Ein Praktikum bei der Europäischen Kommission? Was hat man da den ganzen Tag so zu tun? Das dachte ich mir als ich die Zusage in Händen hielt, von 1. Februar bis 30. April im Haus der Europäischen Union in der Wipplingerstraße 35 das Praktikum zu absolvieren, für das ich mich beworben hatte.
Insgeheim habe ich mir immer vorgestellt, dass der Tätigkeitsbereich zu Beginn sicher nicht über das Kaffeekochen für Männer im Anzug und Kopieren für Frauen im Sekretariat hinausgeht. Trotzdem war der Reiz groß, es selbst herauszufinden. Deshalb habe ich den Blick ins Innere der EU, in die Vertretung der Europäischen Kommission in Wien, in Zeiten ihrer eigenen Zerreißprobe, gewagt. Ich habe meinen Dienst planmäßig in der Abteilung für Öffentlichkeit angetreten.
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Alle meine Praktikumsstereotype wurden gleich am ersten Tag über den Haufen geworfen und ich wurde durchgehend positiv überrascht. Angefangen damit, dass die Führungskraft meiner Abteilung eine Frau ist, und somit das Bild der männlich dominierten Politikdomäne aufbricht, bis hin zu den abwechslungsreichen Praktikantentätigkeiten, die auf meinem Schreibtisch gelandet sind. Anstelle von "Däumchendrehen" stehen in meinem Terminkalender Sachen wie "Podiumsdiskussion mitorganisieren", "Redenotizen vorbereiten", "Redaktionssitzung", "amerikanische Besuchergruppe betreuen", "Englisch-Deutsch-Französisch Übersetzungen", "Video-Dreh" oder "Vienna City Marathon".
Die Zeit verging wie im Flug und nun sind bereits wieder zwei Wochen verstrichen, seit ich mich von meinen KollegInnen im Haus der Europäischen Union verabschiedet habe. Zeit für ein kurzes Resümee. Neben abwechslungsreichen Tätigkeiten habe ich natürlich auch inhaltlich Einblick in das komplexe Konstrukt der Europäischen Union bekommen. Publikumsreaktionen während so mancher Diskussion haben gezeigt, wie kritisch viele Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Europäischen Union bereits sind. Diese Kritik gilt meistens einzelnen Themen und es ist wichtig, dass sie geäußert und hoffentlich auch gehört wird. Trotzdem sollten die angezweifelten Bereiche nicht mit der gesamten EU verwechselt werden bzw. auf ihre unglaublichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte vergessen werden, die mittlerweile als selbstverständlich gelten.
Franziska Wellenzohn