-Kemal Pascha Atatürk-
Im Grunde genommen ist es egal, um welche Religion es sich handelt, der einfache Mensch neigt dazu sich zu überantworten, sein Leben jemanden oder etwas außerhalb seiner selbst anzuvertrauen. Damit läuft er aber seit jeher Gefahr sich jenen Manipulatoren auszuliefern, die seine Naivität zu ihren eigenen dunklen Machenschaften auszunützen versuchen.
Diese immer schon sehr findigen Manipulatoren seit der Urzeit der Menschen, verstanden es auf höchst geschickte Art, den Menschen Angst einzuflößen um sie für sich gefügig zu machen. In der Mythologie finden sich viel Beispiele von Schamanen, welche auch nicht davor zurückschreckten, ihre eigenen Leute zu töten nur, um ihre Macht zu demonstrieren. Waren diese frühen Geschichten noch von einer relativen Einfachheit, so wurden sie natürlich mit der Zeit immer komplexer. Man bediente sich der vielen mythischen Erzählungen, die es überall gab und die mitunter weithin bekannt waren. Man veränderte die Namen und die Örtlichkeiten, doch der Inhalt und die Aussagen blieben meist die gleichen. Eines dieser absolut prägnanten Beispiele ist die Geschichte von Noah (Ut-napishti) und der Sintflut. Wir finden sie in der Bibel, im Koran, im Gilgamesch Epos und in noch älteren Zeugnissen. Nun sind gerade Juden, Christen und Muslime darum bemüht zu bewiesen, dass ihre jeweilige Version die ist, welche die authentischste ist bzw., was alles damit zusammenhängt und welche Rolle dabei der jeweilige Glaube spielt. Dabei ist es nur eine Erzählung, mehr ein Märchen mit Vermutungen von minimalen Ansätzen wahrer Begebenheiten, doch im Wettstreit um den einzig wahren Glauben werden immer alle möglichen Geschichten so übertrieben, überhöht und mystifiziert, dass daraus eine Scheinwissenschaft entsteht. Da aber die Zeit nicht stillsteht und sich weiter entwickelt kommt es notgedrungener Maßen zum Konflikt, zum Konflikt zwischen religiöser Scheinwahrheit und wirklicher Erkenntnis.
Eine dieser wohl dümmsten Behauptungen ist die der Erde als einer Scheibe. Zwar nahmen die vorsokratischen Denker wie Thales von Milet oder Anaximander noch an, dass die Erde rund sei und auf Säulen stand. Auch waren deren Sichtweisen noch relative Krude und warum dann diese aberwitzige Behauptung in der religiösen Welt so Fuß fassen konnte, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Doch diese Behauptung spielt ja mit der Angst der Menschen, dass sie, wenn sie zu diesem Rand gelangen, drohen in die Tiefe gerissen zu werden. Eine analytische Wissenschaft wie wir sie heute kennen gab es zu dieser Zeit nicht und so konnten die Könige, welche zumeist auch die Hohepriester waren schalten und walten wie sie wollten.
Einer der ersten der dem unsinnigen Götterglauben die Stirn bot und es verwundert kaum, war Shakyamuni Buddha. In seinem Lehrgespräch über die Kenner der drei Veden (Teviijja-Sutta) aus der kanonischen Pali-Literatur Suttapiṭaka, Dīghanikāya Nr.13, in dem Shakyamuni die Existenz des Gottes Brahma widerlegt. Auch wenn er selber viele Prinzipen des Lebens in absolut überhöhte Metaphern verpackte in denen es von Göttern, Dämonen usw. nur so wimmelte, so gibt dieses oben genannte Lehrgespräch genau darüber Auskunft, was seine Meinung über Götter war. Mit anderen Worten ist im Grunde genommen der gesamte buddhistische Kanon viel mehr eine psychologische Darlegung des menschlichen Daseins und wie jeder einzelne Mensch es schaffen kann sein höchstes Lebenspotenzial aus sich hervor zu holen und ein glückliches Leben unabhängig von irgendwelchen äußeren Umständen leben zu können. Götter und Dämonen oder was auch immer sind immer nur als psychologische Funktionen des täglichen Lebens zu verstehen. Und natürlich gibt es auch im indischen Denken der damaligen Zeit gewisse Vorstellungen, wie die Welt aussah oder beschaffen ist, doch war der Buddhismus von Anbeginn an eine auf die menschliche Psyche ausgerichtete Philosophie und nicht ein System um irgendwelche Machtstrukturen aufzubauen und zu herrschen.
