Bilals schweres Leben im Menschenzoo von #Berlin-#Neukölln (2)

Der zweite Teil des (nicht ganz real-)satirischen Gastbeitrages von Lars Rizinus, den die PENNTO-Redaktion (das Magazin für grüne Jugend, Langzeitstudenten und andere Betonköpfe) aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt hat: Das (vielleicht gar nicht so) frei erfundene harte Schicksal von Bilal aus Neukölln. Bereits gestern erschien der erste Teil.

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Als Bilal gerade 14 Jahre alt war, hat die Polizei ihn bei einem Tankstellenraub auf frischer Tat ertappt. Woher er die Waffe hatte, wollte er nicht sagen – weder bei der Polizei, noch später beim Gericht. Ein rund 55 Jahre alter, weißer und rassistischer Jugendrichter sah das als sogenannte „strafschärfende Einlassung“ an. Ein kaltherziger Mann ohne Empathie und Mitgefühl für Bilals hartes Schicksal – schließlich hatte er nie eine Chance. Sein Pflichtverteidiger, ein ebenfalls alter, weißer und rassistischer Mann, hat ihm geraten, das Urteil zu akzeptieren. Couragierte Rechtsanwält*INN*e*N gibt es zwar auch, aber selten. Und die Berliner Gerichtsjustiz teilt die Pflichtverteidiger*INNEN nicht nach Bedarf, sondern willkürlich zu.

Das Urteil fiel dann letztlich im September 2017, fast zwei Jahre nach der Tat: Dreißig Sozialstunden. Er hatte nur zwei Monate Zeit, diese abzuarbeiten. Zweimal wurde ihm diese Frist verlängert, doch seit Mai 2018 muss er ersatzweise einen einwöchigen Dauerarrest absitzen. Es war ein schrecklicher Tag als der gelbe Brief ankam. Und es kommt noch schlimmer: Aktuell gibt es elf weitere anhängige Verfahren, jederzeit kann eine weitere Vorladung vom Gericht kommen. Welche Perspektive soll Bilal dann im Leben noch haben?

Die Angst als Dauerzustand

Bislang hat Bilal sich erfolgreich vor seinem Haftantritt gedrückt. Doch seit vor neun Monaten die Vorladung ankam, ist jeden Tag die Angst da, dass die Polizei vor der Tür steht. Bislang ist zum Glück nichts passiert. Vielleicht hat er sogar eine Chance, unter dem Radar durchzugehen. Aber soll er sich darauf verlassen? Oder gar versuchen, sich mit anderen Identitätspapieren der Justiz zu entziehen? Bilal denkt darüber nach, möchte aber bei dem Thema nicht ins Detail gehen.

Als er einmal Opfer eines rassistischen racial profilings durch weiße Polizist*INN*en wurde, ist Bilal das Herz fast in die Hose gerutscht: Bei einem seiner seltenen Ausflüge zu den Berlin-Arcaden wurde er nach einem Ausweis gefragt. So sieht der strukturelle Rassismus deutscher Behörden aus: Da werden die vielzitierten „Südländer“ ohne jeden Anlass nach Papieren gefragt. Und was das für Bilal hätte bedeuten können, kann sich jeder denken: Sollte jetzt die Fahrt ins Gefängnis anstehen? Doch zu seinem Glück war in diesem Moment gerade der Polizeifunk zum Erliegen gekommen. Es war kein Personenabgleich mit der Leitstelle der Polizei möglich, Bilal konnte wieder gehen.

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Bilal war stets auch Opfer der strukturellen Behördengewalt. Bis zu drei Sozialarbeiter*INNEN kümmerten sich gleichzeitig um die Familie. Doch bei so vielen Kindern geht einer schnell unter. Seit seine älteren Geschwister erstmals selbst Eltern wurde – Bilal ist inzwischen elffacher Onkel – geriet er aus dem Fokus. Niemand interessierte sich mehr für ihn: Weder als er mit sieben die erste Zigarette rauchte, noch als er mit acht Jahren anfing, die Schule zu schwänzen. Auch hier: Die neoliberale Politik spart in den Ämtern, die für die Opfer*INN*en des Kapitalismus da sind. Bilals Leben ist die Folge dessen.

Die unmenschliche Seite Deutschlands

Nur insgesamt 34 Mal brachten ihn Mitarbeiter*INN*en der Ordnungsamtes auf Initiative der Schulleitung in den Unterricht – doch an manchen Tagen auch nicht. Wenn Bilal in der ersten Pause wieder verschwand, hat das oft auch keinen gestört. „Schule war nicht meine Welt“ sagt er. Sein Bildungsstand ist irgendwo zwischen der zweiten und dritten Klasse hängengeblieben. Von Multiplikation und Division versteht er nichts, aber er ist handwerklich gut. Doch die Lehrstellensuche verlief erfolglos. „Was soll ich machen?“

Für Bilal gibt es keine Zukunft. Vielleicht landet er eines Tages doch noch im Gefängnis. Verurteilt ist er – aber das heißt in Berlin nicht viel und das ist seine Hoffnung. So lebt er in den Tag hinein. Ab Monatsmitte, wenn das Geld knapp wird, zahlt er im Supermarkt nur noch manchmal. Er kann nichts dazu. Er ist ein armer Mensch in einem reichen Land. Und er sollte uns alle eine Mahnung sein, wie wichtig es ist, ausreichende Regelungen zur Antidiskriminierung, zum Antirassismus und zur Integration für die zu schaffen, die ab 2015 neu dazugekommen sind. Damit diese es mal besser haben als Bilal. Freundlich sagt er „Tschüss“ und geht seiner Wege. Wie es wohl mit ihm weitergeht?

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