Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen, meinte einst der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt. Damit beging er eine unzulässige Verallgemeinerung, denn die wenigsten "Visionäre" sind psychopathologische Spinner, die medizinische Hilfe benötigen. Auch wenn Leute einem futuristischen Trugbild unterliegen, beruht dieses meistens nicht auf einer krankhaften Zwangsvorstellung sondern auf zwei weitverbreiteten menschlichen Unzulänglichkeiten: Einerseits ist man zu faul, um sich über einen bestimmten Sachverhalt ausreichend zu informieren. Andererseits, selbst wenn man genügend Einsicht in die Faktenlage gewonnen hat, besitzt man nicht den Antrieb, die Bedeutung dieser Tatsachen rational zu durchdenken und die eigenen festgefahrenen ideologischen Standpunkte zu hinterfragen. Denn was nicht sein soll, darf nun mal nicht sein.
Die immer noch weitverbreitete aber realitätsverleugnende Vision eines friedfertigen Islams beruht genau auf diesen beiden intellektuellen Defiziten. Eine Zeit lang unterlag auch der Historiker und Islamkritiker Hamed Abdel Samad dieser Vorstellung, weswegen ich ihm vor etwa zwei Jahren einen offenen Brief schrieb, in dem ich seine Ansicht widerlegte. Er ist inzwischen auch von der Idee eines reformierbaren Islams abgerückt, was ich aber nicht unbedingt als eine Wirkung meines Briefes betrachte. Da aber die Vision von der Friedfertigkeit dieser angeblichen Religion immer noch durch Politik, Medien und einem großen Teil des Volkes geistert, stelle ich meinen offenen Brief an Abdel Samad hier noch einmal ins Netz. Man betrachte ihn auch als eine Beilage zu meinem kürzlich veröffentlichten offenen Brief an den katholischen Kölner Erzbischof Woelki.
Sehr geehrter Herr Professor Abdel Samad,
Sie haben in einer gewissen Hinsicht eine Ähnlichkeit mit Michail Gorbatschow. Der letzte Generalsekretär der KPdSU glaubte, man könne den Kommunismus liberalisieren, Sie sind offenbar der Ansicht, es bestünde eine Möglichkeit, den Islam zu reformieren. In beiden Fällen handelt es sich um Utopien, die einer rationalen Analyse nicht standhalten. Der allen Deutschen so sympathische Gorbi ist mit seinem Wunschdenken kläglich gescheitert, wurde aus dem Amt gedrängt und versank in politischer Bedeutungslosigkeit. Was Ihre Vorstellung betrifft, könnte man zwar die Auffassung vertreten, daß ein endgültiges Urteil noch nicht gefällt werden kann. Offensichtlich meinen Sie jedoch mit "Reformation" etwas Ähnliches wie das, was sich im sechzehnten Jahrhundert im Christentum abgespielt hat. Dann aber sind Islam und Reformation Begriffe, die einander gegenseitig ausschließen. Ein reformierter Islam ist im Juristenlatein eine contradictio in adjecto, auf Deutsch ein Widerspruch in sich selbst. Ich will Ihnen das erklären.
Man braucht nicht allzu viel über den Islam zu wissen, sondern nur zu beobachten, was täglich um uns herum geschieht, um über Ihre Vorstellung von einer Reformation dieser angeblichen Religion den Kopf zu schütteln. Schon eine oberflächliche Kenntnis würde hierzu ausreichen, aber ich habe den Koran ausführlich studiert und mute mir daher die nachfolgenden Schlußfolgerungen zu. Jede religiöse Grundhaltung, die sich auf den Koran beruft, ist ein enormes Sicherheitsrisiko für die gesamte Menschheit. Deswegen ist die immer wieder betonte Ausdifferenzierung der Islam-Anhänger in Muslime und Islamisten schlicht und einfach Humbug. Koran ist Koran; sowohl Islamisten als auch Muslime berufen sich auf dieses Machwerk, und die sogenannten Islamisten führen die darin enthaltenen "Gottes-Befehle" buchstabengetreu aus. Eine Zweiteilung in gutartige und böswillige Gläubige nimmt man bei anderen Religionen überhaupt nicht vor. Schließlich gibt es (so ist es jedenfalls zurzeit) zwar Christen, Juden und Budddhisten, aber keine ChristenISTEN, JudaISTEN oder BuddhistenISTEN, die Andersgläubigen und Atheisten bei lebendigem Leib die Köpfe abschneiden und das auch noch filmen und als Videos auf Webseiten veröffentlichen.
