Was heute wenige Wissen: sowohl in Schweden als auch in der Schweiz gab es von den 1930ger bis Ende der 1980ger Jahre Fälle von Zwangssterilisation. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern wurde so - teils gegen deren erklärtem Willen - eine sogenannte Sterilisation durchgeführt. Es handelt sich dabei um einen medizinischen Eingriff, der die Fruchtbarkeit beider Geschlechter durch einen künstlichen Eingriff unterbindet, unterbricht und so den Probanden dauerhaft in seiner Fortpflanzungsfähigkeit schädigt.
Wie ich in einem anderen Blogbeitrag bereits ausgeführt habe, sehe ich einige Parallelen zwischen der heute stattfindenden Impfpflichtdebatte und der - leider erst im Nachhinein geführten - Debatte rund um die Zwangssterilisation in der Schweiz und auch in Schweden.
Notiz und Anmerkung: Mit den angeführten Argumenten möchte ich den Verteidigern oder Befürwortern einer Impfpflicht weder unterstellen, dass sie bewusst eine ähnliche Argumentationskette verfolgen, noch überhaupt Kenntnis von diesen historischen Parallelen haben. Ich meine aber, dass die Erfordernis eine Pflicht zu einer medizinischen Maßnahme zu erlassen per se fragwürdig ist, was ich mit diesem Beitrag auf Basis des Vergleichs der strukturellen Argumente beider - aber völlig verschiedener - Argumentationsketten darlegen möchte. Weder soll behauptet werden Impfpflichtbefürworter würden auch eine Zwangssterilisation befürworten, noch umgekehrt. Beide Lager können die jeweils andere Maßnahme sehr wohl verurteilen und ablehnen. Es soll bewusst keine Unterstellung in irgendeine Richtung erfolgen. Die Argumente der Befürworter beider Positionen sollen aber erfasst und im augenscheinlichen Zusammenhang dargestellt werden.
Die zentrale Prämisse dieses Blogbeitrags lautet dabei: Eine Position der unbedingten Gültigkeit der Menschenrechte als Grundlage der Debatte zu vertreten.
Von unserer Warte aus muss klar sein, dass wir hier eine Position der Menschenrechte vertreten, die die subjektiven Freiheitsrechte des Einzelnen in den Fokus und Vordergrund der Argumentation hebt. Eben damit sie nicht vergessen werden. Und eben damit Dritte kein Schindluder mit diesen fundamentalen Grund- und Menschenrechten treiben können. Denn hier ist - wie sich gerade auch in der Debatte um das Symbolegesetz in Österreich zeigt - nur die öffentliche Debatte der Garant dafür, dass diese nicht von Machthabern und Mächtigen im öffentlichen Diskurs unter den Tisch fallen gelassen werden.
Eben diese Menschenrechte - und damit auch die Menschenwürde - der von Zwangssterilisation in der Schweiz und Schweden Betroffenen wurden in ihrer Zeit nicht gewahrt. Sie wurden (von an sich westlichen Staaten) nicht geschützt und nicht verteidigt. Man hatte diese ihnen zueigenen Menschenrechte schlicht "unter den Tisch" fallen gelassen. Wir heute Lebenden können das damals geschehene Unrecht nicht wieder gut machen - wir können aber dafür sorgen (und haben auch die moralische Verpflichtung dazu), dass sich so etwas nie wieder wiederholen kann. Und eben deshalb, müssen wir darüber reden.
Wenn wir so frei - auch gedanklich noch frei genug - sind, uns mögliche Gemeinsamkeiten in den Argumentationsketten zwischen Impfplichtbefürwortern und (damaligen) Befürwortern der Zwangssterilisation ansehen, fallen uns schnell einige - aus meiner Sicht - auffällige Parallelen ins Auge.
Zum Ersten: Die Befürworter der Impfpflicht sprechen - wie die Befürworter der Zwangssterilisation - von einer strukturellen Zwangsmaßnahme um einen vermeintlich positiven Effekt für Gesundheit, Sicherheit und soziales Gefüge herzustellen.
Wenn es um die Debatte zu einer möglichen Impfpflicht gegen Covid-19 oder Sars-Cov-2 geht, sprechen wir - und das müssen wir uns vergegenwärtigen - immer von einer Pflicht des Einzelnen die das übergeordnete System staatlicher Herrschaft ihm aufzwingt, und damit einer staatlich verordneten strukturellen Zwangsmaßnahme. Es handelt sich um eine Maßnahme, die den Einzelnen auf Basis einer veränderten Gesetzeslage (und / oder durch sozialen Druck) bei sonstigen Sanktionen dazu nötigen soll sich ungeachtet dessen klarer Willensentscheidung zur Vornahme eines medizinischen Eingriffs bewegen zu lassen. Und dies stellt - nach klarer Abwägung der individuellen Interessenslage aller Beteiligten - einen massiven Eingriff in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung dar, die ohne weitere gesetzliche Grundlage jedenfalls als zweifelhaft angesehen werden muss (vgl. Charta der Grundrechte der europäischen Union, Art. 3).
