Alle Jahre wieder naht der Reformationstag - und mit ihm der gegenwärtig stattfindende kutlurspezifische Verdrängungsprozess, der eine Form struktureller Gewalt und Diskriminierung von zahlreichen Minderheitsreligionen ist.
In diesem Text versucht der aktive Blogger und freie Journalist Erin Zeykowitsch auf Basis der sonst in Medien üblichen Argumente gegen Diskriminierung und Konservatismus aufzuzeigen, warum gerade linke und liberale Menschen das Fest eigentlich NICHT feiern können, sofern sie wirklich von ihren eigenen Argumentationsketten überzeugt sind.
Kulturelle Aneignung als perfider Alltagsrassimus
Wie wir alle Wissen, ist Kulturelle Aneignung eine besonders perfide Form des Rassismus, der zanlreiche Menschen weltweit diskriminiert (siehe: hier). Gerade wenn es um Halloween geht, das als harmloses Fest und als Freizeitspaß für Kinder und Jugendliche dargestellt wird, haben wir es in Wahrheit mit einer fundamentalen Geschichte des strukturellen Rassismus durch kulturelle Aneignung zu tun, die vielen Menschen gar nicht als solche bewusst ist.
Die Wurzeln dieses Festes gehen angeblich auf keltische Bräuche zurück - unter anderem das inzwischen wieder bekannte Samhain - wobei uns allen klar sein sollte, dass gerade die Kelten eine Geschichte der Diskriminierung und Ausgrenzung hinter sich haben, die im römischen Reich durch Unterwerfungskriege begann und schließlich von der aggressiven Eroberungspolitik auch christlicher Könige auf die Spitze getrieben wurde.
Nichtdestotrotz fand eine Art Übertragung der ursprünglichen Samhain Feiern in das kulturelle Gedächtnis des amerikanischen Bürgertums statt, die darauf schließen lässt das trotz Ausgrenzung und Verfolgung in England und in Kontinentaleuropa einzelne Praktizierende antiker keltischer Kulte diese in ihrer Zeit in Nordamerika zur Zeit des kolonialen Unabhängigkeitskrieges und davor wiederaufleben lassen wollten. Dort hat sich der antike keltische Brauch, offenbar mit verschiedenen indigenen Bräuchen, sowie kulturellen Einflüssen aus Mexico und dem karibischen Vudan-Kult verbunden - und ebenfalls durch Verkleidung Elemente des westeuropäischen Fastnachtsbrauches mit in sich aufgenommen, freilich ohne dass auch nur eine der genannten Quellreligionen und Quellkulturen hierfür von den spießbürgerlichen Halloweenfeiernden in irgendeiner Weise um Erlaubnis gefragt oder für die Verwendung der genannten kulturellen Elemente entschädigt worden wäre.
Somit ist die Basisdefinition der kulturellen Aneignung, schon von Beginn des Halloweenfestes per se, klar erfüllt, wie wir sie auch auf Wikipedia (hier) nachlesen können!
Indem dieses Fest nun wieder zurück nach Europa importiert wird, findet also eine multidimensionale kulturelle Aneignung polyvektoriellen Ausmaßes statt, die per se ungeahnte Dimensionen von Rassismus und Intoleranz enthält. Verstärkt wird dies natürlich dadurch, dass es zahlreiche Scherz- und Trunkenbolde gibt, die sich zusätzlich noch als Afrikaner, Inder, Indianer, Chinese und ähnlich diskrimnierende Darstellungsformen meinen hervortun zu müssen!
Halloweendarsteller verspotten - großteils ohne es zu Wissen oder zu beabsichtigen - zahlreiche Weltreligionen und Minderheitsreligionen und diskriminieren so deren Gläubige!
Ein Beispiel: der Ahnenkult und die Verehrung der heiligen Verstorbenen, sowie deren Geister und Erscheinungsformen in jenseitigen Welten ist ein fundamentaler Bestandteil zahlreicher Religionen, Kulte und Kulturen.
