, mit Zigarette im Mundwinkel und Smartphone am Ohr.
Glaubensmäßige Intoleranz hat Europa einst auch gekannt, aber inzwischen hinter sich gelassen (Judenverfolgung, Glaubenskriege, Begriffe wie »Alleinseligmachende«). Noch im letzten Weltkrieg sind junge Männer im dienstfähigen Alter in den von den Nazis besetzten Gebieten in die Résistance untergetaucht oder sind geflohen, um sich in England de Gaulle anzuschließen. Heute soll es anstelle der aus den betroffenen Ländern flüchtenden Dienstfähigen die NATO richten oder sonst eine militärische Großmacht.
Erwähnt wurde auch die »Belastungsgrenze der Gutmeinenden«. Diese wird zurzeit auf eine harte Probe gestellt. Besonders wenn Neuzuzüger aus anderen Kulturen der Meinung sind, die Alteingesessenen hätten sich ihnen anzupassen und die Toleranz mit Schwäche verwechseln.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und der Polizeigewerkschafter Rainer Wendt wurden hart angefahren. Besonders als er aus dem Nähkästchen plauderte und offen bekundete, dass vor lauter Political Correctness eine eigene Sprache herangezüchtet worden sei. Wie recht er hatte, ging schon allein aus der Tatsache hervor, dass das Wort »Flüchtling« ziemlich unbedacht von allen Teilnehmern verwendet wurde. Die Sendung dürfte manchem Fernsehzuschauer noch einige Zeit schwer auf dem Magen liegen.