Heute auf Twitter, morgen in der Zeitung

Wie kommt es dazu, dass Zeitungen Tweets abdrucken? Werden manche Themen erst „groß“, weil sie auf Twitter herum schwirren? Und wer ist überhaupt die österreichische Twitteria?

Es wird Ihnen wahrscheinlich immer öfters auffallen, nicht erst, nachdem es letzten Sonntag und Montag zwei Diskussionssendungen gegeben hat, die im Großen und Ganzen wegen eines Tweets des Nationalratsabgeordneten Marcus Franz statt gefunden haben. Schauen wir uns einmal an, ob das in Zukunft öfters so ablaufen kann und ob Twitter wirklich so viel mediale Macht hat.

In Österreich bewegen sich derzeit etwa 65.000 User aktiv auf Twitter, insgesamt gibt es ungefähr 125.000 Useraccounts. Der große Unterschied aus den aktiven Usern und der absoluten Anzahl erklärt sich dadurch, dass viele einfach nur mitlesen oder auch gar nichts tun. Die Zahlen stammen aus dem Social Media Radar. Wer sich dann das Twitter-Ranking, also jene Top500-Twitterer mit den meisten aktiven, österreichischen Twitterfollowern ansieht, merkt, dass hier sehr stark Journalisten, Politiker und Kommunikatoren vertreten sind.

Es sind die wichtigsten Journalisten dort sind und sie ziehen aus Twitter oft Input für ihre Geschichten. Sie finden dort Themen, Argumente und Gegenargumente, Experten, Augenzeugen und so weiter. Durch die hinter den Journalisten stehenden Medienplattformen wird aus einem Tweet plötzlich ein Artikel – oder einen Sonntagabendtalkshow und daraus eine landesweite Diskussion.

Aber der Ablauf „Tweet-Artikel/Sendung-Thema“ ist natürlich zu einfach. Meinungsbildung ist ein komplexer, nicht-linearer Vorgang. Voreinstellung, Relevanz, Betroffenheit vom Thema oder individuelles Interesse spielen eine Rolle. Daher kann man nicht sagen, dass Kommunikation A durch eine Person oder eine Organisation beim User/Leser/Hörer/Seher Meinung B auslöst. Meinungsbildung in Gruppen funktioniert noch mal anders.

Doch vor allem auf Menschen, die einem Thema noch unentschlossen, aber interessiert, gegenüberstehen, suchen Orientierung in Medien und sind somit auch Zielgruppe von Journalismus, PR oder auch Propaganda. Wer beispielsweise die Strafrechtsdiskussion mitbekommen hat, aber noch keine endgültige Meinung hat, findet so Input.

Ein weiteres Beispiel: Social Media-Propaganda durch Russland gegen die Ukraine in deutschen Medienforen. Hier wird ganz aktiv versucht, die noch Unentschlossenen für ein gewisses Thema zu beeinflussen.

International gesehen ist Twitter in der Zielgruppe übrigens wesentlich breiter, nicht zuletzt durch die vielen Celebritys auf Twitter. Eine derartige Diskussion wie in Österreich hätte ich noch kaum von wo anders mitbekommen.

Österreich ist da also, wie in vielen Belangen, ein bisschen anders als der Rest der Welt. Und auch wenn die heimische Twitteria es vielleicht gerne glauben mag, so relevant dürfte es doch nicht sein. Dafür läuft die komplexe Meinungsbildung dann doch zu sehr über klassische Medien wie den ORF oder die Kronenzeitung. Die haben Millionen Zuseher und Leser, da kommt Twitter selbst mit allen in Österreich registrierten Usern nicht ran, auch wenn man manchmal diesen Eindruck erlangt.

Screenshot: SocialMediaRadar.at

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:06

Herbert Erregger

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fischundfleisch

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