Gerade die indigenen Völker Mittelamerikas, aber auch Süd- und Nordamerikas, hatten tiefgehende schamanische Kulturen, in denen Heiler und Schamanen während schamanischer Initiationen rituell in die Anderswelt und/oder das Totenreich reisten. Wie schon der bedeutende Religionswissenschafter Mircae Eliade in seinem Werk Schamanismus und archaische Ekstasetechnik ausführt, galten und gelten Intiaten unterschiedlicher schamanischer Kulturen sogar für die Zeit solcher Initiationen als Angehörige des Totenreichs - und durften so nur mit aufgemalten Geisterrüstungen in Dörfer und Dorfgemeinschaften einkehren, wobei sie sich an strikte kulturell-spirituelle Vorgaben und Rituale zu halten hatten.
All dies wird im Halloweenbrauch mißachtet! Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dieser Brauch ursprünglich von christlichen Fundamentalisten in Nordamerika eingeführt wurde, UM die indigenen Völker - die die arroganten und aggressiven Europäer damals als unterlegen ansehen - dem Spott und der Lächerlichkeit preiszugeben. Was soll denn zum Beispiel ein Schamane einer solchen Kultur denken, wenn er sieht, die Kinder und (teils angetrunkene) Jugendliche in ähnlichen - aber offenbar scherzorientierten - Verkleidungen von Haus zu Haus ziehen, oder schwer betrunken in Innenstadtlokalen abhängen?
Es wäre für diesen Schamanen - genau wie für Angehörige seiner Kultur, ein extrem verstörender Anblick, und ein nicht nachvollziehbarer Spott und Hohn, die heiligen Elemente der eigenen Kultur in solcherlei Unart karikiert wiederzufinden.
Dabei ist der Schamanismus als indigene Form von Spiritualität und Kultausübung weltweit stärker verbreitet, als viele Europäer heute annehmen. Seine Verbreitung reicht vom gesamten amerikansichen Kontinent, über Australien, Neuseeland, die polynesischen Inseln, über Weite Teile Afrikas, über die Mongolei bis hin nach Sibirien und Nordeuropa! Selbst die fahrenden Völker in Osteuropa haben noch stark schamanische Elemente in ihren Kulturen enthalten. Und auch diese und ihre Kultur werden natürlich unbewusst von den Halloweenfeiernden diskrimniert, zumal sich immer wieder Personen als "Zigeunerfrau" oder ähnliches maskieren.
Die Darstellung von Zombies und Untoten ist eine Verspottung des christlich-jüdischen Auferstehungsglaubens und wird auch von muslimischen Gelehrten als haram eingestuft!
Was ebenfalls auffallend ist, ist dass ein Zombie, Vampir oder Untoter ebenfalls keine harmlose Verkleidung ist. Zum einen wird den Kindern dadurch eine Verharmlosung des Okkulten nahe gelegt, was auch von unterschiedlichen christlichen Communities immer wieder betont wird. Zum Anderen, ist ein Untoter - egal in welcher Form - natürlich immer eine Art Wiedergekehrter. Jemand der die Tore der Anderswelt - oder sogar des Totenreichs - durchschritten hat und nun in einer Art Zwischenwelt zwischen Tod und Leben gefangen scheint.
Vielen Menschen und Kulturen ist ein solches Wesen hochgradig suspekt - und Teil von teils horrenden, teils lehrreichen Überlieferungen. Der Untote triggert somit kulturspezifische Ängste (vergleiche den Glauben an die Strigoi in Osteuropa oder Bräuche zur Abwehr der Wiedergekehrten aus dem Mittelalter). Und ob manche es glauben oder nicht - gerade in Osteuropa ist die reale Furcht vor diesen Wesen immer noch sehr präsent - bis hinein in die Völksfrömmigkeit! Leider werden daher missgestaltete und mit körperlichen Einschränkungen geborene Kinder bisweilen bis in unsere Zeit hinein als strigoi vii bezeichnet und diskriminiert - wiederrum etwas, das durch den Halloweenkult leider noch verstärkt werden kann!
