Benhur Arcayan https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Franciscus%27_trip_to_Sri_Lanka_and_the_Philippines_in_2015#/media/File:Pope_Francis_Palo_11.jpg
Als wir letzte Woche gelesen haben, was der Papst zu Abtreibungen sagt, dachten wir erst an einen schlechten Scherz. Aber es war echt. Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, vergleicht er mit schwerkriminellen Auftragsmördern. Auch wenn hier sein lateinamerikanisches Temperament mit ihm durchgegangen sein mag, aber das ist – mit Verlaub – grober Unfug. Solche Äußerungen zeugen von vielem, aber von keiner intellektuellen Reife. Und wer meint, eine der schwersten ethischen Fragen der Menschheit mit einer ebenso simplen wie dümmlichen Parole ex cathedra beantworten zu können, der soll nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, ernstgenommen zu werden.
Vorweg: Wir sind uns durchaus darüber im klaren, was eine Abtreibung für ein schwerer Eingriff ist. Und gerade deshalb macht das keine Frau aus einer Laune heraus oder weil sie keine Lust hat, gerade schwanger zu sein. Die Frau selbst muß am Ende in beide Richtungen mit ihrer Entscheidung leben: Sie wird entweder Mutter – und bleibt das für immer. Oder sie läßt einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen – und muß dann für den Rest ihres Lebens mit der Gewißheit einer Abtreibung zurechtkommen.
Und genau das ist der Grund, warum es niemanden gibt, der einen Menschen in dieser Entscheidung bevormunden kann. Nicht die Familie, nicht der Kindsvater, schlicht niemand. Der Slogan „Mein Bauch gehört mir“ mag altbacken sein, aber letztlich ist er richtig. Wer, wenn nicht der betreffende Mensch selbst, die werdende Mutter, soll über eine solche Frage entscheiden? Eine Frau, die in diesem Konflikt steht, mag eine Familie und Freunde haben, die ihr beistehen können. Aber am Ende kann ihr niemand diese Entscheidung abnehmen. Auch nicht der Papst.
Ein alter Mann und eine verzweifelte Frau
Der Papst ist 81 Jahre alt und stolz drauf, noch Jungfrau zu sein. Ob ihn das dazu qualifiziert, die Situation einer verzweifelten jungen Frau nachvollziehen zu können, sei dahingestellt. Wir vermuten, daß er keine Ahnung von der Lebensrealität der Menschen hat, die sich aus welchen Gründen auch immer für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Und selbst wenn er das könnte, es geht ihn schlicht nichts an. Auch als Platzhalter für den wiederkehrenden Messias (der läßt sich aber auch Zeit …) steht ihm eine solche Einmischung nicht zu.
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Überhaupt müssen wir uns fragen, wie es in unserer Welt um die körperliche Selbstbestimmung steht. Wir diskutieren in der BRD über die Frage, wie wir mit Beschneidungen von Jungen oder Mädchen umgehen. Wir sagen ganz klar: Sowas gehört verboten. Ende. Auch die Eltern haben kein Recht, ihren hilflosen Babys einen solchen Eingriff anzutun oder antun zu lassen. Da ist uns auch egal, was in irgendwelchen sich für heilig haltenden Büchern steht. In einer aufgeklärten Gesellschaft gilt kein Glaube mehr, sondern der Rechtsanspruch auf körperliche Unversehrtheit. Dieses hat im Zweifel auch Vorrang vor klerikaler Tradition zu haben.
Und gerade beim Thema Beschneidung stellen wir uns noch eine ganz andere Frage: Bei so manchen Beschneidungsbefürworter_Innen – und hier nutzen wir bewußt die Gender-Gaga-Form des Wortes – sind wir uns ziemlich sicher, daß es nicht um gelebte Religionsfreiheit geht. Was wir hier in nicht wenigen Fällen haben, sind männerfeindliche Kastrationsphantasien, die mit dem vermeintlichen Recht der Eltern, ihr Kind beschneiden zu lassen, korrespondieren.
Abtreibungen verhindern – aber richtig
Wir sind sehr wohl der Meinung, daß es die politische Agenda im Land sein sollte, die Zahl der Abtreibungen zu reduzieren. Aber nicht mit einer Strafandrohung wie man sie bis in die 1970er Jahre hatte. Ja, man muß Frauen in einer solchen Notsituation ein Angebot machen und Perspektiven für das Leben mit dem Kind schaffen. Man muß Möglichkeiten schaffen, daß ein Kind für eine alleinstehende Frau nicht zum Armutsrisiko wird. Bei sehr jungen Frauen sollte man zudem Mittel und Wege finden, die Ausbildung, das Studium oder die Schulkarriere weiterzuführen. Und ja, hier sind politische Handlungsfelder zu definieren und auszufüllen.
Und hier wiederum ist auch die Kirche gefragt. Nicht der Papst, der in Rom die Weisheit gepachtet zu haben scheint, sondern die Pastoren und die Gemeinden vor Ort. So manch ein Schwangerschaftsabbruch dürfte effektiv zu verhindern sein, wenn engagierte Menschen in der Kirche eine Perspektive für das Leben mit dem unverhofften Babyglück aufzeigen. Und auch umgekehrt: Wenn eine Frau sich für eine Abtreibung entschieden hat, ist es Sache der geistlichen Vertrauensperson dieser Frau in ihrer Situation beizustehen – und nicht mit dem Finger auf sie zu zeigen. Das ist wahre Nächstenliebe.
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