Der Begriff "Reformation" ist mit Bezug auf den Islam völlig fehl am Platz. Da alle Muslime und Islamisten den Koran als Grundlage ihres Glaubensbekenntnisses betrachten, ist eine Neufassung dieser angeblichen Religion ohne eine Abänderung des Korans nicht möglich und wäre etwas grundlegend Anderes als das, was man im Christentum als die Reformation bezeichnet. Der Koran ist das schriftliche Fundament des Islams, das Alte Testament das schriftliche Fundament des Judaismus und das Neue Testament das schriftliche Fundament des Christentums. Aber die christlichen Reformatoren wie Hus, Luther, Calvin und Zwingli haben keinerlei Änderung des Neuen Testaments vorgenommen. Sie ließen die Bibel, die schriftliche Grundlage ihrer Religion, unangetastet und wandten sich nur gegen Auswüchse, die sich nach ihrer Meinung im Laufe der Jahrhunderte in Abweichung vom Schrifttum oder in Widerspruch zum Geist ihrer Religion eingeschlichen hatten.
Genau das wäre beim Islam umgekehrt. Was Sie, Herr Abdel-Samad, hier als "Reformation" bezeichnen, erfordert eine Abänderung des Korans und damit eine Revision des Fundaments dieser Religion. Eine solche Änderung ist durch den Koran selbst ausgeschlossen, denn so wie dieses Buch abgefaßt ist, spricht ja offenbar der Gott Allah zu seinem Propheten Mohamed, und man kann ja das, was ein Gott sagt, nicht korrigieren oder gar verwerfen. Also ist eine Änderung des Korans nach islamischer Auffassung schlicht und einfach eine Gotteslästerung, eine Todsünde.
Nun heißt es aber in diesem Buch zum Beispiel an mehreren Stellen über die Christen, Juden und Atheisten: "Tötet sie, wo immer ihr sie findet!" Dieser Wortlaut ist eine so eindeutige Anstiftung zum Massenmord, daß er keiner Interpretation zugänglich ist und so kurz und bündig, daß er auch keinen Übersetzungs-Fehler beinhalten kann. Ich selbst habe im Koran 19 Stellen gefunden, in denen zum Töten "Ungläubiger" aufgerufen wird. Es ist aber nicht vorstellbar, den Begriff "reformiert" auf eine Religion anzuwenden, dessen Gott den Massenmord an allen Andersgläubigen befielt. Daher ist auch keine Reformation in unserem Sinne vorstellbar, ohne daß man diese Mordaufrufe aus dem Buch entfernt. Damit würde aber der Koran, das Fundament des Islams, erheblich verändert.
Ändert man aber das Fundament einer Religion, dann ist es nicht mehr dieselbe Konfession, auch nicht eine bloße Sekte der gleichen Religion, sondern eine ganz andere Glaubensrichtung. Im Klartext bedeutet daher das, was Sie als Reformation des Islams betrachten, nichts anderes als die Gründung einer neuen Religion (als ob die Menschheit nicht schon genug Religionen hätte!). Wer glaubt, daß damit der traditionelle Islam abgeschafft würde, der unterliegt einem sehr naiven und sehr gefährlichen Trugschluß. Durch Gründung neuer Religionen werden bestehende Glaubensbekenntnisse nicht aus der Welt geschafft. Auch das Christentum war eine Neugründung, die sich aus dem Judaismus entwickelte, indem die Gründer das ursprüngliche Schrifttum (das Alte Testament) durch ein neues (das Neue Testament) ergänzten, wobei aber einige wesentliche Aussagen des neuen dem alten Schrifttum diametral widersprachen. Mit dieser Neugründung war der Judaismus keineswegs aus der Welt geschafft. Im Gegenteil: Er entwickelte sich von einer lokal begrenzten zu einer global ausgeweiteten Religion.