Gleichzeitig ist ein Untoter aber eben auch eine Art Auferstandener, dessen Auferstehung aber nicht vollständig stattgefunden hat. Es scheint fast, als wäre der Untote damit auch eine Verballhornung des christlichen Auferstehungsglaubens - und damit der gesamten christlichen Heilsbotschaft - und das unmittelbar vo einem traditionellen, christlichen Feiertag der mit einem Gedenken an die Verstorbenen einhergeht.
Dabei ist der Glaube an die Auferstehung keine rein christliche Überlieferung, sondern in allen abrahamitischen Religionen weit verbreitet. Er begründet auch im orthodoxen Judentum eine Vielzahl von Festen, Feiern und Bräuchen, die das Leben und den Sieg des Lebens über den Tod zum Inhalt haben. Auch im Islam ist der Glaube an eine Auferstehung fundamentaler Bestandteil des Glaubgenslebens, denn in der Auferstehung findet auch dem Islam zu Folge das Gerichtshandeln Gottes seinen Höhepunkt - und gerade wenn der Gläubige seine Aufnahme ins Paradies findet, somit auch die Gnade Gottes.
Es ist somit für die Angehörigen vieler Religionen verstörend, wenn es aus primär offenbar kapitalistischen Motiven heraus, einen angeblichen Brauch gibt, der all diese Momente der heiligen Überlieferungen der Religion - großteils aber wie gesagt sicher unbeabsichtigt - mißachtet und Kindern und Jugendlichen durch Gruppenzwang eine okkult vorbelastete Parallelrealität verkauft.
Halloween verdrängt den Reformationstag - als Gedenktag an Verfolgung und Unterdrückung zahlreicher Minderheitskirchen weltweit!
Alleine wer die heutige - hysterische - Darstellung des Halloweenfestes in heimischen Medien verfolgt hat, der sieht schnell, dass überall uns heute Halloween verbal und medial präsentiert wird, begleitet von diversen Süßigkeiten und Scherzartikeln, die natürlich schon länger davor im Handel erhältlich sind. Halloweenparties werden in zahlreichen Bars und Lokalen beworben - dem frohen Schaffen ist dabei keine Grenze gesetzt.
Was dadurch aber wieder in den Hintergrund gerrückt wird, ist der 31.Oktober als evangelischer Feiertag, an dem die weltweite evangelische Christenheit dem Leiden und der Verfolgung - aber auch dem Sieg und der Freiheit - evangelischer und reformierter Gemeinschaften weltweit gedenkt.
Dies ist keine Kleinigkeit: zahlreiche evangelische und protoreformatorische Minderheitskirchen wurden in Europa einer monströsen und unmenschlichen Verfolgung ausgesetzt - und das über verschiedene Jahrhunderte hinweg! Indem diesen Kirchen, die oft als Minderheitskirchen in der Diaspora leben, um diesen gedenktag gebracht werden, geschieht ein weiteres historisches Unrecht, so dass die damals verfolgten Christen und Christinnen durch den Halloweenbrauch erneut der Schmähung durch die unreflektiert handelnden Massen ausgesetzt werden!
Halloweenprodukte sind Einwegprodukte aus Kunststoff, die oft in Billiglohnländern wie China produziert werden und von dort mit einer horrenden Klimabillanz nach Europa und die USA importiert werden!
Wir leben in zeiten, in denen gerade der Klimaschutz immer wichtiger wird. Das Weltklima erhöht sich permanent und Mikroplastik wird beinahe endlos in die Meere - und damit auch die menschliche Nachrungskette - gespühlt.
