"Wir brauchen den ja eigentlich nicht mehr" - wozu noch Feminismus?

Lange hat das faultierchen nichts von sich hören lassen, was hauptsächlich an technischen Unmöglichkeiten lag, während einer langen Südamerikareise.

Gleich mein erster Tag dieser Reise war der 8. März - Weltfrauentag. Ein Festtag in Buenos Aires, die größten Straßen der Stadt gesperrt, zehntausende Frauen und Männer jeden Alters, die für Gerechtigkeit, Gleichheit und Sicherheit für Frauen demonstrierten.

Bildquelle: https://www.npla.de/poonal/der-8-maerz-in-argentinien-frauen-im-gemeinsamen-kampf-gegen-eine-patriarchale-welt/

Ich war von der Größe der Veranstaltung positiv überwältigt und noch mehr von der Aufbruchsstimmung und der Motivation der Frauen. Naiv wendete ich mich an das 19 Jahre alte deutsche Mädchen, dass mich auf meinem Spaziergang durch die Stadt begleitete und frage mich laut, warum es so etwas bei uns eigentlich nicht gibt. "Naja, bei uns gibt es ja eigentlich nichts mehr, wofür man kämpfen müsste als Frau."

Ist das so? In Österreich verdienen Frauen immer noch weniger für die gleiche Arbeit, vor allem in Führungspositionen. Sie arbeiten häufiger in Niedriglohnbranchen und Teilzeit, weshalb sie - besonders wenn sie alleinerziehend sind - häufiger von Armut betroffen sind. Aber gut, es gibt Verbesserungen, vor 20 Jahren war das alles noch schlimmer.(1) Politik braucht Zeit und es ist ja auch nicht einfach so etwas durchzusetzen in einem Land, in dem zwei Drittel der Bevölkerung glauben, dass Kinder Schaden nehmen, wenn die Mutter arbeiten geht. Also kein Grund zu demonstrieren, oder?

Ein Haufen Männer entscheidet gerade, was Frauen tragen dürfen oder nicht - Stichwort Burka/Kopftuch/Burkini etc. Aber das ist eine kulturelle Debatte, kein Grund am Weltfrauentag zu demonstrieren, oder?

Ein junger, gut ausgebildeter Holländer erklärt mir am Tag nach einer Partynacht, dass er ein wirklich guter Mensch ist, weil er nicht ausgenutzt hat, dass das Mädchen, das ihm nüchtern noch klar und deutlich erklärt hat, dass sie kein Interesse an ihm hat, sturzbetrunken war. Als ich ihm erkläre, dass das ganz normales menschliches Verhalten ist und kein Grund sich selbst auf die Schulter zu klopfen, ist er verwirrt. Aber er ist sicher ein Einzelfall und überhaupt kein Grund zu demonstrieren, oder?

Eine Freundin erzählt mir, dass sie mit ihrer Partnerin nicht ins Freibad gehen kann, ohne das irgendein Typ anbietet, sie beide zu befriedigen, damit sie wissen, dass sie ohne Mann etwas verpassen. Aber das sind ja nur dumme Witze und kein Grund auf die Straße zu gehen und Respekt zu fordern, oder?

Frauen in Europa haben noch immer einiges wofür es sich zu kämpfen lohnt und selbst wenn wir hier die komplette Gleichstellung ohne jede Benachteiligung in allen Bereichen des Lebens hätten, bleibt immer noch die Solidarität mit unseren Schwestern auf dem Rest des Erdballs, die dafür noch kämpfen.

Übrigens, bis zum nächsten 8. März ist es ja noch ein bisschen hin, aber gerade in Österreich hat man mit der Initiative zum Frauenvolksbegehren 2.0 ganz einfach die Möglichkeit seine Stimme zu erheben. https://www.startnext.com/frauenvolksbegehren/unterstuetzen/

(1) aus dem Falter 19/17 Seite 20

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 24.05.2017 21:30:26

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