Versteht man unter Reformation das, was die christlichen Reformatoren wie Martin Luther erreichen wollten, nämlich die RÜCKFÜHRUNG des Glaubens auf seine ursprünglichen Aussagen unter gleichzeitigem Verwerfen der sich seit der Gründung eingeschlichenen Erweiterungen und Abweichungen (wie zum Beispiel die Heiligen-Verehrung, die nicht durch das Neue Testament gedeckt ist), dann ergibt sich hier ein Paradoxon: Ironischerweise sind es nämlich die Islamisten, die auf den Fundamental-Aussagen des Korans bestehen und die eine friedliche Koexistenz mit den "Ungläubigen" als eine Nicht-Beachtung der im Koran enthaltenen Befehle Allahs und damit als einen Verrat an der Religion betrachten. IM ISLAM SIND DAHER DIE ISLAMISTEN DIE REFORMATOREN! Das ist das, was ich weiter oben als eine contradictio in adjecto, einen Widerspruch in sich selbst bezeichne.
Die sogenannten friedlichen Muslime leben also in Widerspruch zu den Fundamentalaussagen der Religion zu der sie sich bekennen. Wie es scheint, sind sie sich dieser Dichotomie im täglichen Lauf des Lebens nicht bewußt oder sie machen sich darüber einfach keine Gedanken. Die überwiegende Mehrheit von ihnen hat den Koran ganz bestimmt nicht gelesen, und man hat den Eindruck, sie folgten einer Gewohnheit und überlieferten Familien-Tradition. Aber der nach außen zur Schau getragene "Frieden" ist trügerisch, denn Umfragen zeigen immer wieder, daß die überwiegende Mehrheit der in Deutschland lebenden "friedlichen" Muslime die Ansicht vertritt, wenn deutsches Grundgesetz und Koran oder deutsche Rechtsordnung und Scharia nicht übereinstimmen oder einander gar widersprechen, dann gebühre der Vorrang dem Koran und der Scharia.
Solche Zwiespältigkeiten bleiben nur so lange friedlich, als sie von flächendeckendem Wohlstand überlagert werden. Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen in der Summe immer noch ziemlicher Wohlstand herrscht, auch wenn sich die Diskrepanz zwischen armen und reichen Bevölkerungs-Schichten immer stärker ausdehnt. Die Wirtschaftsgeschichte lehrt uns jedoch, daß langanhaltende Perioden von Prosperität irgendwann von wirtschaftlichem Niedergang abgelöst werden, wobei das Ausmaß des Niedergangs ungefähr der Intensität des davor abgelaufenen Aufschwungs entspricht.
Wegen der gegenwärtigen enormen Verwerfungen im gesamten wirtschaftlichen besonders aber im monetären Bereich steht es ziemlich außer Frage, daß der gesamten Welt ein Umschwung von jahrzehntelanger Prosperität zu globaler Rezession oder Depression bevorsteht. Der Zeitpunkt dieser Wende kann nicht genau datiert werden, aber die Größenordnung der bevorstehenden wirtschaftlichen Krise wird sehr vermutlich alles das übertreffen, was wir seit der Weltwirtschaftskrise des vorigen Jahrhunderts erlebt haben. Starke wirtschaftliche Niedergänge gehen immer mit schlechter kollektiver Stimmung in der Bevölkerung einher, was erhebliche Konflikte und Auseinandersetzungen ethnischer, ideologischer und religiöser Natur mit sich bringt. Wenn der Wohlstand, der sie lange überlagert hat, weggefallen ist, dann treten die religiösen Überzeugungen und vor allem die religiösen Unterschiede wieder stärker hervor.
Gegen Ende eines starken wirtschaftlichen Abschwungs kommt es zu Kriegen, die ein verheerendes Ausmaß erreichen (die letzte wirtschaftliche Krise ähnlicher Größenordnung in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts mündete in den Zweiten Weltkrieg). Als Ausdruck der ethnischen und religiösen Konflikte, werden sich die "friedlichen" Muslime der Diskrepanz zwischen einem Teil ihrer Lebensart und den Forderungen des Korans stärker bewußt. Sie geraten in einen emotionalen Konflikt, den die Psychologen als kognitive Dissonanz bezeichnen, eine psychische Spannung, die sich jederzeit in Gewalttätigkeiten entladen kann.
