Glyphosat ist ein Breitbandherbizid und wird seit den 70er-Jahren weltweit zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. Es wirkt unselektiv gegen Pflanzen; Nutzpflanzen können mittels Gentechnik eine Resistenz gegen Glyphosat erhalten. Die chemische Verbindung ist weltweit seit Jahren der mengenmäßig bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden. Als das Patent 2000 ausgelaufen war, wurde Glyphosat von verschiedenen Unternehmen vertrieben, hunderte verschiedene Pflanzenschutzmittel beinhalten es, sind momentan in Europa registriert und für die Nutzung in der Landwirtschaft zugelassen. Glyphosat ist der Bestseller im Bereich Pestizidwirkstoffe.

Kommentar von Josef Ladenhauf

Vor kurzem wurde Glyphosat von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „vermutlich krebserregend“ eingestuft. Vonseiten der Industrie wird dagegen betont die Substanz würde „komplett abgebaut“. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter spricht sich dezidiert für eine Verlängerung der Zulassung aus.

Auf der offiziellen Seite des EU-Parlaments http://www.europarl.europa.eu heißt es dazu nun in einer Stellungnahme unter dem Titel „Umweltausschuss gegen Verlängerung der EU-Zulassung“: „Solange ernsthafte Bedenken über die krebserregenden und hormonellen Auswirkungen des Herbizids Glyphosat nicht ausgeräumt sind, sollte die Zulassung durch die EU-Kommission nicht verlängert werden. Stattdessen sollte eine unabhängige Studie in Auftrag gegeben und alle wissenschaftlichen Erkenntnisse offengelegt werden, die dem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugrunde lagen, forderten Abgeordnete des Umweltausschusses.“

In der Debatte über die Entscheidung zur möglichen Verlängerung der Zulassung spiegeln sich unterschiedliche Interessen wieder. Eine Entscheidung der Europäischen Union hat diese disparaten Absichten zum Wohle aller zu berücksichtigen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger verstehen mittlerweile, dass sie sich im eigenen Interesse ein kritisches Bewusstsein über Lebensmittel bilden sollten. Denn eine Entscheidung zur Nahrungsmittelsicherheit, die auch wiederum vorläufig ist und prinzipiell reversibel, danach zu beurteilen, dass sie die Interessen von Wirtschaft, Landwirten und Biotechnologieunternehmen berücksichtigt, ist als würde man der Gesamtschule vorwerfen, dass sie ihrem Lehrprogramm nach gesellschaftliche Leistungsträger ausbildet und nicht jedem einzelnen erklärt, wie er genau atmen soll. Es gibt Bereiche, in denen Bürgerinnen und Bürger auf ihre Eigenverantwortung nicht verzichten können, zumindest nicht ohne erhebliche Einbußen eines im weiteren Sinn moralisch emanzipierten, gesunden Selbstbewusstseins.

Dass Regierungsinstitutionen und Hersteller von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Rahmenbedingungen und im Interesse ihres Unternehmenszwecks ein anderes Verständnis von „Nahrungsmittelsicherheit“ haben (müssen) als die Verbraucherinnen und Verbraucher leuchtet ein.

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Ich persönlich fände es eine zeitgemäße Entscheidung auf Breitband-Herbizide zu verzichten. Denn was „unselektive Wirksamkeit“ im Einzelnen bedeutet, vor allem für die Biodiversität und nachhaltige Ökosysteme, wäre ein Blogeintrag für sich. Ebenso ein Überblick über Geschichte, Vorgehensweise und Philosophie des börsennotierten Biotechnologiekonzerns und Glyphosaterzeugers Monsanto mit einem Jahresumsatz 2015 über 15 Mrd. US-Dollar. Das Auslaufen lassen der Zulassung wäre ein klares Signal, dass sich die Europäische Union nicht von profitgeleiteten Interessen vereinnahmen lässt und deren Stimme nicht als lauter oder wichtiger erachtet, als die Bedenken der Bürger oder Umweltschützer. Es würde Glaubwürdigkeit und BürgerInnennähe in einer Zeit signalisieren, in der diese mehr denn je bitter notwendig sind.

Wer sich mit der Debatte über die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat befasst, kommt möglicherweise zur Einsicht, dass man sich selbst langfristig in puncto Nahrung nicht aus der Verantwortung stehlen kann. Bildung schafft Bewusstsein und kritische Reflexion. Doch ganz gleich welche Empfehlungen der Umweltausschuss in Sachen Glyphosat gibt, über einen möglichen weitergeführten Einsatz davon werden letztlich die Landwirtschaftsminister der EU-Staaten entscheiden. Und ganz gleich, wie deren Entscheidung im Fall von Glyphosat ausfallen mag: Für sichere Lebensmittel sind wir zu einem Großteil selbst verantwortlich. Ob das nun bedeutet biologisch einzukaufen, selbst zu pflanzen oder weiterzumachen wie bisher.

Die nationalen Experten mit Sitz im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel werden über den Vorschlag der Kommission im Mai mit einem qualifizierten Mehrheitsbeschluss abstimmen. Vertreter der Biotechnologiekonzerne, Umweltschützer, Landwirte, Verbraucherverbände und Konsumenten warten gespannt auf den Ausgang der Verhandlungen. Was bleibt derzeit zur Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat zu sagen?

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