Wahrscheinlich wird die umstrittene #ehefueralle heute, Freitag, im Bundestag beschlossen: Die rot-rot-grüne Mehrheit reicht und vielleicht – wenn es wirklich eine freie Gewissensentscheidung ist – könnte auch der eine oder andere Unionsabgeordnete zustimmen. Man darf gespannt sein. Wir hatten ja erst diese Woche dargelegt, wieso das Thema unserer Ansicht nach nicht zu den Hauptproblemfeldern der BRD gehört.
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Nichtsdestotrotz ist die Bundeskanzlerin mit ihrem Auftritt beim Brigitte-Talk – und hier vermissen wir die Elefantenrunde alter Tage – koalitionsbrüchig geworden. Es ist im Koalitionsvertrag vereinbart, daß an der Rechtslage gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften nichts geändert wird. Eine vollständige Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren ist darin ausdrücklich nicht vorgesehen. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD im vierten Quartal 2013 geeinigt.
Nun könnte die Bundeskanzlerin natürlich auf den Koalitionsvertrag bestehen. Wenn der Koalitionspartner mit einer anderen Mehrheit gegen die Regierungspolitik stimmt, ist das üblicherweise ein Grund, eine Regierung platzen zu lassen. Demnach könnte die Bundeskanzlerin die SPD-Minister entlassen und die Koalition für beendet erklären. Das ist aber nur eine theoretische Option und sie weiß das. Sie kann das jetzt nicht machen und muß die SPD gewähren lassen, auch auf die Gefahr hin, daß sie den Rückhalt in ihrer eigenen Partei vollends verliert.
Denn was passiert, wenn sie die SPD-Minister entläßt? Dann wird die rot-rot-grüne Mehrheit wahrscheinlich nach den für diesen Fall vorgesehenen 48 Stunden auf dem Wege eines konstruktiven Mißtrauensvotums Angela Merkel aus dem Palais Schaumburg hinauskomplimentieren und Martin Schulz zum Kanzler wählen. Dieser hätte dann in den letzten Wochen vor den Wahlen den Amtsinhaber-Bonus und die Unionsparteien stünden ohne Spitzenkandidat da – es sei denn, Merkel würde versuchen, sich das Amt zurückzuholen.
Sie weiß das, denn man kann ihr viel unterstellen, aber hier denkt sie die Dinge taktisch und vom Ende her. Sie hatte seit Mauerfall und Einheit nur ein einziges Ziel: Bundeskanzlerin zu werden. Das ist ihr vor zwölf Jahren gelungen und jetzt möchte sie den Posten solange es geht behalten. Dafür wird sie auch morgen gegen den Widerstand ihrer eigenen Partei und vor allem gegen den der Schwesterpartei aus Bayern die #EheFürAlle zum Gesetz werden lassen.
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Dabei ist das ganze natürlich gewagt. Es ist gut möglich, daß jemand vor dem Bundesverfassungsgericht klagt. Selbst Horst Seehofer wird zumindest damit drohen. Ob er seinen Worten diesmal Taten folgen läßt, ist natürlich nochmal eine andere Frage. Aber bei so einem Schnellschuß besteht selbstverständlich die Gefahr, daß das ganze in Karlsruhe einkassiert wird. Entsprechende Rechtsgutachten liegen bereits vor.
Und jetzt stellen wir uns mal vor, das ganze wird wirklich gekippt. Weil man womöglich die eine oder andere Grundgesetzänderung hätte herbeiführen müssen – und das mit einer Zweidrittelmehrheit, die sich wahrscheinlich nicht finden wird. Wie steht die BRD dann da? Was sagt man dann homosexuellen Ehepaaren, wenn das Gesetz, auf deren Basis sich geheiratet haben, plötzlich ungültig ist?
Was wir hier erleben ist daher etwas generell gefährliches: Wenn die Gesetzgebung im Blitzverfahren passiert, dann kann es Pannen geben: Gesetze können mangelhaft formuliert sein, was zu ungewolltem Richterrecht bei der Anwendung führen kann. Oder das Gesetz kann verfassungswidrig sein. Verläßlichkeit bei einem Gesetzgebungsverfahren muß oberste Priorität genießen. Und genau das sehen wir hier akut gefährdet.