Mitleid ist keine Lösung!

Vor kurzem war eine Frau in einer Therapiesitzung bei mir und hat geklagt: „Meine beste Freundin lässt sich einfach nicht helfen. Das macht mich fertig!“ Die gesamten 50 Minuten der Therapie hat sie damit verbracht, von ihrer Freundin und deren Problemen zu erzählen. Eine kostbare Zeit, die sie eigentlich für ihre eigenen Themen und Sorgen hätte nutzen können. Nur unter großen Mühen konnte ich ihr schließlich erfolgreich klarmachen, dass sie nicht alles kontrollieren könne. Bei der Verabschiedung hat sie dann gemeint: „Danke, ich überdenke das. Vielleicht zieht meine Freundin ja auch einen Vorteil aus ihrem Problem!“

Wie viel leichter ist es für uns alle, über die Probleme von anderen nachzudenken und im Mitleid zu schwelgen? Das liegt daran, weil das Beschäftigen mit den eigenen Sorgen heißt, dass man ehrlich sein und tiefer zum Kern der Thematik vordringen muss. Bei anderen hingegen kann ich die Angelegenheit von mir weisen. Das macht es so verführerisch. Und gerade dann ist es nicht auszuhalten, wenn sich diese anderen nicht helfen lassen.

Wenn ich etwas in meinen über 14 Jahren Erfahrung als Psychotherapeutin gründlich gelernt und begriffen habe, dann das: Die Hilfe zur Selbsthilfe ist das Wichtigste!

Mitleid hilft niemandem. Nicht mit dem missbrauchten Mädchen, nicht dem schwerkranken Mann, nicht der Frau, die betrogen wurde, nicht der Person, die kürzlich arbeitslos geworden ist oder dem LKW-Fahrer, der beim Abbiegen jemanden übersehen und getötet hat. Es wird sie nicht weiterbringen!

Nein, ich habe kein Mitleid, wenn eine Klientin oder ein Klient zu mir kommt – aber ich bin sehr wohl empfindungsfähig. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl! Ich kann einer Frau, die mit Kopftumor zu mir kommt, mitfühlend die Hand halten und sagen: „Ja, Sie haben gerade eine schwere Phase. Ich kann verstehen, dass es Ihnen schlecht geht.“ Aber mitleider oder gar mitweinen kann ich nicht mit ihr. Dadurch würde sie nicht gestützt. Im Gegenteil, es würde sie hoffnungslos machen.

Gerade als Therapeutin habe ich die Aufgabe, nicht mitzuleiden, sondern abzuchecken, was hinter den Problemen steckt, was tatsächlich los ist und wie die Situation leichter zu ertragen wird.

Mitleid ist da keine Lösung!

Fotocredit: Fotolia © stockWERK

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
5 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

lie.bell

lie.bell bewertete diesen Eintrag 26.09.2016 22:33:47

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Beate Janota

Beate Janota bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

4 Kommentare

Mehr von Eva Schemm