Nicht #Salvini, das #Handelsblatt ist populistisch

Das Blut der Opfer der Brückentragödie war noch nicht getrocknet, da fing das Handelsblatt schon an, gegen die von der Mehrheit der BRD-Hofberichterstatter so verhaßte italienischen Regierung zu schießen. Die rechtspopulistische Regierung gibt der EU die Schuld, wie Nationalisten, die per definitionem von gestern sind, das nunmal tun. Erst, wer die sozialistische Zukunftsgesellschaft ...äh… die europäische Einheit und ihre moralische Überlegenheit erkennt, sieht, in welch dunkle Zeiten uns Leute wie Salvini führen.

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Sehen wir uns doch einmal genauer an, was der italienische Innenminister da sagt. Machen wir uns Gedanken über die Frage, welche Aufgaben der Staat hat, wofür das Steueraufkommen da ist und an welcher Stelle auch ein Haushaltsdefizit in Ordnung ist. Denn jenseits des moralischen Zeigefingers, den das Handelsblatt da über den Alpenkamm schwingt, hat Matteo Salvini hier Dinge angesprochen, über die es sich nachzudenken lohnt – auch vor dem Hintergrund der oft desolaten Infrastruktur.

Die Vorhaltung einer verkehrssicheren Infrastruktur gehört zu den ureigenen Aufgaben des Staates. Selbst Anhänger staatsferner Ideologien wie dem Libertarismus oder dem Minarchismus werden das bestätigen. Selbst ein Nachtwächterstaat muß neben funktionierenden Sicherheitsstrukturen noch eine ebenso wichtige Infrastruktur vorhalten. Das ist in Italien – wie auch inzwischen in weiten Teilen der BRD – nicht gelungen. Das Todesdrama von Genua zeigt das. Ein Staat, der seine Aufgaben nicht erfüllt, kann tödlich sein; nicht nur bei einer nicht mehr funktionierenden Polizei.

Das Haushaltskorsett der Eurozone

Die Staatsverschuldung soll nicht über sechzig Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen, die Nettoneuverschuldung nicht über drei Prozent. So steht es in den Maastrichter Verträgen, die oft genug nicht eingehalten werden. Gleichzeitig darf die Inflationsrate nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte höher liegen als in den preisstabilsten Eurostaaten. Man kann die Sinnhaftigkeit dessen jetzt lang und breit diskutieren. Das überlassen wir der Wissenschaft. Wir möchten auf was anderes raus.

nattanan23 https://pixabay.com/de/geld-home-m%C3%BCnze-investitionen-2724235/

Ein Staat, der keine eigene Wachstumspolitik betreiben kann, weil er haushaltspolitisch in ein solches Korsett gezwängt wird, der gleichzeitig auch seine Währung nicht abwerten kann, um wettbewerbsfähiger zu werden, der verliert an haushaltspolitischer Handlungsfähigkeit. Da hat Matteo Salvini recht. Italien blieb zwischen 1949 und 1989/90 im Vergleich zur alten West-BRD wettbewerbsfähig, weil die D-Mark immer wieder aufgewertet wurde, die Lira jedoch immer weiter an Wert verlor und zudem hohe Inflationsraten vorhanden waren.

Der Deutsche hat aus historischen Gründen eine berechtigte Inflationsangst. Das ist in Italien nicht der Fall, die gehen da anders mit um. Das hat aber zur Folge, daß man seine Politik dort anders organisiert. Warum auch nicht? Es ist ja schließlich ein souveräner Staat, was geht uns das an? Was geht es die deutsche Bundesregierung an, wie sich Italien verschuldet? Was geht die italienische Infrastrukturfinanzierung Herrn Schäuble, Herrn Scholz oder Frau Merkel an? Von Harald Juncker ganz zu schweigen (oder war es Jean-Claude Juhnke?).

Raus aus dem Euro?

Man stelle sich einmal vor, die Italiener kündigen die Maastrichter Verträge auf. Salvini hat sowas in diese Richtung angekündigt, vor dem Hintergrund der Brückentragödie von Genua nicht zu unrecht, wie wir finden. „Ich sage, daß beim nächsten Haushalt die Sicherheit der Italiener im Mittelpunkt stehen muß und das Recht auf Leben, Gesundheit und Arbeit, und daß dann erst die Einschränkungen der EU kommen.“ Zumindest ist es verständlich, daß die italienische Regierung berechtigterweise ihre Haushaltspolitik selbst machen will.

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Könnte Italien aus dem Euro ausscheiden? Vielleicht. Wer wäre dann der Gelackmeierte? Die BRD! Die Targetsalden der Bundesbank haben unlängst eine Billion Euro erreicht, auch wenn sie jüngst wieder leicht unter diese psychologisch so wichtige Marke gefallen sind. Italien ist größer Schuldner im Target-2-System. Das heißt im Klartext: Geht Italien aus dem Euro raus, müssen mehrere hundert Milliarden Euro abgeschrieben werden.

Wie sagt der Volksmund? Wenn Du der Bank hunderttausend Euro schuldest, hat die Bank dich in der Hand. Aber wenn Du der Bank hundert Millionen Euro schuldest, hast Du die Bank in der Hand. So ist das hier auch. Italien ist ein Großschuldner, der über die Target-2-Salden so enorme Verhandlungsmasse hat, daß sich niemand einen Ausstieg Italiens leisten kann. Also wird der nächste italienische Haushalt womöglich ganz anders aussehen. Ob den Eurokraten das paßt, oder nicht. Auch, wenn das Handelsblatt Rechts-, Sozial- und sonstwas für einen Populismus attestiert.

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