"Im Bericht zum Entschädigungsgesetz ist festgehalten, daß aufgrund der historischen Forschung kein Zweifel daran bestehen könne, daß viele Opfer nur unter Zwang ihre Einwilligung zur Sterilisation gegeben hätten." (Quelle: Wecker, 2019, S. 108)
Ich hielte es für hochgradig fragwürdig, wenn ein mögliches Gesetz, das eine Impfpflicht begründen würde, zwar eine klare Einwilligung nach umfassender medizinischer Aufklärung zur Vorgabe der Medizin machte, aber bereits eine historische Parallele existiert, in der Probandinnen und Probanden nur unter Zwang - teils auch unter Vorspielung falscher Tatsachen - zu dieser Einwilligung bewegt werden konnten. (vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sterilisationsgesetze#Schweiz)
Eine Einwilligung setzt an sich die persönliche freie Willensentscheidung des Betroffenen voraus. Daher ist bereits die aktuelle Praxis, in der Menschen sich einem manipulativen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit unterziehen um "Freiheiten" zurückzugewinnen oder "Lock Downs" abzuwenden, hochgradig fragwürdig. Eine erzwungene Einwilligung ist aus meiner Sicht überhaupt keine Einwilligung, sie ist bestenfalls eine Duldung und wäre in anderen Bereichen klar dem Strafrecht zúzuordnen (Beispiel: Vergewaltigung, Nötigung).
Dennoch ist es wichtig festzuhalten, dass Impfpflichtbefürworter nicht per se aus unredlichen Interessen handeln. Sie wollen mehrheitlich einfach die Rückkehr zu einer weitgehend von Freiheitsrechten geprägten post-covid-Normalität für sich und alle Anderen ermöglichen. Alleine: Sie machen aus meiner Sicht den Denkfehler, dass sie die individuelle Freiheit - und damit auch die Selbstverantwortung - des Einzelnen nicht als primäre Handlungsmaxime interpretieren, sondern den Einzelnen gleichsam zu seinem Glück "drängen" oder (im vermeintlich höheren Interesse Aller) sonstwie bewegen wollen. Dabei ist nach wie vor nicht klar, warum eine freiwillige Impfung die - angeblich - vor einem schweren Verlauf aber nicht vor Übertragung schützt, den Impfpflichtbefürwortern dafür nicht auseicht.
Es muss dazu auch gesagt werden, dass die in der Schweiz durchgeführten Sterilisationen nicht alle gegen den Willen von Probanden bzw. Probandinnen durchgeführt wurden, sondern von politischen Kreisen auch als wirksame Maßnahme zur Verhütung gesehen und genau dafür kritisiert wurden (vgl. Wecker, 2019, S.102) Es gab also tatsächlich eine ähnliche Debatte wie heute rund um die Impfpflicht. Die Zwangssterilisationen, die ich in diesem Beitrag primär kritisiere, waren also nicht die Norm, sondern etwas wie die Schattenseite dieser damals geführten Debatte. Das halte ich für einen wichtigen und wesentlichen Punkt.
Zum Zweiten: Sowohl die Befürworter der Impfpflicht, als auch die Befürworter der Zwangssterilisation, bemühen sich ohne juristischen (gesetzlichen) Druck auszukommen und die Verantwortung für die Maßnahmen auf Arbeitgeber, Anbieter und Gewerbetreibene (kurz: die Gesellschaft) abzuwälzen.
In einer vor kurzem in der österreichischen Medienlandschaft publizierten Gesprächsrunde zwischen dem ehemaligen Vorsitzenden und der aktuellen Vorsitzenden der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt legten die Teilnehmer wert auf das Fakt, dass eine Impfpflicht derzeit am besten ohne "gesetzlichen Druck" auskommen sollte.
An sich wäre dies ein noch recht versöhnlich wirkendes Argument. Es scheint, dass es hier eher um eine Obliegenheit ginge, in der es zwar eine Verpflichtung zur Zwagnsimpfung geben sollte, die aber nicht sanktioniert werden würde - zumindest war dies nach erstmaligem Ansehen mein subjektiver Eindruck.