Was glauben Sie, wie viel % des alljährlichen Schadstoffausstoßes alleine für die Produktion, den Verkauf und den Import- und Export von ansonsten sinnbefreiten (und kurzlebigen) Halloweenprodukten entsteht? Ich bin sicher: eine ganze Menge. Denn was viele Menschen nicht wissen, ist, dass derlei Produkte oft ganzjährig in hochindustrialisierten Billiglohnländern (China, Indien, Pakistan) produziert werden, nur um den immer größeren,w eltweiten Hunger an diesen Spaßutensilien zu stillen.
Aus meiner Sicht ist daher klar: wer heute als Jugendlicher etwas für den Klimaschutz tun möchte, der sollte das ganze Jahr über auf Halloween verzichten - und auch andere Mensche über die klimaschädlichen und kapitalistischen Seiten von Halloween informieren. Statt sinnbefreiten und unpopulären Klebeaktionen, wäre ein mehrjähriger Halloweenboykott im großen Stil hier wohl wirklich die klimaschonendere und nachhaltigere Alternative!
Halloween verharmlost Kriege und Epidemien, sowie Gewaltverbrechen - weltweit!
Vielleicht sind Ihnen zu Halloween auch schon Figuren begegnet, die Kriegsverletzte (hier habe ich sowohl Darstellungen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg als auch der französischen Revolution wahrgenommen), Soldatenzombies (derselben Ära, mitunter aber auch in Ritterrüstungen und verrosteten Kettenhemden) oder blutübertrömte Krankenschwestern dargestellt haben? All dies ist ja leider auf sehr reale Geschehnisse, teils von weltpolitischem Ausmaß zurückzuführen.
Die tatsächlich dargestellten Personen, hätten vermutlich Alles dafür gegeben, eben nicht in sinnlosen Kriegen umkommen zu müssen, oder schwer verletzt daraus hervorzugehen. Auch Krankenschwestern, die in globalen Epidemien an vorderster Front stehen und in Krisenzeiten vielleicht selbst teils schwerwiegenden Erregern ausgesetzt werden, oder die sogar im Dienst umgekommen sind, verdienen es aus meiner Sicht nicht, durch Kinder und betrunkene Jugendliche solcherart der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden.
Von daher ist dies eine weitere, antigenderfaire und hochproblematische Seite des alljährlichen Halloweenklamauks, die wir eben mitbedenken sollten.
Wie würden Sie sich beispielsweise als Flüchtling fühlen, der gerade noch mit Haut und Haaren einem Krieg oder Bürgerkrieg entkommen ist, und nun die Verharmlosung und Verspottung dieses Geschehens medial und ungefiltert voll und ganz abbekommt? Ich würde in diesem Brauch durchaus ein integrationspolitisches Problem sehen, das Integration und Assimilation in die heimische Kultur nicht erleichtet, sondern erschwert - und teils ungeahnte psychische Folgen für Traumatisierte und Kriegsgeschädigte haben kann!
Eines wurde durch das gesagte jedenfalls klar: Halloween ist ein Kult mit verschiedenen Aspekten kultureller Aneignung, der Verdrängung von Minderheitsreligionen, der antigenderfair ist und zudem das Weltklima in zunehmendem Maße - durch Produktion in Billiglohnländern und den weltweiten Warenverkehr mit sinnbefreitem Plastikspielzeug - belastet.
Was soll ein kritisch denkender Mensch sich also denken, wenn all diese Fakten von Medien und Politik in unseren Breiten totgeschwiegen werden, während genau jene Argumente allesamt auf dieses Fest zutreffen, mit denen ansonsten ganzjährig fröhlich um sich geworfen wird?
Ich jedenfalls komme zu 2 verschiedenen Gedankengängen: Entweder ist der ganze Klimbim mit dem Medien sonst so unter dem Jahr daherkommen, dann doch nicht so wesentlich - oder es wird einfach all das bewusst und absichtlich ignoriert, damit man einfach einmal öfter im Jahr mal so richtig die Sau rauslassen kann - was ja auch eine eigene Gewichtung und Einordnung des sonst allgegenwärtigen Aktionismusses und der momentanen Verfasstheit unserer Gesellschaft und Kultur ermöglicht. ^^