Natürlich kann man bei all diesen frühen Denkern nicht im Sinne einer modernen Wissenschaft sprechen, doch stand das logische Denken im Vordergrund. Und ohne diese großartigen Persönlichkeiten hätten wir wohl kaum das Zeitalter der Aufklärung ab dem 18. Jh. erlebt, welches wie mir scheint, selbst in Europa noch lange nicht abgeschlossen ist.
Betrachten wir nur die Evolutionstheorie Darwins. Sie brachte so viel ins Rollen, dass man sich fragen muss, wo wären wir heute, hätte Darwin sie nicht niedergeschrieben und Stückchenweise veröffentlicht. Ich brauche nur meinen Vater ansehen, einen braven Christen, doch glaubt er allen Ernstes, dass der Mensch separat neben den Tieren von Gott auf diese Welt gestellt wurde. Evolution ja, aber nicht was den Menschen angeht. Und man stelle sich vor, dieser Mann war Akademiker. Ich möchte hier auch nicht böse oder schlecht über meinen Vater reden. Für mich ist mein Vater vielmehr ein lebendiges Beispiel als auch eine Bestätigung für die von verschiedenen Instituten erhobenen Umfragen, woran die Menschen da und dort glauben, dass Gott existiere, bzw. der Mensch so wie wir ihn heute kenne aus älteren Tierarten entwickelte. In Wien glauben tatsächlich ca. 28 % daran, dass der Mensch sich nicht aus älteren Tierarten entwickelte und in der Türkei sind es gar 51 %. Diese Umfragen sind im Buch von Richard Dawkins – Die Schöpfungslüge zu finden. Wie diese Statistiken eindrucksvoll beweisen und erkennen lassen, sind es diese starren religiösen Vorstellungen, welche den Menschen nach wie vor daran hindern, sich in einem konstruktiven Sinne weiter zu entwickeln.
Zurückkehrend zu Atatürk, muss man korrekterweise festhalten, dass auch er manipulierend eingriff, aber nur um dem Aberwitz eines fundamentalen religiösen Denkens entgegenzuwirken. So gab er wissenschaftliche Studien in Auftrag mit einer bestimmten Zielvorgabe. Ob das so sinnvoll war, darüber lässt sich streiten. Aber über alles was ich über diesen Staatsmann weiß, steht die unentwegte Bemühung religiösen rückwärtsgewandten Fundamentalismus zu eliminieren und seinem Volk ein Bewusstsein auf die eigene Kultur und nicht die einer fremden Religion zu geben.
Die Zeit der Aufklärung war und ist ein Kampf gegen die verkrustete Vorstellung ewig Gestriger. Und zu glauben, dass man heute diesen Kampf nicht mehr führen muss, ist ein fataler Irrtum. Wir leben in einer dualen Welt. Es kann nicht nur das eine geben und so gibt es nicht nur Tag oder Nacht, gut oder böse, sondern auch Fortschritt und Rückständigkeit. Und bei allen Dualismen welche dabei vom Menschen ausgehen, sind die destruktiven konservativen Kräfte ganz besonders aktiv, diese Normen aufrecht zu erhalten und für den Menschen bindend zu machen. Aber diese Normen sind für den Menschen nicht binden, da sie vielfach gegen natürliche Prinzipien verstoßen, welche dem Leben eigen sind. Religionen leben von Normen, Normen welche den jeweiligen Bevölkerungsgruppen übergestülpt werden. Die Natur aber selber kennt keinerlei Norm, selbst ein so simples Blatt eines Baumes gleicht keinem anderen aufs Haar genau, und selbst Bäume der gleichen Art, welche nebeneinander wachsen haben eine voneinander abweichende Genetik. Religionen waren so gesehen, immer als ein Instrument der Herrscher zu betrachten, zum leichteren lenken ihres Volkes.
