1,1 Millionen Menschen abonnieren Sami Slimani auf Youtube. Sein neuestes Video, das er vor zwei Tagen gepostet hat, hat knapp 200.000 Klicks. Und Sie kennen ihn nicht? Ich würde mich mit Youtube-Stars auch nicht auskennen, wenn mir nicht Neffen, Praktikanten und Kinder von Freunden erzählen würden, dass sie wegen ihrer Youtube-Stars jetzt auch „Youtuber“ von Beruf werden wollen – was dann natürlich meine professionelle Neugier weckt. Auflösung: Slimani ist ein junger deutscher Video-Blogger („Vlogger“ sagen manche dazu), Schwerpunktthemen: Mode und DIY (Do It Yourself-Manuals). Er macht quasi einen Blog im Videoformat, der Publikationskanal ist Youtube. Doch wie werden ein völlig unbekannter Typ aus Stuttgart und seine zwei Schwestern mit Hilfe einer Kamera und eines Youtube-Accounts zu Popstars? Oder, wie das deutsche Vice Magazine schreibt, „zu den deutschen Kardashians?“
Punkt 1: Durchhaltevermögen. Wie schon Marilyn Monroe meinte: „Über Nacht berühmt werden kann nur, wer untertags hart arbeitet.“ Pro Woche stellt Sami mehrere Videos online, alle ca. 5–8 Minuten lang und das seit fünf Jahren. Und zwar gut geschnittene Videos, professionell produziert und im Gegensatz zu früher sicher nicht mehr mit der Webcam vom Laptop aufgenommen. In fünf Jahren hat sich Sami eine bemerkenswerte Community aufgebaut. An alle Unternehmen, die nach einem halben Jahr mit dem Versuch des Communitybuildings gescheitert sind: Ihr seht, es ist möglich. Aber es kostet einfach Zeit und Ressourcen.
Punkt 2: Youtube ist nicht Fernsehen. Youtube bedeutet auch nicht Mainstream Programm. Youtube ist on demand und long tail, also Nischenprogramm. Übersetzt heißt das: Ich kann auf Youtube ein Tutorial zum Thema Gemüsemuffin suchen, wenn ich vorhabe, einen Gemüsemuffin zu backen. Dann werde ich unter anderem bei Sami Slimani landen. Oder was zum Thema Geschichtsmasken. Nur ist das kein Programm, das zu einer bestimmen Zeit im TV-Programm ein Millionenpublikum fesseln wird. Wenn ich Interesse an einem Thema habe, suche ich auf Youtube danach und finde Sami. Zu vielen verschiedenen Themen, denn da hat sich in fünf Jahren einiges an Material zusammengesammelt. Und wenn ich ein oder zweimal bei Sami gelandet bin, werde ich vielleicht seinen Youtube- oder Facebook-Channel abonnieren und jedes Mal informiert werden, wenn es ein neues Video gibt. Die Nische, die Sami belegt, ist also groß genug, weil er für verschiedenste Themen steht (Fashion, Beauty, Lifestyle, DIY) und weil seine Programme alle jederzeit abrufbar sind. Hinzu kommt: Er und seine Schwestern sind wie in einer Soap Opera Protagonisten, zu denen man eine emotionale Bindung aufbauen kann.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Vergleicht man nun Youtube, seine SeherInnen und seine Formate mit dem klassischen Fernsehen, merkt man, dass hier das veränderte Mediennutzungsverhalten einfach schon voll zuschlägt. Die durchschnittlichen ATV-SeherInnen sind Mitte 40, die des ORF noch älter. Fernsehen ist ritualisiert, man sieht zu einer bestimmten Zeit bestimmte Sendungen. Unter den Jugendlichen verbreiten sich aber die kurzen Youtube-Videos in Windeseile, zu jeder Zeit in Peer Groups und vor allem über Smartphones: Whatsapp, Twitter, Facebook, SMS sind die Verbreitungskanäle.
Ein Fünf-Minuten-Video über den neuesten Fashiontrend kann man beim Warten auf den Bus oder in der Pause ansehen und weiterverbreiten. Zumeist muss man sich auch keine Sorgen machen, dass hier irgendwer mitredet, der nichts von mir als Jugendlicher versteht oder mir jemand etwas verkaufen will. Bis zu einem gewissen Punkt ist auch feststellbar, dass die Abonnentenzahlen sinken, wenn zu offensiv ein bestimmtes Produkt beworben wird. Das wird TV-Sender mit ihrem Anspruch, die größtmögliche Anzahl an Zuschauer zu erreichen und noch Produkte zu verkaufen, in Zukunft vor einige Probleme stellen. Denn Content, der zu glatt ist, zu wenig emotionalisiert oder an der Zielgruppe vorbei geht, hat hier keine Chance.
In den USA haben die Videoblogger tendenziell schon wesentlich mehr Bedeutung und auch durch den größeren englischen Sprachraum mehr Reichweite. Mit dem Youtube Partner Programm (Youtube zahlt den Bloggern einen Anteil der Werbeeinnahmen aus, die durch Adwords in deren Youtube-Channel generiert werden) sind einige Youtuber in den USA schon richtig reich geworden und zwar nicht nur mit Fashion oder Beauty Themen sondern auch mit Gaming oder Techthemen und sehr viel Comedy Serien (Collegehumor, Shane Dawson...).
Dass Youtuber auch hierzulande mal richtig durchstarten, ist ziemlich naheliegend. Schon 2010 gab es eine Beautybloggerin, die mit ihren Makeup-Tutorials sechsstellige View-Zahlen erreichte. Im Vergleich zu dem einen oder anderen Kulturprogramm im österreichischen Fernsehen sind das bemerkenswerte Zahlen. Dennoch wird TV meiner Meinung nach nicht so schnell aussterben – denn die neuen Youtube Formate, die hier entstehen, sind eine gute Ergänzung zum klassischen, linearen TV Programm mit seinen gelernten Formaten. Aber schlechter schlafen sollten die Programmentwickler der TV-Sender schon.