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Wir sind ohne Wenn und Aber für einen gesetzlichen Mindestlohn. Jeder muß von seiner Hände Arbeit leben können. Einen künstlich geschaffenen Niedriglohnsektor, den SPD und Grüne mit Unterstützung von CDU, CSU und FDP zwischen 1998 und 2005 schaffen wollten, lehnen wir ab. Wir halten auch Arbeitsplätze für nicht schützenswert, die nur dann finanzierbar sind, wenn der Arbeitnehmer sittenwidrig wenig Geld verdient. Stundenlöhne von drei, vier oder fünf Euro halten wir für unmoralisch.

Es war daher richtig, daß 2015 – zehn Jahre nach der Einführung von Hartz 4 – der gesetzliche Mindestlohn gefolgt ist. Wenn das Geschäftsmodell mancher Firmen dadurch zusammenbricht, so weinen wir dem keine Träne nach. Im Gegenteil: Mit der anziehenden Konjunktur sind so manche dubiose Arbeitgeber wegen Personalmangel vom Markt verschwunden. Niemand sollte es nötig haben, für einen Hungerlohn zu arbeiten. Ein Mindestlohn ist auch kein Arbeitsverbot für Geringverdiener. In einer Sklavenhaltergesellschaft gab es auch immer genug für alle zu tun, aber wir leben im Zeitalter der Menschenrechte und der Aufklärung.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut. Sie sorgt dafür, daß die Lohnfindung nicht zum Spielball zwischen Regierung und Opposition, nicht zur Verhandlungsmasse zwischen Bund und Ländern wird. Die Löhne festzusetzen obliegt den Tarifparteien. Diese sind an politische Weisungen nicht gebunden. Bei der Bildung der Tarifparteien gilt sowohl für Arbeitgeberverbände als auch für Gewerkschaften das Prinzip der Koalitionsfreiheit. Darüber hinaus können sich weder die Verhandlungsführer der Arbeitgeberverbände ihre Gewerkschaften noch die Gewerkschaften ihre Verhandlungspartner auf Arbeitgeberseite aussuchen.

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Wir wissen allerdings auch, daß niedrige Stundenlöhne nur eine von mehreren Ursachen für Erwerbsarmut sind oder Working Poor, wie es neudeutsch heißt. Ein anderer Grund kann unfreiwillige Teilzeitarbeit sein, wenn etwa nur Arbeitsstellen mit 25 oder 30 Stunden in der Woche angeboten werden. Der Arbeitnehmer würde gerne deutlich länger arbeiten, erhält von seinem Arbeitgeber aber keine Möglichkeit dazu und findet in seinem Beruf auch keinen anderen Arbeitsplatz, der bei gleichem Stundenlohn mehr Arbeitszeit vorsieht.

Vorsicht ist geboten

Der Mindestlohn betrug am 1. Januar 2015 pro Stunde 8,50 Euro brutto und ist seitdem auf ähnliche Art und Weise gestiegen wie auch die Rente und die Hartzsätze: Eine unabhängige Mindestlohnkommission sieht sich die Inflation und die Lohnsteigerungen an, entsprechend geht man an die Fortschreibung ran. Deshalb wurde dies auch vor dem Bundestagswahlkampf 2021 nie politisch thematisiert, weil ein Konsens herrschte, daß im Bundestag nicht über die Höhe des Mindestlohnes debattiert worden soll.

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Das ist jetzt anders. SPD, Grüne und FDP wollen an der Mindestlohnkommission vorbei einen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro in der Stunde schaffen. Damit soll die Binnennachfrage angekurbelt und die Arbeit lohnenswerter gemacht werden. Das Problem ist: Wenn die Hemmung einmal fällt, dann steht auch zu befürchten, daß im Bundestag bei einem sich verändernden Zeitgeist über eine Senkung des Mindestlohnes debattiert wird. Wir erinnern uns noch gut an die gänzlich anders intonierten Debatten der 1990er und frühen 2000er Jahre, aus denen die Hartzagenda entwachsen ist.

Wertschöpfung sicherstellen

Wir sind zwar für einen gesetzlichen Mindestlohn, aber wir brauchen vor allen Dingen produktive Arbeitsplätze: Wir müssen die Deindustrialisierung stoppen und uns klarmachen, daß eine geschlossene Autofabrik nicht durch die Ansiedlung von einem oder mehreren Paketdienstleistern auf dem gleichen Areal kompensiert werden kann. Der Baumarkt ersetzt nicht die Elektronikfabrik. Eine Volkswirtschaft, die darauf basiert, daß man sich gegenseitig die Haare schneidet, kann auf Dauer ihren Wohlstand nicht halten.

Die BRD braucht Zukunftsperspektiven für junge Menschen: Es muß lukrative Arbeitsplätze für gut ausgebildete und motivierte Arbeitnehmer geben. Hierfür sind Wirtschaft und Industrie frühzeitig aufgerufen, frühzeitig den Kontakt mit Schulen und ihren Absolventen suchen und verstärkt in die Ausbildung, in ihr künftiges Humankapital zu investieren. Auch kommende Generationen müssen Produkte herstellen können, damit gute Löhne und im Alter eine gute Rente finanziert werden können. Wir müssen unsere Industriegesellschaft in die Zukunft führen anstatt sie abzuwickeln.

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