Konfrontationen mit einer anderen Kultur

Ein Artikel inspiriert von einem Beitrag auf theladies.at

https://www.theladies.at/2016/11/3-ladies-3-meinungen-wieso-ich-feministin-bin/

Seit drei Wochen bin ich nun in Ecuador. Ich bin bei einer Gastfamilie untergekommen und habe hier eine Gastmama und Gastgeschwister. Und nicht nur das, die ganze Familie hat mich freundlich empfangen und das sind einige: Meine Gastmutter hat fünf Geschwister, dazu kommen deren Partner, Kinder, Schwiegerkinder und Enkel. Alle haben sich längst daran gewöhnt, dass man mit mir zwar reden kann, aber bitte nur langsam, deutlich und mit mehrfachen Wiederholungen.

Und so sitze ich oft daneben, lächle und antworte stammelnd auf die üblichen Fragen: Wie gefällt die Ecuador? Wie ist es in Österreich? Schmeckt dir das Essen?

Und dann sitzen wir bei meine Gastonkel und seiner Familie, gemütlich bei Yukkabrot und heißer Schokolade, vor dem bereits Anfang November dekorierten Weihnachtsbaum und ich werde gefragt:

"Kannst du kochen? Europäische Frauen können doch nicht mehr kochen, oder?"

Und plötzlich kommt da viel zusammen. Zunächst die trotzige Rebellin:

Natürlich kann ich kochen. Nicht weil ich eine Frau bin, sondern weil ich 28 Jahre alt bin und seit zehn Jahren nicht mehr zu Hause wohne, ohne zu verhungern oder mich ausschließlich von Fertiggerichten zu ernähren.

Aber diese Logik funktioniert hier nicht, denn in Ecuador ziehen sowohl Töchter als auch Söhne meistens erst aus wenn sie heiraten. Mit meiner Selbstständigkeit kann ich hier also nicht punkten.

Dann kommt die wütende Feministin: Warum zum Teufel werde ich das gerade gefragt? Mein Kopf formuliert in einem leicht säuerlichen Ton: "Ja, ich kann kochen, außerdem habe ich einen Masterabschluss, lerne gerade eine dritte Fremdsprache und war letzte Saison unter den besten acht SpielerInnen meines Pokervereins."

Aber das wäre gegenüber dem Gastgeber unhöflich gewesen - ja das ist trotz des Kommentars immer noch wichtig - und hätte meine Gastmutter in Verlegenheit gebracht.

Außerdem hätte es nichts gebracht, denn ich wäre damit nur auf taube Ohren gestoßen und hätte Kopf schütteln über mein Verhalten ausgelöst.

Was also stattdessen tun? Und plötzlich schleicht sich die richtige Antwort in meinen Kopf: "Es ist ja nicht so, dass europäische Frauen nicht kochen können. Es ist nur so, dass europäische Männer das auch können."

Und noch viel mehr. Da fällt mir mein Freund ein, der ein viel besserer Koch ist als ich. Oder mein Vater, der zwar nicht kochen kann, aber Herrscher über den Geschirrspüler ist und auch weiß, wie unsere Waschmaschine funktioniert. Oder mein Cousin, der mehrere Monate Vaterschaftsurlaub genommen hat, als sein Sohn zwei Jahre alt war.

Und ich beginne ein Bild von Europa zu zeichnen, dass viel besser, moderner, ausgeglichener ist, als die Realität. Aber vielleicht inspiriert es ja den Gastgeber. Und wenn nicht ihn, dann vielleicht seinen 13jährigen Sohn, der mit uns am Tisch sitzt. Und wenn auch ihn nicht, dann wenigstens mich selbst.

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robby

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fischundfleisch

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