Der Kopftuchsager des Herrn Van der Bellen hat es in sich. Was hat sich dieser Mann nur dabei gedacht? Hat er sich überhaupt irgendetwas dabei gedacht? Oder war es eine kühn kalkulierte Aussage?
Aber bevor ich mich Länge mal Breite darüber auslasse, möchte ich ein paar Dinge klarstellen. Ich bin politisch weder rechts noch links zuhause. Weder habe ich das blaubraune Gesülze, noch habe ich das rotgrüne Gutmenschentum gewählt. Zugegeben, früher habe ich rotgrün gewählt, doch das gehört nun schon seit langer Zeit der Vergangenheit an. Dank meiner Beziehungen zu Muslimen seit nun fast 20 Jahren und dem gemeinsamen erleben der verschiedensten Facetten islamischen Lebens als auch die davon in früheren Zeiten gemachten unabhängigen Erfahrung und die letztlich daraus resultierenden Studien, glaube ich mir einen relativ guten Einblick verschafft zu haben, was ich über dieses Thema zu berichten weiß. Früher war ich sogar sehr islamophil, sosehr, dass ich sogar diverse türkische Lieder konnte.
Die Aussage, um die es im Klartext ging, getätigt bei einem Redebeitrag des Bundespräsidenten am 24. März im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung in der Vertretung der Europäischen Kommission in Wien, "Und wenn das so weitergeht, bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun", ist einfach nur entsetzlich. Man bekommt den Eindruck, dieser Herr möchte sich bei der Europäischen Kommission einschleimen, so wie er es schon einmal in Brüssel bezüglich des Brexits getan und sich im Wort vergriffen hatte.
Zerlegen wir einmal diesen Satz, von dem sogar viele der Meinung sind, er wäre belanglos und jeden der sich darüber mokiert, ins rechte Eck gestellt wird. Zuerst sticht das Wort Phobie ins Auge. Was ist denn eine Phobie? Im Duden ist folgendes zu lesen: krankhafte Angst/Furcht; (Medizin, Psychologie) Angstneurose; (Psychologie) Erwartungsangst, Situationsangst, Situationsphobie. Das verwirrt mich, bin ich nun von einer krankhaften Angst befallen, nur weil ich meine Ressentiments aus einem gesunden Menschenverstand heraus gegenüber dieser Ideologie habe? Heiko Heinisch und Nina Scholz führen weiter aus wie folgt: „Als Phobie oder phobische Störung wird eine krankhafte, unbegründete und anhaltende Angst vor Situationen, Gegenständen, Tätigkeiten, Tieren oder Personen bezeichnet. Der erste Teil der Wortverbindung benennt den jeweiligen Auslöser dieser Angst, der in Verbindung mit dem Wort Phobie ein Krankheitsbild bezeichnet – zum Beispiel Arachnophobie (griechisch Arachno=Spinne), die Angst vor Spinnen oder Klaustrophobie (lateinisch claustrum=Käfig), die Angst vor engen Räumen. Der Auslöser einer Phobie ist demnach wertfrei; etwas, das für sich genommen nicht bedrohlich ist, aber bei der betroffenen Person Angst bis hin zu Panikattacken auslöst und deshalb in der Psychologie als Krankheitsbild beschrieben wird. Die Begriffsverbindung Islamophobie würde demgemäß eine krankhafte, weil unbegründete, Angst vor dem Islam bezeichnen. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Religionen, Weltanschauungen, Ansichten, wissenschaftliche Theorien, kurz, jegliche Denk- und Vorstellungskomplexe nicht wertfrei sind. Sie rufen naturgemäß entweder Anerkennung/Zustimmung oder Kritik/Ablehnung hervor und sind somit von vornherein Auslöser von Diskussion und Wertung.“ Nach einem mehrseitigen Diskurs über diesen Begriff schließen die beiden mit der Bemerkung: „Im wissenschaftlichen Diskurs sollte sich die Verwendung eines so nebulösen Begriffs wie Islamophobie ohnehin von selbst verbieten.“ Nun gut, Herr Van der Bellen ist Bundespräsident und kein Wissenschaftler, oder irre ich mich da nicht etwa? Herr Van der Bellen war Wirtschaftswissenschaftler und unterrichtete viele Jahre als ordentlicher Professor an der Uni Wien und war dort Dekan beziehungsweise stellvertretender Dekan an der Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Und da lässt er sich mit einem solchen fehlgeleiteten Begriff erwischen? Dass, sehr geehrter Herr Bundespräsident, spricht nicht gerade für Sie.
"… wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun" Ich glaube, keine Frau hat im Grunde genommen ein Problem ein Kopftuch zu tragen, die Frage ist nur, in welcher Form es getragen wird wenn sich eine Frau dazu entschließen will eines zu tragen. Das Kopftuch als Kleidungsstück, als modisches Assessor, bitte überhaupt kein Problem. Aber aus religiösen Gründen, damit die armen Damen nicht stigmatisiert werden? Herr Bundespräsident, sie stigmatisieren hier und jetzt unsere Gesellschaft, indem sie mit dieser Aussage uns Bürger als Intolerant hinstellen, also stigmatisieren. Sie meinten zu Ihrer Verteidigung, dass die Dänen mit dem Tragen des Davidsterns ihre Solidarität mit den Juden gegenüber den Nazis bekundeten. Nur, sie vertauschen hier etwas, Herr Bundespräsident. Die Juden wurden verfolgt von einer nationalistisch-radikalen Partei. Hier aber deutet das Kopftuch auf eine intolerante Ideologie hin, welche nicht Tolerierbar ist in unserer säkularen pluralistischen Gesellschaft. Es verhält sich so, als ob wir eine Hakenkreuzarmbinde tragen sollten, um unsere Solidarität mit den Muslimen zu bekunden. Vielleicht ist es Ihnen entgangen, dass Hitlers mein Kampf seit jeher ein äußerst beliebtes Buch in der muslimischen Gesellschaft ist. Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass die Nazis mit der Muslimbruderschaft packelten und auch militärisch eng verbündet waren mit osmanischen Bataillonen. Ich frage mich, wie blaubraun ist der rotgrün karierte Herr Bundespräsident?
