"Wer sich als Weltbürger fühlt, ist ein Bürger aus dem Niemandsland" (Theresa May, zitiert nach "die Zeit" vom 13. Oktober 2016)
Theresa May übernahm das Amt der britischen Premierministerin nach dem das britische Volk sich in einem Referendum für den Brexit ausgesprochen hatte. Und es scheint als hätte man keine Passendere finden können, denn ein Zitat wie das obige passt so gar nicht zu Europa, zu seinen Ideen und zur Realität des 21. Jahrhunderts.
Ich bin in Wien geboren und aufgewachsen, ich fühle mich als Wienerin. Da gibt es Charakterzüge, Eigenheiten und Erinnerungen, die unveränderlich zu meiner Persönlichkeit gehören und die mich immer als Wienerin ausweisen werden. Dieses Herz schlägt immer und überall in meiner Brust.
Aber ich habe in Deutschland studiert, habe einige Jahre in Stuttgart gelebt, hatte viele Bekannte und Freunde aus dem Schwabenland und es gab eine Weile die Überlegung dort zu bleiben. Mein Herzle schlägt schwäbisch.
Dazwischen war ich einige Wochen in Istanbul, damals - bevor Erdogan versuchte das Land in eine Diktatur zu verwandeln - eine der schönsten, herzlichsten und lebendigsten Städte der Welt. kalbim türkiye için atıyor.
Jetzt gerade mache ich ein Praktikum in Ecuador, ich lebe hier seit knapp drei Wochen und werde noch weitere drei Monate hier bleiben. Noch ist es zu früh zu sagen, ob dieses Land mein Herz erobern wird, aber die Schönheit, die ich bis jetzt gesehen habe und die Freundlichkeit, mit der ich aufgenommen wurde, macht es wahrscheinlich, dass ich am Ende nach Hause fahre und sage: Mi corazón late por Ecuador
Der Punkt ist, diese Orte müssen sich meine Liebe nicht teilen, ich habe einfach mehr Platz gemacht.
Und ich bin dadurch heimatverbundener geworden, als ich es zu Hause jemals hätte werden können. Denn wenn mich irgendwo auf der Welt jemand fragt: "Wie ist es in Österreich?", dann erzähle ich stolz von den schneebedeckten Alpen, von den glitzernden Seen, vom Stephansdom und von Sachertorte. (Die, die meine Oma früher gemacht hat, nicht das trockene Zeug aus dem Hotel.) Wäre ich in Wien geblieben, niemals hätte ich diese Dinge so zu schätzen gelernt.
Wenn also Theresa May den in Großbritannien lebenden Indern oder Polen erzählt, oder wenn ein HC Strache das den in Österreich lebenden Türken und Syrern suggeriert, eine Marine LePen den Franzosen mit algerischen oder marokkanischen Wurzeln, ein Donald Trump den in den USA lebenden Lateinamerikanern, dass Weltbürger - also Menschen, die mehr als einen Ort, ein Land auf dieser Welt ihr zu Hause nennen - Bürger eines Niemandslandes sind, dann wissen sie schlicht nicht wovon sie sprechen. Heimatliebe ist kein absoluter Wert, der aufgeteilt wird. Heimatliebe wächst, vermehrt sich, multipliziert sich, ergänzt sich.