1
Es ist möglich, daß in unserem Land nicht alles so geht, wie es gehen sollte.
Aber niemand kann bezweifeln, daß die Propaganda gut ist.
Selbst Hungernde müssen zugeben
daß der Minister für Ernährung gut redet.
2
Als das Regime an einem einzigen Tage
tausend Menschen erschlagen ließ, ohne
Untersuchung noch Gerichtsurteil
pries der Propagandaminister die unendliche Geduld des Führers
der mit der Schlächterei so lange gewartet
und die Schurken mit Gütern und Ehrenstellen überhäuft hatte
in einer so meisterlichen Rede, daß
an diesem Tage nicht nur die Verwandten der Opfer
sondern auch die Schlächter selber weinten.
3
Und als an einem andern Tage das größte Luftschiff des Reiches
in Flammen aufging, weil man es mit entzündbarem Gas gefüllt hatte
um das nicht entzündbare für Kriegszwecke zu sparen
versprach der Luftfahrtminister vor den Särgen der Umgekommenen
daß er sich nicht werde entmutigen lassen, worauf
sich lauter Beifall erhob. Selbst aus den Särgen
soll Händeklatschen gekommen sein.
4
Und wie meisterhaft ist die Propaganda
für den Abfall und für das Buch des Führers!
jedermann wird dazu gebracht, das Buch des Führers aufzulesen
wo immer es herumliegt.
Um das Lumpensammeln zu propagieren, hat der gewaltige Göring
sich als den größten Lumpensammler aller Zeiten erklärt und
um die Lumpen unterzubringen, mitten in der Reichshauptstadt
einen Palast gebaut
der selber so groß wie eine Stadt ist
5
Ein guter Propagandist
macht aus einem Misthaufen einen Ausflugsort.
Wenn kein Fett da ist, beweist er
daß eine schlanke Taille jeden Mann verschönt.
Tausende, die ihn von den Autostraßen reden hören
freuen sich, als ob sie Autos hätten.
Auf die Gräber der Verhungerten und Gefallenen
pflanzt er Lorbeerbüsche. Aber lange bevor es soweit war
sprach er vom Frieden, wenn die Kanonen vorbeirollten.
6
Nur durch vortreffliche Propaganda gelang es
Millionen davon zu überzeugen
daß der Aufbau der Wehrmacht ein Werk des Friedens bedeutet
jeder neue Tank eine Friedenstaube ist
und jedes neue Regiment ein neuer Beweis
der Friedensliebe.
7
Allerdings: vermögen gute Reden auch viel
so vermögen sie doch nicht alles. Manchen
hat man schon sagen hören: schade
daß das Wort Fleisch allein noch nicht sättigt, und schade
daß das Wort Anzug so wenig warm hält.
Wenn der Planminister eine Lobrede auf das neue Edelgespinst hält
darf es nicht dabei regnen, sonst
stehen seine Zuhörer im Hemd da.
8
Und noch etwas macht ein wenig bedenklich
über den Zweck der Propaganda: je mehr es in unserem Land Propaganda
desto weniger gibt es sonst.
- Bertold Brecht -
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