Die Bilder sind überall. Tausende Menschen stellen sich an. Karawanen von Flüchtlingen ziehen durch Europa. Männer, Frauen, Kinder. Bilder, gepaart mit Wörtern wie Flut, Lawine, Strom, Krise, Problem, Überrollen. Selbst Politiker, in deren unmittelbarer Verantwortung es läge an Lösungen zu arbeiten, wechseln die Perspektive und stellen Forderungen was zu tun wäre. Anstatt selbst etwas zu tun, erklären sie, die Lage sei außer Kontrolle. Das Ergebnis: Angst. Angst vor Verlust. Angst vor Unsicherheit und Kontrollverlust, Angst vor Verlust von Arbeitsplätzen, Angst vor sozialem Abstieg. Angst, die nicht konkret und greifbar ist. Die gleiche Angst, die wir seit jenen langen Nächten im Kinderbett kennen, in denen der Schatten an der Wand zum Monster wurde. Schön wenn jetzt einer käme, das Licht aufdrehen würde und sagen würde: alles ist gut.
Blöderweise ist Politik nicht so einfach. Man könnte zwar erzählen, dass Europa in der jüngeren Vergangenheit mit einer viel höheren Anzahl an Flüchtlingen fertig geworden ist. Man könnte mittels demographischer Daten nachweisen, dass Europa Migration für die Zukunft braucht, man könnte statistisch beweisen, dass mehr Flüchtlinge keinen Anstieg strafbarer Handlungen mit sich bringen. Aber es wäre so, wie wenn man gegenüber dem Kind argumentierte, dass das Monster eh ganz lieb ist und nix tut. Gegen täglich sichtbare Bilder, die Angst machen, helfen nicht unsichtbare Gegenthesen, sondern scheinbare Lösungen, die suggerieren, dass die Bilder verschwinden.
Es sind die einfachen Worte, die einfachen Lösungen, die jeder versteht, mit denen rechte Parteien auf Stimmenfang gehen. Bauen wir einen Zaun. Denn um unsere Gärten haben wir auch Zäune. Nur was passiert dann? Lassen sich Menschen von einem Zaun abhalten, die gerade 2000km marschiert sind und auf einer Luftmatratze das Mittelmeer überquert haben? Und selbst wenn es so wäre, was passiert dann hinter dem Zaun? Erfrieren Kinder? Bewachen wir den Zaun mit Waffen? Schießen wir auf Flüchtlinge? Machen wir einen Aufnahmestopp! Lassen wir niemand mehr rein! Ok. Was heißt das? Das zwölftreichste Land der Welt setzt die UN Menschenrechtskonvention außer Kraft? Und: vor welchem Kind machen wir die Schotten dicht? Wahr ist: es gibt keine einfachen Lösungen. Und noch viel weniger gibt es diese auf Basis einzelner Entscheidungen nationaler Staaten.
Deswegen hat der österreichische Bundeskanzler bereits im Frühling im Rahmen eines EU-Gipfels eine Quotenregelung zur fairen Verteilung von Flüchtlingen in ganz Europa gefordert. Gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin hat er einen EU-Sondergipfel initiiert, auf dem die Errichtung von Einreisezentren, sogenannten Hot Spots, an der EU Außengrenze beschlossen wurden, wo Asylanträge gestellt, eine erste Überprüfung des Asylgrundes, sowie im Idealfall auch gleich eine Zuweisung auf ein Asylgeberland durchgeführt werden sollen. Ebenso wurde die Verteilung laut Quote von 160.000 Flüchtlingen beschlossen, eine stärkere Sicherung der EU-Außengrenze und eine intensive Zusammenarbeit mit der Türkei, um eine menschenwürdige Flüchtlingsbetreuung in den Regionen vor Ort zu ermöglichen, wodurch die Flüchtlingsbewegungen eingedämmt werden sollen.
Reicht das alles aus, um diese sogenannte „Krise“ zu beenden? Nein. Es sind erste Schritte. Denn solange die Mörderbanden der IS Kinder, Frauen und Männer jagen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen, werden Menschen fliehen und wir werden diese Menschen aufnehmen. Nennen wir es Solidarität. Nennen wir es Nächstenliebe. Es ist ganz egal. Wer um sein Leben bangen muss, dem muss geholfen werden. Gerade wir, in deren Eltern,- oder Großelterngeneration auch Menschen verfolgt, getötet und systematisch vernichtet wurden, von denen man sich eingebildet hatte, sie wären anders gewesen, haben die Verpflichtung endlich einzusehen, dass alle Menschen gleich sind und alle nur eines wollen:
In Frieden und Sicherheit leben.