Anfänglich dürfte dies weniger eine wirkliche politische Rolle gespielt haben, doch in dem Ausmaß wie die Bevölkerung wuchs und es zunehmend, anstatt wie bislang zu gegenseitigen Befruchtungen von Gedanken und Praktiken, zu parallelen Gesellschaften, Glaubensgesellschaften kam und somit Konflikte vorprogrammiert waren, änderten sich die politisch-religiösen Machtansprüche. Bei Diodoros Siculus (1. Jh. v. Chr.) lesen wir im 40. Buch, dass zum Beispiel die Juden nicht wie in der Bibel, Exodus, 2. Buch Moses, gegen den Willen des Pharaos geflohen sind, sondern vom Pharao wegen einer pestartigen Krankheit außer Landes gejagt wurden. Wie weit die Darstellung Diodoros der Richtigkeit entspricht, sei dahingestellt aber ebenso auch die der Bibel.
Nun gibt es die Wissenschaft, welche sich redlich um die Erforschung all dieser Mythologischen Geschichten bemüht, um Licht ins Dunkel zu bringen und egal wie groß die Fackel ist die in diese seit Menschengedenken finstere Höhle getragen wird, die religiösen Fundamentalisten wenden alle Kraft auf dieses Licht zum Erlöschen zu bringen. Sie sind wie kleine Kinder die partout nie erwachsen werden wollen und auch noch im hohen Greisenalter an das Christkind, Osterhasen oder an einen Erzengel glauben. Diese Unverbesserlichkeit ist gefährlich, da in dem Moment, in dem ihr Weltbild droht zerstört zu werden eine irrationale Reaktion einer radikal-aggressiven Abwehrhaltung, gepaart mit blindwütiger Zerstörungswut, zu Tage tritt. Ob das sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln.
Doch darf man einen Fehler nicht begehen. Die Wissenschaft als solche kennt keine Moral. Die Religionen waren seit je her der Moral verpflichtet, doch da haben wir es wieder mit sehr selbstgefälligen Moralvorstellungen zu tun. Ist Religion eine Philosophie? Mitnichten, wenn wir unseren Blick zu den indischen Religionen, bzw. Philosophien wenden und da im Besonderen dem Buddhismus. Und dann drängt sich die Frage auf, wie weit ist denn eine Religion oder Philosophie als eine Wissenschaft zu werten? Ist eine Philosophie nicht ein Hybrides Etwas, irgendwo zwischen Kunst und Wissenschaft? Die Wissenschaft sucht nach allgemein Wahrem, etwas, was sich über Objektives sagen lässt. Die Kunst wiederum widmet sich dem einzelnen, dem subjektiven. Die Philosophie strebt auch nach etwas allgemeinem, kommt aber zu der Erkenntnis, dass gerade das Allgemeine immer subjektiv bleibt.
Und wie steht es um die Religion als Wissenschaft? Die Religionen selber sind keine Wissenschaft und Deutungen, Erklärungsversuche, das Lösen von Widersprüchen oder was auch immer sind viel mehr ein philosophischer Diskurs als eine rationale empirische Wissenschaft. Es besteht auch ein wesentlicher Unterschied zwischen der Philosophie und der Religion. Strebt die Philosophie nach Vernunft und nach einem logischen Schluss, so ergeht man sich in der Religion in scheinvernünftigen Argumenten, welche nur dazu dienen althergebrachte Thesen zu untermauern damit man weiter an den Osterhasen glauben darf.