Ich staunte allerdings nicht schlecht, als ich im Zuge meiner Recherchen zum Thema feststellte, dass auch die Befürworter der Zwangssterilisation in der Schweiz versucht hatten lange Zeit ohne eine klare gesetzliche Normierung des Vorgehens auszukommen. Ziel dieses Vorgehens war, sowohl den Medizinern einen größeren Handlungsspielraum zukommen zu lassen, als auch eine Ablehnung des Gesetzesentwurfs oder eine nachträgliche Aufhebung des Gesetzes zu verhindern. Man setzte offenbar sehr stark darauf, dass eine einmal eingeschlagene Praxis auch ohne klare gesetzliche Rahmenbedingung aus Erfordernissen der Anwendbarkeit durchgeführt werden konnte.
Nochmal: Ich möchte den Imfpflichtbefürwortern hier keine Absicht oder Kentnnis dieser historischen Parallelen unterstellen. Existent scheinen diese aber in jedem Fall. Daher möchte ich die beiden Argumente im Rahmen eines neutralen Vergleichs nebeneinander stellen.
"Gegen die Schaffung eines schweizerischen Sterilisationsgesetzes hatten sich sowohl Mediziner als auch Juristen seit der Mitte der dreißiger Jahre gewehrt. Mediziner gingen davon aus, daß ohne gesetzliche Regelung der Entscheidungsspielraum des Arztes größer sei. Juristen wollten das neue eidgenössische Strafgesetzbuch keinesfalls mit der Hypothek eines Sterilisationsparagraphen belasten, da sie annahmen, daß so das ganze Gesetz gefährdet wäre: Die Sterilisation würde in den katholischen Kantonen auf Ablehnung stoßen und im Falle eines Referendums dann zur Ablehnung des ganzen Gesetzes führen." (vgl. Wecker, 2019, S.107-108)
Aktuell haben wir in Europa die gesetzliche Lage, dass es derzeit keine (mir bekannte) gesetzliche Grundlage für eine verpflichtende Zwangsimpfung gibt. Sehr wohl wurde und wird aber seit langem medialer Druck auf den Medienkonsumenten ausgeübt, sich doch bitte impfen zu lassen. Garniert wird dies mit Meldungen über angebliche Verpflichtungen zur Impfung gegen Covid-19 oder Sars-Cov-2 in Big-Tech Konzernen, für Festivalbesucher oder Gäste in manchen Hotelerie- oder Rstaurantbetrieben. Kritischen Beobachtern und Kommentatoren in den sozialen Medien entsteht daher - wie oft geäußert wird - der subjektive Eindruck: Es soll Druck auf den Einzelnen ausgeübt werden. Druck sich einer Post-Marketing-Studie experimenteller Technologien auszusetzen, deren Langzeitfolgen unbekannt sind, und von denen immer wieder schwere Nebenwirkungen berichtet werden (Beispiel hier: der bekannte und beliebte Musiker Eric Clapton, dessen Symptome einer peripheren Neuropathie kurz nach der ersten und zweiten Impfung eins entsprechenden Präparats sich nach seinen Angaben verschlechtert hatten. Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/news/eric-clapton-bereut-astrazeneca-impfung-wegen-schwerer-nebenwirkungen-li.160019). Und das - man mag es mir nachsehen - halte ich für absolut unethisch und mir erschließt sich nicht, wie professionelle Bioethiker hier zu einem anderen Urteil kommen können.
Zum Dritten: Sowohl die Befürworter der Impfpflicht, als auch Befürworter der Zwangssterilisation lehnen eine staatliche Haftung (Entschädigung) für Wirkung und Nebenwirkung der medizinischen Maßnahme kategorisch ab.
