Mon-Satan? Die paranoide Ablehnung gentechnisch veränderter Pflanzen

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Beitrag zur „bösen Gentechnik“ in meiner Facebook-Timeline auftaucht. Oft in Form von Sujets diverser Umwelt-NGOs oder politischer Parteien. Tomaten mit aufgedrucktem Todeskopf oder Maispflanzen mit Gesichtern wecken starke Emotionen beim jeweiligen Betrachter. Noch wirrer als die eigentlichen Sujets sind in der Regel die Kommentare, die man zum Thema liest. Diese reichen von fortschrittsfeindlichen Aussagen wie „Der Mensch darf die Natur nicht verändern. Deswegen ist Gentechnik böse.“ bis hin zur paranoiden Verbreitung von Verschwörungstheorien à la „Die Amis wollen uns alle vergiften“. Dieser Wahn wird in der Regel auch noch jährlich mit weltweiten Demonstrationen („March against Monsanto“) zelebriert.

Auf fisch+fleisch veröffentlichte der Nutzer „EBgraz“ erst kürzlich einen etwas unstrukturiert, um es mal wertschätzend zu sagen, wirkenden Artikel über die „bösen Machenschaften“ von Monsanto. Wie viel der Autor von Gentechnologie versteht, wird klar, als er anscheinend versuchte die Wirkungsweise von „bt-plants“ zu erklären.

Zitat: „Jedes Insekt, das die genveränderte Pflanze anknabbert, stirbt am tödlichen neuen Genbakterium.“

An dieser Stelle würde ich den Autor um eine Definition des Wortes „Genbakterium“ bitten. Soweit es mir im Rahmen meines Studiums bekannt ist, gibt es keine genfreien Bakterien. Insofern erscheint mir der vom Autor begründete Neologismus „Genbakterium“ per se etwas fragwürdig. Es stirbt auch nicht „jedes Insekt“. Bt- Toxine sind, im Gegensatz zu Insektensprays, die im Haushalt und beim Picknick am Badesee verwendet werden, relativ spezifisch für bestimmte Insektenarten. Zudem stirbt das jeweilige Insekt nicht an einem Bakterium, sondern am, vom der transgenen Pflanze exprimierten, Genprodukt des bt-Transgens. Es ist eine beachtliche sprachliche Leistung, so viele sachliche Fehler in einer einzigen Zeile unterzubringen! Diese Mischung aus Unwissen und gefährlichem Halbwissen zieht sich durch den gesamten Artikel. Dieser war auch letztlich mein Anstoß jenen Blogbeitrag zu verfassen.

Die eigentlichen Fakten werden bei der emotional aufgeladenen Debatte rund um GMOs in der Regel vergessen. So müssen GMOs einen umfassenden Zulassungsprozess durchlaufen. Dies liegt in der Europäischen Union in der Hand der EFSA. Solange eine transgene Pflanze nicht klar als unbedenklich gilt (sowohl für die Umwelt als auch für den Konsumenten), kommt es zu keiner Zulassung. Die EFSA veröffentlicht dazu sehr umfassende Reporte, in welchen die jeweilige Empfehlung klar begründet wird. Diese sind frei für jedermann auf der Homepage der EFSA einzusehen. Weiters findet man in wissenschaftlichen Journalen zahlreiche „peer reviewed“ Studien und Metastudien, welche sich der Frage der Unbedenklichkeit zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen angenommen haben. Man sollte auch ganz klar festhalten, dass durch transgene Pflanzen bis dato kein Mensch in irgendeiner Form zu Schaden gekommen ist.

Auch wenn man einen Blick auf die oft kritisierten Biopatente wirft, so muss man festhalten: Schon lange bevor die erste transgene Pflanze das Licht der Welt erblickt hat, war es möglich sich Züchtungen, im Sinne des geistigen Eigentums, schützen zu lassen. Dies nennt sich „Sortenschutz“ und gilt auch noch heute für konventionelle Züchtungen. Biopatente und Sortenschutz sind natürlich zwei unterschiedliche Rechtsinstitute und deswegen auch nur bedingt miteinander zu vergleichen. Prinzipiell muss jedoch jedem klar sein, dass es ohne Schutz des geistigen Eigentums wohl kaum Innovation im Biotech-Sektor geben würde. Forschung und Entwicklung eines Produktes sind kosten- und zeitintensiv. Ferner wird von GMO-Gegnern auch argumentiert, dass Landwirte beim Anbau von transgenen Pflanzen jährlich immer neues Saatgut zukaufen müssten. Dabei wird allerdings vergessen, dass bereits im konventionellen Anbau ein Großteil der Landwirte Saatgut zukauft. Auch beim sogenannten Nachbau müssen die Landwirte bei geschützten (nicht gentechnisch veränderten) Sorten Nachbaugebühren zahlen.

Schlussendlich darf in der gesamten Debatte das Potenzial der grünen Gentechnik nicht übersehen werden. So könnten transgene Pflanzen beispielsweise der Schlüssel zu einer nachhaltigen Landwirtschaft sein. Durch „bt-plants“ wird unter anderem eine signifikante Verringerung des Pestizideinsatzes erreicht. Forschung an widerstandsfähigeren und ertragreicheren Pflanzen könnte zudem eine Möglichkeit sein, den Anbau von Nutzpflanzen in dürren, nährstoffarmen Böden zu ermöglichen. Davon würden insbesondere Länder der „dritten Welt“ profitieren. Auch durch die Folgen des Klimawandels wird ein weltweites Umdenken in Bezug auf grüne Gentechnik erforderlich sein, um die Ernährung der Weltbevölkerung sicher zu stellen.

Die Motive, wieso trotz deutlicher Argumente für den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, die Ablehnung in der Bevölkerung derart überwiegt, sind vielfältig, jedoch für mich schwer zu ergründen. Oftmals wird die strikte Überzeugung vertreten, dass ein Eingriff in die „Natur“ immer mit negativen Folgen behaftet wäre und man stattdessen im Einklang mit der „Natur“ leben sollte. Dieses Argument würde streng zu Ende gedacht bedeuten, dass der Mensch auf alle technologischen Errungenschaften verzichten und wieder in steinzeitlichen Höhlen leben müsste. Oder ist es „natürlich“ mit einem Flugzeug zu fliegen oder einen Computer zu nutzen? Wäre demnach eigentlich die konventionelle Pflanzenzucht „natürlich“? Wohl kaum. Im Endeffekt müsste eine Person, welcher dieser Argumentation folgt, wohl Wildgräser statt Weizen essen. Der Mensch hat von jeher in seinen Lebensraum eingegriffen um sein eigenes Dasein zu verbessern. Dies in Frage zu stellen, würde schlussendlich bedeuten misanthrope Ziele zu verfolgen. Wollen wir hingegen daran arbeiten, das menschliche Dasein zu verbessern, so ist jede Form der unreflektierten Technologiefeindlichkeit fehl am Platz.

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