Friedliche Muslime gibt es also nur, weil und solange diese nicht wissen oder nicht wissen wollen, was der Koran so alles seinen Anhängern vorschreibt. Wie ein Damoklesschwert hängt über uns die Gefahr, daß diese friedlichen Ignoranten eines Tages mit dem wirklichen Inhalt des Buches besser vertraut werden und anfangen, diesen geistigen Morast ernster zu nehmen. Es braucht nur einige redebegabte, fanatische und charismatische Imame, die das, was sie als "Wahrheit" betrachten, flächendeckend verbreiten können. Solche Prediger erhalten in einer wirtschaftlichen Krise viel stärkere Aufmerksamkeit und stärkeren Zulauf als in Zeiten von Prosperität. Ein Teil der "Friedlichkeit" ist aber auch darauf zurückzuführen, daß die Muslime in den westlichen Ländern immer noch in der Minderheit sind. Ihr prozentualer Anteil an der Bevölkerung wächst jedoch zurzeit rapide infolge ihrer höheren Geburtenraten, vor allem aber durch die massive Immigration aus islamischen Ländern. Es tickt also hier bei uns eine Zeitbombe, deren Detonation nicht mehr aufzuhalten ist, und man kann sich nur noch fragen, wie man den nicht mehr abzuwendenden Schaden möglichst klein halten könnte.
Als Politikwissenschaftler kennen Sie sicher Samuel Huntingtons These vom bevorstehenden (inzwischen eigentlich schon begonnenen) Kampf der Kulturen (clash of civilizations) - eine Auseinandersetzung, die nach Ansicht des Verfassers das einundzwanzigste Jahrhundert prägen wird. Die bisherige Entwicklung gibt diesem Wissenschaftler in geradezu erschreckender Weise recht. Aber auch Huntington hat nicht alles ganz genau vorausgesehen (wer kann das schon!), denn er hat die sich befehdenden civilizations geographisch abgegrenzt. In mindestens einer Ecke des Planeten ist diese Abgrenzung aber nicht mehr gegeben, denn es findet da zurzeit eine dramatische Vermischung mehrerer dieser miteinander inkompatiblen Kulturen statt. Leider leben wir gerade in diesem Teil der Welt. In der Hochphase des von Huntington vorausgesagten clashs wird daher der Nachbar gegen den Nachbar kämpfen, was eines der Phänomene und eine der Definitionen des Bürgerkriegs ist.
Wenn wir also klug wären, würden wir nicht von irgendwelchen Reformationen phantasieren sondern alles tun, um eine weitere Ausweitung dieser kulturellen Vermischung entgegenzuwirken. Wir tun gegenwärtig aber das genaue Gegenteil. Das erinnert an zwei andere Historiker, Oswald Spengler und Arnold Toynbee. Spengler schrieb das Buch Der Untergang des Abendlandes, und wenn man den Titel kennt und sieht, was zurzeit hier in Europa abläuft, dann braucht man das Buch erst gar nicht zu lesen. Toynbee ist für die Aussage bekannt, der Untergang einer jeden großen Kultur erfolge durch Selbstmord. Genau das ist es, was unsere linksgrünen Politiker schon seit einiger Zeit betreiben, indem sie die Massen-Invasion aus dem islamischen Bereich nicht nur mit Wohlwollen behandeln, sondern zum Teil sogar aggressiv fördern. Wenn es in Europa und Nordamerika so weitergeht, dann wird die weitere Entwicklung die Thesen von Huntington, Spengler und Toynbee empirisch bestätigen.
Sie, Herr Abdel-Samad, sind ein lebender Beweis dafür, daß wir uns bereits in der frühen Phase des von Huntington vorausgesagten clashs befinden, denn wie Sie selbst sagen, haben Sie Sich wegen der gegen Sie ausgesprochenen Morddrohungen in ein anderes Land abgesetzt und leben dort zurzeit inkognito. Hoffentlich planen Sie nicht, erst dann wieder ins normale Leben zurückzukehren, wenn der Islam reformiert ist, denn weder Sie noch ich noch sonst irgendjemand wird den Eintritt eines solchen Ereignisses erleben. Sie müßten dann für den Rest Ihres Erdendaseins ein Maulwurf bleiben.
Ich wünsche Ihnen für das Jahr 2016 und die ganze Zeit danach alles Gute und - in Anbetracht der Morddrohungen - ein langes Leben.
Mit freundlichen Grüßen.