Schon früh hatte sich in der Berichterstattung zu Impfungen rund um die Covid-19-Pandemie erwiesen, dass Staaten und Politiker Haftungen für Impfschäden kategroisch ablehnten - teils genau wie Hersteller der fraglichen Präparate. (Quelle: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2087539-Wer-haftet-fuer-Corona-Impfschaeden.html)
Und das ist doch ein spannendes Fakt. Stellen wir uns einen mittelalterlichen Bader vor - eine Art Quacksalber - der uns die "magizoide Wunderkur für überhaupt alles", die "garantierte Panacea supream" verkaufen wollte. Fragten wir Diesen ob er uns denn mittels persönlicher Haftung auch im Falle unerwünschter Nebenwirkungen die Ungefährlichkeit seiner Substanz versichern wollte, würde er sich sicher relativ schnell aus dem Staub machen. Und unser Vertrauen in seine mirakulöse Mixtur würde schwinden. Nicht so jedoch, wenn es um experimentelle m-RNA Impfstoffe und Vektor-Vakzine geht. Denn dann sind die natürlich super, selbst wenn die Hersteller aus juristischen Gründen keinerlei - oder nur eine eingeschränkte - Produkthaftung garantieren können. (Quelle: https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/coronavirus/covid-19-impfstoffe-keine-haftung-fuer-hersteller/)
"Am 3. September 2003 sprach sich die Schweizer Regierung, der Bundesrat, gegen eine Entschädigung der Opfer von Zwangssterilisationen und -kastrationen aus. Er widersprach damit dem Parlament, das am 24. März 2000 ohne Gegenstimme beschlossen hatte, eine solche Entschädigung gesetzlich zu regeln, und zwar analog zum Opferhilfegesetz (OHG), das Bund und Kantone gemeinsam zur Hilfeleistung an Opfer von Straftaten verpflichtet." (vgl. Wecker, 2019, S. 101)
Da stellt man sich doch unweigerlich die Frage: Was soll das eigentlich? Da entwerfen und verhängen westliche Staaten und Regierungen medizinische Eingriffe, die sie bestimmten Personengruppen angedeihen lassen wollen, weigern sich aber für die - vielleicht auch unerwünschten - Folgen und Nebenwirkungen der von ihnen verursachten Maßnahmen gerade zu stehen? Da fragt man sich doch als kritischer Zuseher unweigerlich, wo denn da die vielgepriesenen Menschenrechte bleiben, von denen Politiker und Journalisten so gerne sprechen. In der Praxis scheinen diese ja bestenfalls eingeschränkt zu gelten - wenn überhaupt. Was auch Kritiker aus dem rechtskonservativen Lager immer wieder bemängeln - und dafür natürlich viel gescholten werden.
Zum Vierten: Sowohl zu den Befürwortern der Impfpflicht als auch der Zwangssterilisation gehörten Personen, die nicht primär ideologische, sondern wissenschaftliche Absichten und Interessen damit verbunden hatten.
Unstrittig ist, dass sowohl Kritker als auch Befürworter der Zwangsimpfung per se Gutes bewirken wollen. Beide Seiten haben wissenschaftliche Positionen und Expertenmeinungen bei der Hand, die die jeweiligen Positionen untermauern. Eben deshalb sollten wir eine neutrale Debatte über Für-und-Wider der Impfungen und Therapiemöglichkeiten gegen bzw. von Covid-19 oder Sars-Cov-2 führen, die es der persönlichen Selbstverantwortung und individuellen Frieheit überlässt sich und andere bestmöglich vor Infektion oder Ansteckung zu schützen.
Unstrittig ist ebenfalls, dass sogar Befürworter der Sterilisation in der Schweiz und in Schweden keine ideologischen Hardliner, sondern teils führende Wissenschaftler ihrer Zeit wahren, die dachten sie würden im Interesse der individuellen Wohlergehens als auch des wissenschaftlichen Fortschritts handeln. Alleine: ihre Hypothesen haben sich rückwirkend in Teilen als Falsch erwiesen. Verhaltensänderungen nach erzwungenen medizinischen Eingriffen konnten auf Traumata zurückzuführen sein und wurden keinesfalls von allen Betroffenen auch als positiv interpretiert. Alleine: die getätigten Eingriffe waren irreversibel. Und eben deshalb sollen und müssen uns diese - wie ich meine großteils unbekannten und unbewussten - Parallellen der Argumentationsketten zur Mahnung und Warnung dienen. Auch die psychische Gesundheit und das psychische Wohlergehen von Betroffnen muss uns ein zentrales Kriterium der öffentlichen Debatte sein bzw. werden. Und dieses wichtige Kriterium vermisse ich in der öffentlichen Debatte vollständig. Vielmehr findet eine Art Politikum statt, das die Gesundheit des Einzelnen zur politischen statt persönlichen Frage gemacht hat. Wir müssen dringend wieder eine gesamtgeselllschaftliche Basis finden, auf die sich Befürworter wie Gegner der Impfpflicht einigen können um von dort aus eine sachlich und fachlich richtige Entscheidung zu treffen. Dies wäre - in meinen Augen - in jedem Fall das Gebot der Stunde.
Quellen zur Aufarbeitung der Zwangssterilisation und den Argumenten ihrer Befürworter: Wecker, R. (Jänner 2019), Vom Verbot, Kinder zu haben, und dem Recht, keine Kinder zu haben
Zu Geschichte und Gegenwart der Sterilisation in Schweden, Deutschland und der Schweiz. https://www.vr-elibrary.de/doi/abs/10.7788/figurationen.2003.4.2.101