Und was heißt überhaupt aus religiöser Solidarität? Meines Wissens gibt es keine einzige eindeutige Stelle im gesamten Sunna die ein Kopftuch oder gar eine Vollverschleierung zwingend machen. Ja es gibt Empfehlungen sich zu bedecken, die Scham und den Ausschnitt, bzw. ein Gewand über sich zu schlagen, doch nirgend steht etwas von Vollverhüllung oder einem Kopftuch. Dies ist lediglich eine theologisch restriktive Auslegung welche nach Prof. Öztürk als reiner Arabismus zu werten ist. Auch Atatürk konnte mit der arabischen Ausformung des Islams nichts anfangen und es gelang ihm leider nicht den Islam soweit zurückzudrängen das er unschädlich gemacht werden konnte, dank der großen breiten Masse einfältiger Bevölkerungsschichten und renitenten Glaubensbrüdern und Imamen. So kämpfte er auch darum, den Türken eine türkische Identität zu geben, sie wegzuführen von einer schwammigen rückwärtsgewandten islamischen, hin zu einem modernen szientistisch, darwinistischen Bewusstsein. So prägte er einen Ausspruch: „Die Religion ist die Wissenschaft der Massen, aber die Wissenschaft ist die Religion der Elite.“ Ist sich Herr Van der Bellen überhaupt bewusst, welchen Schaden er anrichtet? Dass er und alle die anderen mit dieser larifari Einstellung und popperschen offenen Gesellschafts- und Willkommenskultur die unzähligen Bemühungen vieler zunichtemacht, diese fatale, alles sich einverleibende, Ideologie der absoluten Intoleranz ein Ende zu setzen versuchen? Wie können Sie all diesen Menschen derart in den Rücken fallen?
Ich glaube, diesem Herrn würde es guttun, sich einmal die Zeit zu nehmen und jenen Menschen Gehör zu schenken, welche aus solchen Ländern geflohen sind, wo sie sich vermummen müssen. Zum Beispiel meine Freundin, sie war etwa 10 Jahre alt als sie von einem Tag auf den anderen, dank der iranischen Revolution 1978/79 ihr Haupt bedecken musste. Sie zeigte mir unlängst Fotos, wie es davor im Iran aussah und da war kein Unterschied zu Europa. Und heute? Sie durfte sich dann nicht mehr kleiden wie sie wollte, sie durften nicht mehr die Musik hören, die sie wollten, oh und ja nicht zu viel Lippenstift, da wird sonst sofort die Religionspolizei aktiv.
Ein anderes Faktum ist, das ich, aus quasi erster Hand, Informationen bekommen habe welche mir berichteten, dass die türkischen Familien hier zu Lande dafür Geld aus der Türkei bekommen, wenn sie mit einem Kopftuch herumlaufen. Anfänglich hielten meine damalige türkische Freundin und ich dies für ein Gerücht, doch auf der anderen Seite sahen wir von dem Zeitpunkt an, als Erdoğan an die Macht kam, immer mehr junge Türkinnen mit diesem Kopftuch. Ich konnte dies ziemlich gut beobachten durch die nahegelegene Koran- oder Islamschule.
Jetzt reden die rotgrün karierten Politiker seit langem davon, dass die Rechten mit ihrem Populismus einen Keil in die Gesellschaft treiben, um diese zu spalten, doch was macht denn dieser rotgrüne Proporz selber die ganze Zeit? Sie stigmatisieren all jene, welche sich kritisch zum Islam äußern als Nazis, als Intolerante, als ausländerfeindliche Rechte. Sie hofieren eine Ideologie, die ihnen eines Tages um die Ohren fetzen wird. Entweder sind sie so ignorant gegenüber all den Zeichen und Aussagen, welche ohne Unterlass von namhaften Islamwissenschaftlern postuliert werden, oder sie bezwecken etwas damit. Für mich hat eher der zweiten Variation aus. Ich habe fast die Vermutung, dass dies ganz bewusste Provokationen sind, die dazu dienen sollen einen Keil in die Bevölkerung zu treiben, damit es bald zu einem handfesten Eklat, sprich zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt, damit man dann mit staatlicher Waffengewalt einschreiten kann. Das alles stinkt nach vorsätzlicher Destabilisierung Europas. Sie glauben tatsächlich diese scheinbare Minderheit der radikalen Muslime im Griff zu haben. Dies haben früher schon viele gedacht und sind heute keine muslimischen Staaten mehr, sondern alle samt und sonders islamisiert worden. Doch den Menschen, die aus diesen Ländern flohen wird von dieser Seite kein Gehör geschenkt. Das Ganze mutet an wie in den 1930er und 40er Jahren durch die Machtergreifung Hitlers. Dies wollte ursprünglich auch niemand erkannt haben wollen.
So wird es wahrscheinlich so enden wie Erich Fried es formulierte: „Was keiner geglaubt haben wird, Was keiner gewusst haben konnte, Was keiner geahnt haben durfte, Das wird dann wieder das gewesen sein, Was keiner gewollt haben wollte …“ Und wie Gandhi richtig bemerkte: „Die Geschichte lehrt den Menschen, dass die Geschichte den Menschen nichts lehrt.“ Aber ganz ehrlich? Ich will nicht, dass Gandhi in diesem Punkt recht behält.