Als junges Mädchen entdeckte ich beim Einkaufen mit meinen Freundinnen einen roten Mantel in der Auslage. Ein Traum! Wir waren sofort in ihn verliebt. Also gingen wir zur Schneiderin und die meinte, sie könne die Mäntel in 3 – 4 Monaten für uns schneidern. So haben wir zehn Mädchen unsere Mäntel bestellt, darauf hingespart, uns darauf gefreut – und sind endlich ganz stolz in den roten Mänteln durch die Gegend spaziert.
Heute ist dieses Szenario unvorstellbar. Wenn man heute einen Mantel in der Auslage sieht, stellt man sich vielleicht noch die Frage, ob er das Geld wert ist. Aber wenn man genug in der Geldbörse hat, kauft man einfach das, was man will. Wenn nicht, zieht man einfach weiter, bis man irgendwo einen günstigeren Mantel entdeckt. Man ist nie in einem wirklichen Konflikt.
Genauso ist es in Beziehungen. Wir lernen nicht mehr, wie es ist, einen Streit auszuhalten – nein, es ist viel leichter zu gehen. Man kann ja immer etwas Besseres bekommen, so die Hoffnung. Die Enttäuschung, dass das danach nicht besser, sondern nur anders ist, kennen wir alle.
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Ältere Paare – die Nachkriegsgeneration -, die haben so oft gestritten, dass die Fetzen flogen. Wir alle kennen wohl solche Ehen. Genau dieses Streiten hat aber etwas Reinigendes. Beide Seiten haben das Gefühl, sie hätten ein Stück gewonnen. Man lernt, sich durchzusetzen und nicht aufzugeben. Stattdessen arrangiert man sich. So nach dem Motto: Entweder gehe ich unter oder streite mir das aus!
Leider wird diese Streitkultur weniger. Bei jungen Paaren erlebe ich keine Strategien des konstruktiven Streitens. Eher lassen sie komplett los und gehen aus der Beziehung. Wenn ich aber nie streite, füge ich mir immer selbst die größte Enttäuschung zu, weil ich das, was ich mir wünsche, nicht erreichen kann. Lieber räume ich kampflos das Feld.
Dabei wäre es gerade in der heutigen Zeit so wichtig und sinnvoll zu lernen, wie man gut streitet. Diejenigen, deren Eltern das bereits vorgelebt, haben einen Vorteil. „Räume dein Zimmer auf!“ oder „Hast du schon für die Schule gelernt?“ - das sind die ersten Fragen, die Kinder mitkriegen und auf die sie sagen können: Nein, ich weigere mich. Es sind die ersten Möglichkeiten für Kinder, eine eigene Meinung zu bilden und in Widerstand zu gehen. Wenn sich ihre Eltern dann auf einen konstruktiven Streit einlassen, entwickelt sich eine Verhandlungssituation. Klassisches Beispiel: Die Jugendliche möchte ausgehen und um Mitternacht nach Hause kommen. Die Eltern wollen, dass sie schon früher heimkommt. Man diskutiert so lange, bis sich eine Lösung auftut. Die kann darin bestehen, dass das Kind die Entscheidung der Erwachsenen akzeptieren muss. Oder die Eltern geben etwas nach, und die Jugendliche sieht, dass sie verhandeln kann.
Leider haben das viele nicht erlebt. Sie haben nur das „Nein“ gehört.
Dann ist die Frage: Wenn ich als Erwachsener ein „Nein“ höre, heißt das, dass ich nicht mehr nachfragen muss? Bedeutet eine Zurückweisung in der Partnerschaft, dass es für mich eine Möglichkeit gibt, daran zu arbeiten oder ziehe ich mich völlig zurück? Im zweiten Fall wird es für Beziehungen schwer. Denn konfliktunfähige Menschen, die sich als „schweigender Partner“ zurückziehen und nichts mehr sagen, nicht mehr gesprächsbereit sind, killen jede Beziehung.
Um richtiges Streiten mit dem Partner zu lernen, ist es wichtig, in der Beziehung immer wieder kleinere Themen aufzugreifen und zu diskutieren. Immer wieder zu fragen: Warum lässt sie/er das Kaffeehäferl liegen, obwohl es mich nervt? Heißt das, sie/er liebt mich nicht – oder gibt ihr/ihm das einfach ein Gefühl der Geborgenheit? Ist es Respektlosigkeit, mir das zuzumuten – oder erinnert sie/ ihn das an die Kindheit? Muss ich es zwänglich sehen und kann mit dem Menschen nicht mehr zusammenleben?
Konflikte in Beziehungen sind eine gute Methode sich selbst besser kennenzulernen und herauszufinden, wie viel Toleranz und Freiheit gestatte ich dem anderen. Oder um für mich zu lernen, meine eigenen Grenzen auszudehnen. Nicht immer muss man dabei alles zu zweit klären. Manchmal ist es gut, wenn Ratschläge und Impulse von außen kommen. Das können Paare ruhig zulassen, ja, für sich nutzen:
Einmal kam ein Ärztepaar zu mir in die Praxis. Sie hat ihm vorgeworfen, alles liegen zu lassen. Er hat die gemeinsame Wohnung als „sterilen OP“ bezeichnet, weil sie ihm immer hinterherräumt. Die Fetzen sind geflogen und ich habe zugehört. Eines Tages präsentierte sich eine Lösung: Sie lagerten die Arbeit an eine Haushaltshilfe aus! Nicht nur, dass die es geschafft hat, das Haus rein zu halten, vielmehr ist es ihr gelungen, die beiden in ihrer Partnerschaft zu disziplinieren und zu erziehen. Als die zwei Ärtze zu mir gekommen sind haben sie von ihr geschwärmt: „Die Haushälterin ist das Beste, was uns passieren konnte. Sie arbeitet gar nicht so viel im Haushalt, aber sie hat uns gezeigt, wie man leben kann.“
Eines weiß ich aus meiner Erfahrung: Wer lernt, konstruktiv zu streiten, findet immer eine Lösung – und wenn die darin besteht, eine Haushaltshilfe anzustellen. Oft sind es schon so kleine Veränderungen, die eine Beziehung entscheidend verbessern.
geralt/pixabay