Nennt mich einen naiven Idioten. Nennt mich einen naiven linken Idioten. Nennt mich einen Realitätsverweigerer, einen Träumer, einen Phantasten, aber die Türken, die ich kenne, die stehen nicht hinter Erdogan. Als Gossenkind kenne ich viele Türken hier in Wien, sie wohnen in den Gürtelbezirken, hängen da rum, sitzen in Parkanlagen, an Bahnhöfen und in Spielerbuden beim Westbahnhof. Sie kennen mich schon, "Horst" sagt Yusuf immer, wenn er mich durch den Park kommen sieht. Meistens sage ich ihm "später, Yusuf, später gehe ich mit euch was trinken, ich muss arbeiten." Biertrinken mit Ömer, Yusuf und Berat ist für mich schon fast Routine geworden, mindestens einmal die Woche sitzen wir für ein, zwei Stunden zusammen. Sind die Jungs problematisch? Ja, so wie viele in dem Alter, die kein Geld haben und denen die Chancen genommen wurden. Sie sind auf Streit aus und liefern sich mit Neonazis immer wieder Kämpfe. Aber ich schweife ab. Das ist eine andere Geschichte und die will ohnehin keiner hören (und glauben schon gar nicht).
Kommen wir zum eigentlichen Thema. Erdogan. Ein knapper Sieg für den Diktator, heißt es in den Medien. Glaubt ihr das wirklich? Glaubt ihr, dass Yusuf und seine Freunde nicht frei sein wollen? Niemand von ihnen findet Erdogan gut. Aber sie haben Angst. Sie haben Angst vor Spitzel, Angst vor Verfolgung, Angst vor dem Gefängnis, vor Folter und dem allmächtigen Erdogan. Und wenn Yusuf und seine Freunde schon hier in Österreich Angst haben, dann könnt ihr euch denken, was erst in der Türkei los ist.
Die Mehrheit der Türken hat nicht für Erdogan gestimmt, weil sie wollte, sondern weil sie musste.
So, und nun könnt ihr mich beschimpfen, ich lese Kommentare nur, wenn ich über Erotik schreibe, was bald der Fall sein wird.
Mit besten Grüßen,
Horst